Eine der Seltsamheiten des Ryder Cups ist die Tatsache, dass er Unentschieden enden kann. Eine Änderung dieser Tatsache ist nicht leicht: da die einzelnen Matches geteilt werden können, würde es auch nicht helfen eine ungerade Zahl an Punkten zu vergeben. Es gibt nicht viele Sportarten, die diese Möglichkeit erlauben: im Baseball wird bis zum bitteren Ende weiter gespielt, im Tennis gibt es den Tie-Break, im Eishockey Verlängerung und Penaltyschießen, und bei der Fußball-WM gibt es gar ein mehrstufiges System für das Weiterkommen vom direkten Vergleich bis zum Losverfahren. Die beste Parallele zum Verfahren des Ryder Cups, in dem der Titelverteidiger bei Unentschieden zum Sieger erklärt wird, ist der Boxsport – und dort ist jedes Unentschieden automatisch auch mit einer Kontroverse über den eigentlichen Sieger gewürzt.
In der Geschichte des Ryder Cups gab es bisher zwei Unentschieden: 1969 blieb der Pokal dadurch in den USA, 1989 in Europa. Am vergangenen Wochenende hätte es zum dritten Mal dazu kommen können – und vermutlich wäre es sogar dazu gekommen, wenn die Amerikaner irgendeinen Sinn darin gesehen hätten ein 14:14 statt ein 13,5:14,5 zu erzielen. Sowohl Davis Love III als auch Tiger Woods sagten nach ihrer Partie sie hätten nicht wirklich gewusst warum sie weiterspielen während um sie herum die wilde Luzi tobt und das Match zwischen Molinari und Woods eher störend für die Feierlichkeiten war, die das europäische Team bereits nach dem gelochten Putt von Martin Kaymer angestimmt hatte. (wobei Tigers Geschenk an Molinari den netten Nebeneffekt hatte, dass die gierigen Buchmacher eine Millionen-Pleite erlebten) Was uns zu der Frage führt, ob der Ryder Cup unentschieden enden sollte. Und falls nicht, wie man dies in Zukunft verhindern könnte.
Sport ist grundsätzlich eine archaische Angelegenheit. Es gibt Gewinner und es gibt Verlierer, für Unentschieden findet sich kaum ein Platz. Nicht umsonst zählt in der Fußball-Bundesliga mittlerweile ein Sieg mehr als zwei Unentschieden. Und nicht ohne Grund fügt man in Schnelligkeits-Sportarten mittlerweile immer mehr Nachkommastellen bei der Zeit ein und zieht – falls dies immer noch nicht reicht – den Videobeweis heran. Ganz egal welch absurde Blüten dies manchmal treibt (man denke nur an den olympischen Triathlon der Damen. Unentschieden ist vielleicht akzeptiert als Zwischenergebnis, aber am Ende braucht der Sport einen Sieger. Wie also könnte man dies im Ryder Cup erreichen?
Möglichkeit 1: Lochdifferenz
Das Naheliegendste um einen Sieger zu küren wäre die einzelnen Partien auszuzählen um zu schauen, wer seine Partien am Dominantesten gewonnen hat und so festzustellen, welches Team insgesamt überlegen war. 1969 hätte dabei Großbritannien mit 23:16 vorzeitig entschiedenen Löchern die Nase vorn gehabt, 1989 ganz knapp die USA mit 33:28 und in diesem Jahr ebenfalls sehr deutlich. Der Vorteil dieses Systems wäre, dass jedes Loch zählt – was allerdings die ohnehin bestehenden Spannungen während der Matches noch erhöhen könnte. Der größte Nachteil dieses Systems wäre es, dass auch hier ein Unentschieden im Bereich des Möglichen ist.
Möglichkeit 2: Double Up
Die Kapitäne gehen traditionell dazu über, einen starken Spieler am Ende der Matches einzusetzen für den Fall, dass der Ryder Cup doch erst auf der Zielgeraden entschieden wird. Warum nicht also auch dem letzten Match eine höhere Wertigkeit von 1,5 statt 1 Punkt geben? Wenn das letzte Einzel 1,5 Punkte statt 1 Punkt zählt, hätte weder dieses Jahr noch 1989 ein Unentschieden entstehen können. Allerdings gibt es auch hier einen Haken an der Sache: Wenn die Partie vor dem letzten Einzel Unentschieden steht und auch dieses geteilt wird, gibt es noch immer keinen Sieger. Man müsste in diesem Fall also zusätzlich einführen, dass das letzte Einzel im Sudden Death fortgesetzt wird bis es einen Gewinner gibt.
