Film-Rezension: Tin Cup (USA 1996)

Auf den ersten Blick ist “Tin Cup” eine romantische Komödie, in der ein abgehalfterter Playing Pro (Kevin Costner) dank der Liebe zu einer Psychologin (Rene Russo) zu innerer Ausgeglichenheit und beruflichen Erfolg kommt. Tatsächlich ist der Film jedoch eine Weiterentwicklung des amerikanischen Traums: Ein hemdsärmeliger Kerl aus dem Volk schafft es, die elitäre Bastion des Golfsports zu stürmen. Das Timing hätte dabei nicht perfekter sein können. Am 16.August 1996 lief der Film in den amerikanischen Kinos an. Zur gleichen Zeit erklärte ein schlaksiger Amateurgolfer aus einfachen Verhältnissen, dass er ins Profigolfer wechselt. Sein Name: Tiger Woods.

Allerdings würde man Regisseur und Autor Ron Shelton zuviel zugestehen, wenn man ihm unterstellt, er hätte diese Entwicklung geahnt. Er hatte als Vorlage für Roy McAvoy vielmehr einen anderen arbeitenden Golfer im Sinn: Lee Trevino. “Was für eine Persönlichkeit”, sagte Shelton in einem Interview zum Kinostart. “Kerle wie er beweisen, dass auch ein Durchschnittstyp große Turniere gewinnen kann”. Die Idee zu dem Film kam Shelton, der zuvor schon mit “Annies Männer” und “Weiße Jungs bringen’s nicht” seine Affinität zu Sportfilmen bewies, bei einer Runde Golf: “John Norville, ein Scratch-Golfer und angehender Drehbuchautor, hat mir Golf-Tipps gegeben und ich habe ihm Ratschläge zum Drehbuchschreiben erteilt. Unsere Idee war es, den Zuschauer in Hirn, Herz und Seele eines Golfers zu versetzen.”

Um das zu erreichen lassen sie die Geschichte am Tiefpunkt ihres Helden beginnen. Roy McAvoy, genannt “Tin Cup”, hatte einst mehr Talent als jeder andere Golfer des Landes. Doch sein Draufgängertum und sein schwaches Nervenkostüm habe ihm immer im Weg gestanden. Jetzt verdient er sein Geld als Golflehrer einer Driving-Range im texanischen Hinterland auf der es mehr Gürteltiere als Golfschüler gibt. Als sich dann doch eine dahin verirrt, ist Roys Ehrgeiz geweckt. Denn Psychologin Molly ist nicht nur ungemein attraktiv, sie ist auch noch die Freundin seines Erzrivalen David Simms (Don Johnson), der mittlerweile eine große Nummer auf der PGA Tour ist. Also holt sich Roy seine Schläger vom Pfandleiher, steigt mit seinem treuen Freund Romeo (Cheech Marin) als Caddie in den Wohnwagen und qualifiziert sich für die US Open um Simms nicht nur den Titel sondern auch die Freundin vor der Nase wegzuschnappen.

Wie schon bei “Annies Männer” gelingt es Ron Shelton seinen Film auch für die nichtsportbegeisterte Klientel interessant zu machen. Die mit leichter Feder geschriebene und mit einem ganz eigenen Soundtrack untermalte Liebesgeschichte versprüht jede Menge Charme und profitiert von der perfekten Chemie zwischen Russo und Costner. Dass der Film darüber hinaus auch noch einen erstklassigen Einblick in den Golfsport bietet ist somit nur noch ein zusätzlicher Bonus. Bemerkenswert sind vor allen Dingen die vielen Gastauftritte echter Profis wie Craig Stadler, Peter Jacobson, Corey Pavin, Fred Couples oder Phil Mickelson. Dass diese den Spaß mitmachten ist sicherlich ein Verdienst von Sheltons Sportfilm-Philosophie: “Die meisten Filmemacher glauben, sie müssten einen Sportfilm aus der Sicht des Fans erzählen. Ich drehe sie aus Sicht der Spieler.”

Um keine Fehler bei der Inszenierung der Golfszenen zu machen holte sich Bogey-Golfer Shelton professionelle Hilfe bei Gary McCord. Der Ex-Profi und CBS-Analyst hatte darüber hinaus noch eine weitere Aufgabe. Ihm fiel es zu Kevin Costner, der zuvor nur eine Baseballkeule geschwungen hatte, einen für die Kamera glaubhaften Golfschwung beizubringen. Nicht nur das gelang McCord. Er fixte Costner so sehr an, dass dieser bis heute den Golfschläger nicht wieder aus der Hand gelegt hat. Diese Liebe zum Detail und zum Golfsport schlägt sich in jedem Bild des Films nieder. Dabei sind es noch nicht einmal unbedingt die realistischen Golfszenen, die begeistern. Eine der fantastischten Sequenzen ist die Vorbereitung auf die Finalrunde bei der Shelton in einer erhebenden Montage die Arbeit der Greenkeeper zeigt. Und dass er dazu am Ende nicht den einfachen Weg des Triumphes wählt, sondern eine exzellente Alternative findet, macht den Film nur noch besser. (für Fans: das entscheidende Schlussloch ist in Wirklichkeit Loch 4 des Deerwood Golf Club im texanischen Kingwood auf dem eine Tafel im Fairway an die Szene erinnert).

Dazu wäre es allerdings fast nicht gekommen, wie sich Shelton während der PR-Tour erinnerte. “Das Studio drängte uns ein Klischee-Ende zu machen. Wenn die heutigen Studiobosse schon früher das Sagen gehabt hätten, wäre Ingrid Bergman bei Bogey geblieben und Rocky hätte Apollo Creed K.O. geschlagen”. Ein Glück, dass Shelton hart geblieben ist.

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