Vor knapp zwei Wochen titelte die Süddeutsche Zeitung: “Die Welttour kommt”. Autor Gerald Kleffmann stellt darin die These auf, dass längst nicht mehr die Frage ist, ob eine sogenannte Welttour kommen wird sondern vielmehr wann sie kommt. Schließlich liegen vier Europäer an der Spitze der Weltrangliste und “die Asiaten werden stärker”. Gerade letzteres ist eine gewagte Aussage wenn man bedenkt, dass es in den vergangenen drei Jahren auf der PGA Tour gerade mal vier verschiedene Sieger aus Asien gegeben hat: K.J.Choi, Ryuiji Imada, Y.E. Yang und Arjun Atwal. Ihre Gemeinsamkeit? Allesamt sind schon seit Jahren in den USA etabliert. Eine Dominanz neuer Namen ist nicht zu erkennen. Eher schon auf der European Tour, doch auch die dort erzielten sechs Siege seit 2009 muss man mit einem Sternchen versehen: allesamt wurden sie in Asien erzielt, wo die Siege alleine schon aufgrund der Menge der einheimischen Spieler und des schwachen Feldes keine Sensationen waren. Die Kernthese des Artikels ist aber ohnehin eine andere:
Das bisherige Toursystem ist viel zu zerfasert: Hier ist die Europa-Tour, die schon in Dubai und Durban spielt, dort die USTour, in der immer mehr Ausländer antreten und siegen. Unübersichtlichkeit ist die Folge. Eine Serie, die in 14, 15, 16 Stationen um die Welt führt und bei der sich nur die Besten duellieren, wirkt wesentlich reizvoller, strukturierter und auch für jene nachvollziehbarer, die dem Golfsport noch nicht derart zugetan sind, wie es die Branche gerne hätte.
Warum jetzt viele Ausländer auf der PGA Tour für Unübersichtlichkeit sorgen, erschließt sich jetzt nicht so ganz, aber sei es drum. Vor allem aber sind die Siege der internationalen Spieler keine Anomalie. Ja, die 19 Siege von internationalen Spielern in der vergangenen Saison liegen im oberen Bereich, waren aber weder die Mehrheit (29 Sieger kamen 2010 aus den USA) noch ein Rekord. 2004 wurden sage und schreibe 26 Turniere von internationalen Spielern und nur 22 von US-Amerikanern gewonnen. Der Unterschied damals: Die Sieger stammten aus Australien, Fiji und Südafrika. Die Rufe nach einer Welt Tour werden komischerweise immer nur dann laut, wenn die Europäer eine Renaissance erleben – zuletzt Mitte der 90er als Faldo und Co. dominierten und sich zusammen mit Greg Norman dafür stark machten.
1994 startete der Australier sogar eine World Tour, auf der sich die Top 30 der Welt in acht Turnieren um jeweils 3 Millionen Dollar duellieren sollten. Dummerweise vergaß er dabei, sich mit PGA Tour Chef Tim Finchem abzusprechen, der hart gegen die World Tour vorging, und am Ende verlor Norman die Unterstützung seiner Profi-Kollegen. Es steht also außer Frage, dass es eine World Tour nur geben kann, wenn sie den Segen der PGA Tour erhält. Entsprechend groß war das Interesse bei einer heutigen, gemeinsamen Pressekonferenz von Finchem und seinem europäischen Gegenstück George O’Grady. Beide blieben gewohnt schwammig bei der Frage nach einer Welt-Tour und stellten für die Zukunft zwar eine engere Verflechtung in Aussicht, aber nicht so schnell. “Wann es genau passieren wird, kann ich nicht sagen”, führte Finchem aus. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass es kurzfristig geschieht. Ich denke aber mittelfristig, in 10-20 Jahren.” Und auf diesen Zeitraum seien auch die derzeitigen Gespräche zwischen den beiden obersten Golf-Bossen ausgerichtet.
Doch ob am Ende dabei dann wirklich eine World Tour herausspringt, ist völlig offen. Zumal ein solches Konstrukt eigentlich im Interesse von Niemandem ist. Oder sagen wir vielleicht lieber fast niemandem. Denn es gibt zwei Gruppen, die davon profitieren würden, und weil genau diese in der Lage sind, eine Öffentlichkeit zu schaffen, ist die Idee einer World Tour überhaupt im Gespräch. Da wären zum Einen die 50 besten Spieler der Welt, die von höheren Preisgeldern, mehr Weltranglistenpunkten und keinen Restriktionen bei der Zahl ihrer Starts auf den verschiedenen Kontinente profitieren würden. Entsprechend äußern sie sich in Interviews – wobei besonders die bei Chubby Chandler unter Vertrag stehenden Spieler (Lee Westwood, Rory McIlroy) die Wortführerschaft übernehmen – und treffen dabei auf offene Ohren. Denn die zweite Gruppe. die an einer World Tour interessiert ist, sind die Journalisten. Sie müssten fortan nur noch eine gewisse Zahl an Turnieren begleiten, hätten alle Spitzenspieler für Interviews und Porträts vor Ort und bräuchten sich keine Geschichten über D.A. Points, Brendan Pappas und anderen One-Hit-Wondern aus den Fingern zu saugen. Stattdessen gäbe es bei jedem Turnier was über Tiger, Tiger, Phil und Tiger zu berichten. Doch wenn man über diesen Tellerrand hinausblickt, gibt es doch einiges was gegen eine World Tour spricht.
