1. Der Solheim Cup ist ein Old-School Ryder Cup
Erinnert sich noch jemand an die alten Ryder-Cup-Zeiten? Damals als Seve Ballesteros bei jedem Schlag seiner Gegner mit Kleingeld in der Tasche klimperte? Als Ballesteros und Paul Azinger sich über einen ausgetauschten Ball in die Haare bekamen? Als die Amerikaner 1999 nach einem gelochten Putt das Grün stürmten, obwohl Jose Maria Olazabal noch einen Putt zum Teilen hatte? Das ist heute unmöglich. Weil fast alle Teilnehmer mittlerweile auf der PGA Tour spielen, kennt und schätzt man sich. Animositäten gibt es kaum noch, und so läuft der Ryder Cup mittlerweile friedlich und freundschaftlich ab. Wenn dann ein Patrick Reed etwas übermotiviert daher kommt, wird es gleich als Skandal aufgebauscht – ganz einfach weil man es nicht mehr gewohnt ist. Anders als beim Solheim Cup 2015. Hier gibt es noch offenen Hass zwischen beiden Seiten. Bereits am zweiten Tag clashten die Kapitäne miteinander, weil wohl jemand von außen Tipps gegeben hatte – etwas was nur die Kapitänin darf und keine der Vizekapitäninnen. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich einen Aktion am Finaltag. In den letzten zu spielenden Fourballs verschob die Amerikanerin Alison Lee beim Stand von All Square an der 17 den Putt zum Lochgewinn um etwa 40 Zentimeter. Die Europäerinnen Charley Hull und Suzann Pettersen drehten ab und gingen in Richtung nächsten Abschlag und signalisierten damit, dass sie den Putt nicht mehr sehen müssen. Lee nahm den Ball auf – und die Europäerinnen (bzw. Pettersen, Hull trifft keine Schuld) merkten plötzlich an ,sie hätten den Putt nicht geschenkt und stahlen damit das Loch und das Match. Eine Aktion, die dafür sorgen wird, dass der sportlich offen ausgetragene Hass (wehe jemand wirft das Wort Zickenkrieg in den Ring) noch Jahre weiter gehen wird.
2. Damengolf ist hochklassig
Wer nach diesem Turnier noch einmal anmerkt, dass Damengolf ein Golfspiel zweiter Klasse sei, dem gehört die Platzerlaubnis entzogen. Es gab lange, gerade Drives, Schläge ins Grün mit viel Backspin, spektakuläre Hole Outs, herausragendes Putting. Kurz gesagt: Es gab richtig gutes Golf.
3. Deutschland kann perfekte Golfturniere organisieren
Die BMW Open gilt für ihre perfekte Organisation und die exquisite Behandlung von Spielern, Helfern und Medien als Vorzeige-Turnier auf der European Tour. Und der Solheim Cup 2015 hat den deutschen Ruf noch einmal gestärkt. Medienvertreter schwärmen von der Betreuung, die Organisation des Zuschauerflusses war trotz schwieriger Wetterbedingungen und gesperrter Parkplätze tiptop, der Platz war (abgesehen von den bizarr geharkten Bunkern) in einem Spitzenzustand, und auch die Spielerinnen hatten keinen Grund zur Klage. Ein viel besseres Bewerbungsvideo für die Ryder-Cup-Bewerbung konnte Deutschland nicht abliefern.
4. Das Spieltempo der Damen ist eine Schande
Schon auf der PGA Tour lässt die Dauer einer Runde arg zu wünschen übrig, aber im Damengolf ist dies leider noch mal schlimmer. Ja, es gab eine Gewitterunterbrechung. Aber der Grund, dass der Zeitplan nicht eingehalten wurde, war das skandalöse Spieltempo an den ersten zwei Tagen. Die Fourballs dauerten bis zu sechs Stunden obwohl nur vier Flights auf dem Platz waren. Die Schuld haben Pre-Shot-Routinen, die Keegan Bradley wie Usain Bolt aussehen lassen, Spielerinnen, die sich teilweise von ihren Caddies bei allem beraten lassen und eine schlechte Vorbereitung. So etwas ist keine Werbung für den Golfsport.
5. Konservative Prognosen sind immer besser
Nach inoffiziellen Zahlen kamen gut 75.000 Zuschauer von Mittwoch bis Sonntag zum Solheim Cup 2015. Exzellente Zahlen, die etwa doppelt so hoch lagen wie beim LET-Event in Gut Häusern. Das Problem dabei nur: die Veranstalter setzten vor dem Turnier eine Zahl von 100.000 in die Welt. Und so bekommt die im Grunde erfreuliche Zahl dennoch einen leicht enttäuschenden Beigeschmack. Schade eigentlich.
