Die Bild-Zeitung geht einem Kettenbrief auf den Leim

Sex-Tiger Woods zur Schönheits-Operation?

So titelte gestern Bild.de und heute auch die Print-Ausgabe der Bild-Zeitung. Darin enthüllt sie die “wahre” Geschichte über die Ereignisse während Tiger Wods Unfallnacht an Thanksgiving. Demzufolge soll Woods zu einem Pokerspiel mit Freunden gegangen sein und sein Handy zu Hause vergessen haben. Ehefrau Elin fand darauf kompromittierende SMS und Fotos und stellte Tiger bei seiner Rückkehr zur Rede. Der Streit eskalierte und als Tiger sich von Elin wegdrehte, bekam er plötzlich ein Eisen 9 über den Kopf gezogen (die gleiche Waffe mit der eine Ex-Freundin auch das Auto von Nick Faldo demolierte und die offenbar an jeder Ecke von Tigers Haus stehen muss, da Elin sie in Sekunden zücken und nutzen konnte).

Die Folge waren zwei ausgeschlagene Zähne, ein gebrochener Wangenknochen und ein Loch im Gesicht. Um dies zu korrigieren sei Woods direkt zu einem Schönheitschirurgen nach Phoenix geflogen, was der wahre Grund für sein mysteriösen Untertauchen sei. Sogar eine seriöse Quelle gibt Bild für diese Meldung an: “der renommierte US-Journalist Furman Bisher”. Dummerweise hat Bild dabei ein klitzekleines Deteil vergessen.

Zwar steht die Meldung im Blog des 91-Jährigen und er beruft sich, wie Bild schreibt, auch wirklich darauf, diese Nachricht von einem vertrauenswürdigen Kollegen, den er seit Jahren kennt, bekommen zu haben. Doch auch der ist dummerweise nicht der Urheber dieser Geschichte. Denn wie Stephanie Wei in ihrem Blog berichtet, wurde ihr diese exklusive Enthüllung seit dem 22.Dezember – vier Tage vor Bishers Blogeintrag – ständig zugemailt, wobei nicht nachzuvollziehen war, woher sie stammt. Wei hat sich – anders als Bild – jedoch die Mühe gemacht, zu recherchieren woher diese Geschichte stammt und ist dabei auf einen Beitrag im Golfwrx-Forum vom 19.Dezember gestoßen, in dem ein Mitglied mit noch nicht allzuvielen Beiträgen plötzlich mit dieser Geschichte ankommt. Innerhalb von zehn Tagen hat sich das Ganze wie ein Lauffeuer im Internet und per mail verbreitet – und kaum wird es von einem vermeintlich seriösen Ex-Journalisten multipliziert, hält es die ganze Welt plötzlich für bare Münze – und wie immer ist die Bild-Zeitung an vorderster Front dabei.

Zugegeben: In den letzten Wochen ist so viel über Tiger Woods geschrieben worden, dass nichts unwahrscheinlich scheint. Aber das gibt Journalisten noch lange keinen Freibrief die Quellen nicht länger zu hinterfragen – besonders, wenn diese Quelle mit folgender Einleitung beginnt:

I have a Member who lives 10 houses down from Tiger in Isleworth. As we know Tiger’s agent is Mark Steinberg. My Member plays golf and is real good friends with another IMG Agent; who is very good friends with Steinberg and they share the same office. This information came from the other IMG Agent to my Member, and then to me today, and according to them is up to date as yesterday when my Member left Orlando.

Um das nochmal klarzustellen: Bild beruft sich mit diesem Artikel (im Best-Case-Scenario) auf den Kollegen einen Journalisten, der das Ganze angeblich vom Freund eines Freundes eines Kollegen von Tigers Manager haben soll. Das ist mittlerweile so weit von erster Hand entrückt, dass es nicht einmal mehr das Wort Hörensagen trifft.

UPDATE von 17.22 Uhr: Bei Deadspin finden sich Auszüge aus den verschiedenen Variationen und Entwicklungsstadien der Kettenbriefmail.

Derweil hat auch Welt Online ale journalistischen Standards aufgegeben.

Nachtrag von 20.44 Uhr: Bild.de beharrt auch in einem neuen Artikel auf dem Schönheits-OP-Blödsinn. Offensichtlich korrigieren sie nur Fehler, wenn sie vom Bildblog aufgedeckt werden.

UPDATE vom 31.12. Mittlerweile hat eine Sprecherin der Florida Highway Patrol gesagt, man habe am 1.Dezember persönlich mit Tiger Woods gesprochen und lediglich eine geschwollene Lippe gesehen, was den Kettenbrief endgültig diskreditiert. Nichtsdestotrotz zieht der Blödsinn weiter Kreise. Sowohl bei der Berliner Morgenpost als auch auf Bunte.de werden die Behauptungen weiterverbreitet. Natürlich haben auch bild.de und Welt Online nichts an ihren Artikeln verändert. Dafür hat Welt Online jetzt die Kommentarfunktion für den Artikel gesperrt, wäre ja auch schlimm wenn die Leser so die Wahrheit erfahren würden.

UPDATE vom 14.1. Furman Bisher hat es nach nur 18 Tagen eingesehen und den Kettenbrief von seinem Blog genommen.

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