Da wäre vor allem das drohende Szenario einer Zweiklassengesellschaft. Eine World Tour würde eine Art exklusiven Club unter den Profigolfern schaffen in den nur schwer reinzukommen ist. Bereits heute bekommt man durch eine gute Weltranglistenposition einige Vorteile, die die eigene Position festigen (bsw. das Accenture Matchplay bei dem jeder Teilnehmer Weltranglistenpunkte erhält). Eine Welttour würde diese Entwicklung nur noch verstärken. Vor allem aber würden die Preisgelder in Richtung dieser Elitetour verschoben werden, reguläre Events der jetzigen PGA Tour und European Tour dürften hingegen heftige Preisgeld-Einbußen hinnehmen. Gut 200 Spieler der beiden großen Touren würden die Zeche für die Top-50 zahlen. Besonders für die heutige European Tour dürften die Folgen fatal sein. Die reizvollen Events wie Desert Swing und BMW PGA Championship würden in die World Tour integriert (wobei auch noch zu bezweifeln ist ob die notorisch reisefaulen US-Stars zu einer Teilnehme zu bewegen wären). Was bliebe, wären einige kleine Turniere: die European Tour könnte schlimmstenfalls auf den Status der Challenge Tour zurückfallen. Denn wie wenig tragfähig die European Tour im Vergleich zur PGA Tour wäre, zeigt bereits ein Vergleich zwischen Nationwide- und Challenge-Tour sowie Champions- und Seniors-Tour. Die Preisgelder auf der europäischen Seite des Atlantiks sind – nicht nur im Ackermannschen Sinne – Peanuts verglichen mit den USA.
Der Grund dafür ist das Ungleichgewicht bei den Fernsehgeldern. Auf dem größten europäischen Golfmarkt, Großbritannien, zahlt Sky Sports für die Rechte an der PGA Tour 12,5 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die European Tour dürfte etwas mehr kosten, wobei über die genaue Summe keine Angaben zu finden waren. Die Golfrechte in den USA erreichen hingegen ganz andere Dimensionen. 220 Millionen Dollar pro Jahr zahlt alleine der Golf Channel. Hinzu kommen noch einmal etwa 200 Millionen pro Jahr von den großen Sendern, die die Wochenendübertragungen übernehmen – und da sind nicht einmal die Rechte an den vier Majors integriert, die von den Veranstaltern in Eigenvermarktung verkauft werden. Dieser Unterschied – beeinflusst in der Vergangenheit durch den Tiger-Faktor – ist der Hauptgrund für die finanzielle Schere zwischen den beiden Touren. Und mit der Einführung einer World Tour würde Finchem genau diesen Vorteil aus der Hand geben.
Denn eine World Tour müsste schließlich etwa die Hälfte der Turniere außerhalb der USA stattfinden lassen, in Asien, Europa und im Nahen Osten. Aufgrund der Zeitverschiebungen für die US-Sender eine Horror-Vorstellung: Entweder man überträgt live tief in der Nacht, oder man sendet aus der Konserve. Die Folge wären deutliche Einbußen bei den TV-Verträgen in den USA, was sich wiederum auf die Preisgelder auswirken dürfte dessen Folgen vor allen Dingen wieder die zweite und dritte Riege der Golfer zu spüren bekäme. Selbst das Interesse der Zuschauer vor Ort an einer World Tour muss bezweifelt werden. Bei den Turnieren während des Desert Swings waren die Fairways spärlich gesäumt. Und in den USA geht den Zuschauern das Interesse an Golf als Weltsport völlig am Allerwertesten vorbei wie ein Bericht aus Doral zeigt, laut dem gerade mal 58 Zuschauer den Top-3 der Weltrangliste zugeschaut haben – schließlich sind es nur Europäer.
Insgesamt spricht also fast mehr gegen als für eine World Tour. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Lee Westwood und Co. sich dessen sogar bewusst sind. Es scheint manchmal als würde Team Chubby die World Tour als Drohkulisse benutzen um ihr eigentliches Ziel zu bekommen: eine unlimitierte Zahl an Starts. Die Idee dahinter: Die Top 50 der Welt sollen quasi das goldene Hologramm auf ihrer Tourkarte bekommen mit dem sie überall auf der Welt spielen können ohne dabei Rücksicht auf die Maximalstarts nehmen zu müssen. Denn mit McIlroy und Westwood machen genau die beiden Spieler Stimmung für die World Tour, die auf der PGA Tour experimentierten, die Mitgliedskarte zurückgaben und nun zwei Starts weniger zur Verfügung haben. Statt die Schuld bei sich selber zu suchen weil sie sich vorher nicht über die Verpflichtungen der Tourkarte informiert haben (Rory McIlroy war beispielsweisevöllig ahnunglos), versuchen sie jetzt auf diese Art wieder in mehr Turniere zu kommen. Doch diesem Freibrief für die Top 50 erteilten sowohl Tim Finchem als auch George O’Grady in ihrer Pressekonferenz eine Absage. Insofern wird es eine World Tour sowohl offiziell als auch inoffiziell auf absehbare Zeit nicht geben. Und ob dies wie von Finchem angedeutet in 10-20 Jahren anders sein wird, sollte man auch erst noch abwarten. Denn wer weiß, wie die Golfwelt im Jahr 2030 aussieht? Auch der Golfsport ist zyklisch und es kann durchaus sein, dass die USA wieder die Oberhand gewinnen und im Jahr 2020 die Idee einer Welt Tour allen Beteiligten nur ein müdes Lächeln abringt.