6. Deutschland hat gute Golf-Kommentatoren
Vielleicht ist es nur die Erleichterung, einmal eine Golfübertragung ohne die immer gleichen Phrasen von Carlo Knauss und Irek Myskow zu hören, aber Matthias Kammann und Andreas Kössler waren ein äußerst erfrischendes Kommentatoren-Paar. Unaufgeregt, sachlich, halbwegs kompetent und kein wenig selbstverliebt. So muss das sein. Nur an der Übertragung selber hätte man noch einiges verbessern können. Während der Gesprächsrunden wurden wichtige Lochgewinne und -verluste verpasst, und die Lehrfilmchen mit Sophia Popov hätte man sich ebenson sparen können wie das ständige Picture-in-Picture von Sandra Gals Mutter und Freund. Und das abrupte Ende? Dazu unten mehr.
7. Amerikanerinnen sind keine Teamplayerinnen
Da können sie sich noch so viele Flaggen ins Gesicht und auf die Leggins malen: ein echtes Team sind sie nicht. Seit 1998 haben die Europäerinnen nach den Vierern nicht mehr zurückgelegen – und das obwohl sie auf dem Papier deutlich unterlegen sind. Alle zwölf Amerikanerinnen sind im Rolex Ranking unter den 42 besten der Welt – und damit besser als die viertbestplatzierte Europäerin Sandra Gal. Und trotzdem kriegen sie reihenweise den Hintern versohlt. Etwas, was lange Jahre auch ihre männlichen Kollegen plante. Eigentlich sollte man meinen, dass sie als Collegespieler so etwas wie Teamgeist mitbekommen, aber offenbar fördert das US-Golfsystem dann doch mehr Individualität, wie auch die Rekordniederlage der Amis im Walker Cup belegt. Dass es am Ende für Stars and Stripes dennoch für den Sieg reichte, kann dieses Problem der US-Ladies nicht übertünchen.
8. Die Jugendwelle im Damengolf ist ungebrochen
Mit der Neuseeländerin Lydia Ko hat gerade eine 18-jährige eines der Damen-Majors gewonnen. Und die größten Leistungsbringer beim Solheim Cup 2015 waren auch zwei aus der ganz jungen Generation: die 20-jährige Lexi Thompson war der Eckpfeiler für die Amerikanerinnen, und die 19-jährige Charley Hull holte vier Punkte für Europa. Wie bei den Herren muss es einem auch um die Zukunft des Damengolfs nicht Bange sein – ganz im Gegenteil.
9. Golf scheint eine Randsportart zu bleiben
Angesichts der Stimmung in St. Leon Rot ist diese Aussage schwer zu schlucken. Und diese Aussage ist zumindest noch bis morgen mit einem dicken, fetten Sternchen zu versehen, da die Einschaltquoten für den Finaltag im SWR und im Ersten (als Aufzeichnung) noch nicht vorliegen. Aber die Quoten für die Samstags-Übertragung im SWR waren nicht gerade erbaulich (für EinsPlus sind keine online oder im Videotext zu finden). 10.000 Menschen haben laut SWR-Videotext zugeschaut. Nicht viel, aber noch nicht eindeutig als Desaster zu werten, da sie sich nur auf die Zuschauer im Einzugsgebiet beziehen. Weniger erbaulich sind für eine Live-Übertragung allerdings die 1,1% Marktanteil im Sendegebiet. Durchschnittswert für den SWR sind 6,7%. Doch wenn es noch einen endgültigen Beweis bedurfte, dass Golf von den Medien immer noch als absolute Randsportart gesehen wird, dann hat ihn der SWR geliefert. Um 16.06 Uhr war der Solheim Cup 2015 entschieden. Sechs Minuten vorher brach der SWR die Live-Übertragung ab, um eine Aufzeichnung (!) der Vorentscheidung (!!) zur Wahl der deutschen Weinkönigin (!!!) zu bringen. Prost.
UPDATE: Die Quoten für den Sonntag machen es nicht besser – ganz im Gegenteil. Zwar wurden beim SWR 20.000 regionale Zuschauer gemessen, der Marktanteil rauschte mit 0,8% aber noch weiter in den Keller. Und im Ersten lockte die Zusammenfassung bundesweit gerade mal 60.000 Zuschauer (3,6% Marktanteil) vor den Bildschirm. Damit hatte der Solheim Cup zwischen 9 Uhr und Mitternacht die zweitwenigsten Zuschauer im Ersten. Immerhin: “Grenzgänge Folge 3” wurde übertroffen. Nimm das, Ilja Richter!