“Sollten Sie nicht zurückziehen und ihren Platz einem besseren überlassen”, fragte ein Reporter den Waliser Phillip Price kurz vor dem Ryder Cup 2002. Es war nicht so, als hätte sich Price diese Frage in vielen schlaflosen Nächten nicht schon selbst gestellt. Aber sie von jemand anderem zu hören, ist für einen Mann mit einem ohnehin recht leicht zu zerstörenden Selbstbewusstsein noch einmal etwas ganz anderes.
Den Platz hatte sich Price fair und redlich verdient. Als zehnter der europäischen Geldrangliste (die Qualifikationskriterien mit der Welt-Liste wurden erst danach eingeführt) hatte er einen automatischen Startplatz erhalten, und selbst wenn man die Weltrangliste herangezogen hätte, wäre Price einer der zwölf besten Europäer gewesen – noch vor José-Maria Olazabal, der die Reise nach The Belfry nicht mit antreten durfte. Doch die Turniere mit denen sich der damals 35-Jährige den Platz erspielt hatte, lagen schon länger zurück. In den letzten neun Turnieren hatte er fünf Mal den Cut verpasst, in der Weltrangliste war er bis auf Platz 119 herabgerutscht – und nun stand er am Finaltag des Ryder Cups im vorletzten und vorentscheidenden Match Auge in Auge mit dem amerikanischen Superstar Phil Mickelson.
Der Kampf gegen unüberwindbare Hindernisse zieht sich wie ein roter Faden durch seine Karriere. Wenn ehemalige Spielpartner sich an ihn <% image name="phillipprice" style="margin:10px" align="right" %>erinnern, sagen sie einhellig, dass Price nie so aussah, als könne er es als Profi zu etwas bringen. Selbst der Präsident der Waliser Golf-Vereinigung hielt ihn maximal für den fünftbesten Amateur in dem kleinen Land. Doch wenn Price eines hat, dann extreme Geduld. In jungen Jahren harrte er einen ganzen Tag lang am ersten Abschlag eines Einladungsturnier aus, in der Hoffnung irgendwie noch ins Feld reinzurutschen. Als ein Spieler nicht auftauchte, schlug seine große Stunde – und er gewann das Turnier. Doch die Zweifel blieben. “Alle Welt sagte, seine Technik sei so schlecht, dass er nicht Profi werden sollte”, erinnert sich Alan Fine. Der Mentaltrainer ist so wichtig für das Spiel und das Leben von Price, dass er bei seiner Hochzeit sogar als Trauzeuge fungierte.
Das Ja-Wort im Jahr 1999 und die Geburt seines Sohnes ein Jahr später waren wichtige Einschnitte in Prices Leben. Im Bewusstsein nun eine kleine Familie versorgen zu müssen, stellte er seinen Schwung, der ihm keinen Erfolg gebracht hatte, komplett um. Mit Erfolg: 2000 belegte er hinter Tiger Woods den zweiten Platz beim WGC-Event in Firestone, ein Jahr später feierte er bei der Algarve Open de Portugal seinen zweiten Karriere-Erfolg als Profi.
Dass die Familie ein so wichtiger Teil seines Lebens ist, überrascht nicht. Dass er überhaupt mit dem Golfsport anfing, verdankte er seinem Vater und den beiden älteren Brüdern. Um bei den wöchentlichen Runden nicht außen vor zu bleiben, begann der eher dem Rugby zugeneigte Phillip ebenfalls die kleine weiße Kugel zu schlagen – und stellte sich schnell als größtes Talent in der Familie heraus. Weil ihm als schlechter Schüler als Alternative nur ein Fließband-Job blieb, war für ihn schnell klar, dass er Profi-Golfer werden wollte. Die Familie unterstützte ihn dabei in jeder Lage. Selbst als eine Krankheit seinen Vater gesundheitlich und finanziell zurückwarf, lieh er seinem jüngsten Sohn noch Geld um seine sportlichen Ambitionen weiterzuverfolgen.
Andere hatten weniger Vertrauen. Kurz vor dem Ryder Cup suchte sich sein Caddy Andy Prodger ein attraktiveres Bag und heuerte ausgerechnet beim Ryder-Cup-Kollegen Montgomerie an (der sich nicht mal ein Jahr später wieder von Prodger trennte). Doch nicht das alte Schlachtross Monty, sondern der unerfahrene, als Kanonenfutter angesehene Phillip Price sorgte für die bleibende Erinnerung beim 2002er Kontinentalvergleich. Mit einem 9-Meter-Putt am 16.Loch besiegte er Mickelson, holte sich den vorentscheidenden Punkt für den europäischen Sieg und jede Menge Selbstvertrauen.
Es folgte die beste Phase seiner Karriere. Mit einem äußerst profitablen Sieg bei der European Open 2003 und einem 10. Platz in der Open Championship des gleichen Jahres schien es, als sei ihm der endgültige Durchbruch gelungen. Doch dann machte er einen Fehler, der schon vielen anderen europäischen Golfern vor ihm zum Verhängnis wurde: er beschloss, sein Glück auf der PGA Tour zu versuchen.
Mit der Sicherheit der European-Tour-Karte in der Hinterhand, die er seit 1990 nie abgab, begab er sich in die Mühle der amerikanischen Qualifying Tour, holte sich nach sechs qualvollen Runden die Karte – und riss ein ganzes Jahr lang nichts mehr. Schlimmer noch, er ruinierte sich sein Selbstvertrauen und seinen Schwung. Seit diesem Ausflug vor fünf Jahren quält er sich über den Golfplatz und träumt vergebens von einer Rückkehr zu seiner Form aus den Jahren 2000-2003. Ein Wechsel zu Montgomeries altem Schwungschleifer Denis Pugh bewirkte bisher jedoch ebenso wenig wie ein Kurzzeit-Ausflug auf die Challenge Tour. In der Weltrangliste ging es für den ehemaligen Top-75-Spieler in ungeahnte Tiefen. Wenig verwunderlich, denn sein bestes Ergebnis in den vergangenen zwei Jahren war ein 26. Platz, 2009 verpasste er bei 17 Starts elf Mal den Cut. Doch egal ob sich Phillip Price noch einmal wieder fängt, oder nicht: seine 15 Minuten Ruhm und seinen Platz in den Geschichtsbüchern kann ihm niemand mehr nehmen. Der Sieg gegen Phil Mickelson bleibt unvergessen.