Möglichkeit 3: Oh Captain, mein Captain
Seien wir einmal ehrlich: die Aufgabe eines Kapitäns ist sekundär. Am Samstag noch wurde Davis Love III als grandioser Kapitän gefeiert, der alle Paarungen ideal gewählt hatte, das Kurs-Setup perfekt abstimmte und die richtigen Worte an sein Team fand, während Olazábal alles falsch gemacht hatte, was man falsch machen konnte. Doch kaum hatten die Europäer durch die herausragenden Leistungen ihrer Spieler den Ryder Cup gewonnen, gilt Olazábal im Pressespiegel als meisterhaftes Genie und Love III als Volldepp, der die falschen Captain’s Picks gewählt und die Einzel falsch besetzt hat. Wenn die Leistung eines Kapitäns am Ende nur dadurch bestimmt wird, wie das Ergebnis ist, kann sie nicht so bedeutend sein. Warum also sollte man dem Kapitänsamt nicht eine besondere Bedeutung geben? Da sie allesamt erfahrene Golfgrößen sind, könnten sie für den Fall eines Gleichstands doch selber noch einmal den Schläger schwingen und in einem Sudden Death den Sieger entscheiden. Wer hätte 1989 nicht Tony Jacklin gegen Raymond Floyd sehen wollen, oder in diesem Jahr José-Maria Olazábal und Davis Love III? Und seien wir mal ehrlich: Wenn im Jahr 2030 auf dem Trump International Golf Links die Teams von Ian Poulter und Tiger Woods angeführt werden, würden wir nicht alle beten, dass die Partie unentschieden ausgeht?
Möglichkeit 4: Pushing the Envelope
Vor den Einzeln stecken die Kapitäne bekanntlich den Namen eines ihrer Spielers in einen Umschlag, der aussetzt, wenn einer der Gegner unpässlich ist. Für gewöhnlich nimmt der Kapitän daher einfach den Namen des Spielers, den er für den Schwächsten hält. Wie reizvoll wäre es also wenn im Falle eines Unentschiedens genau diese beiden Spieler den entscheidenden Punkt ausspielen dürften? 1969 wären es vielleicht Bernard Hunt und Dale Douglass gewesen, 1989: Gordon Brand jr und Curtis Strange und dieses Jahr hätte eventuell Martin Kaymer seine Heldenrolle in einem Rematch gegen Steve Stricker behaupten müssen. Würde man dieses Konzept in die Realität umsetzen, würden natürlich wohl andere Namen im Umschlag stecken. Zudem erhielte das Ganze eine spannende Komponente. Würde einer der Kapitäne seinen Superstar in den Umschlag stecken in der Gefahr, dass der gegnerische Kapitän eine Verletzung faken lässt um diesen aus dem Rennen zu nehmen? Oder würde er beim schwächsten Spieler bleiben und die Gefahr eingehen, dass dieser dann die Kohlen aus dem Feuer holen muss?
Möglichkeit 5: Best of the Best
Der Ryder Cup 2012 war auch so spektakulär genug und wird jedem, der ihn gesehen hat, auf Ewigkeit in Erinnerung bleiben. Aber er hätte vielleicht sogar noch spektakulärer werden können: indem im Falle eines Unentschiedens sich die Stars ihres Teams bis zum Tod Sieg duellieren.
Die beiden, die sich 2012 nicht nur als beste sondern dazu noch als intensivste Spieler ihrer Teams erwiesen hatten, hätten jeden Zuschauer an den Fernseher gefesselt – besonders wenn man es nicht als Sudden Death sondern zumindest als 4-Loch-Match mit anschließendem Sudden Death macht. Und auch in den beiden Unentschieden-Jahren hätte es Traum-Paarungen ergeben. 1989 hätten sich noch einmal die Erzfeinde Severiano Ballesteros und Paul Azinger bekriegen können, während 1969 Lee Trevino vermutlich gegen Tony Jacklin angetreten wäre.