Maximilian Kieffer hat es geschafft. Als erster Deutscher seit Martin Kaymer im Jahr 2006 hat sich der 22-Jährige über die Challenge Tour die Karte für die European Tour gesichert. Eine Leistung, die Hoffnung macht. Denn während man bei der Qualifying School durch eine gute Woche auf die Tour gelangen kann, braucht es auf der Challenge Tour eine Saison lang konstante Leistungen wodurch Spieler wie Kieffer eigentlich besser vorbereitet auf die große Tour sind und größere Chancen haben sollten ihre Tour-Karte zu halten als es die Q-School-Qualifikanten Stephan Gross Jr., Florian Fritsch und Bernd Ritthammer in den vergangenen drei Saisons hatten. Das belegt auch ein Blick auf die Zahlen.
Während 80% aller Q-School-Absolventen im kommenden Jahr wieder ihre Karte abgeben müssen (eine Analyse dazu findet sich hier), konnten seit dem Jahr 2005 immerhin 38% aller Spieler, die sich über die Challenge Tour hochspielten, ihre Karte verteidigen. Bei den Deutschen ist die Bilanz sogar noch besser: Zwar verloren Erol Simsek (knapp) und Gary Birch Jr. (ohne einen einzigen Euro Preisgeld) gleich im ersten Jahr wieder ihre Karte, Tobias Dier hingegen konnte gleich in seinem ersten Jahr mit der North West of Ireland Open einen Turniersieg feiern und sich auf der European Tour etablieren. Das Auffällige dabei: Kaymer und Dier hatten die Challenge Tour unter den Top 6 abgeschlossen, Birch jr und Simsek auf Platz 11 und 12 – Maximilian Kieffer belegte am Ende Platz 13 (da der vor ihm platzierte Magnus A Carlsson aus der Wertung fällt).
Doch einen wichtigen Schritt seine Karte zu verteidigen hat Maximilian Kieffer bereits in der Schlussrunde des Grand Final getan. Ein so signifikanter Schritt, dass sich seine beiden Birdies an Loch 14 und 15 als die beiden wichtigsten Birdies seines Lebens erweisen könnten. Ohne diese hätte er zwar die Tourkarte auch gehabt, er wäre aber am Ende aber nur 17. im Ranking gewesen. Dies mag auf den ersten Blick unspektakulär klingen, hat aber weitreichende Folgen. Denn Spieler, die im Abschlussranking zwischen Platz 11 und 15 liegen, werden im kommenden Jahr auf der European Tour in Kategorie 11 eingegliedert, Spieler die zwischen Platz 16 und 20 liegen, müssen sich mit der Kategorie 11c begnügen.
Dies hat zwei Dinge zur Folge: zum Einen kann sich Kieffer die Tortur der Qualifying School ersparen. Denn deren Absolventen werden zwischen diesen beiden Kategorien eingegliedert. Wer also in 11c liegt, wird in aller Regel dennoch die Q-School besuchen, da er sich dort einen besseren Status erspielen kann. Kieffer hat dies nicht nötig. Die zweite und viel wichtigere Folge ist, dass Kieffer zumindest bis zum ersten Re-Ranking (und in abgeschwächten Maße auch danach) vor den Q-School-Absolventen für Turniere berücksichtigt wird. Der Unterschied zwischen Kieffers jetzigem Platz 13 auf der Challenge Tour und dem 17. Gary Stal sind daher im Endeffekt nicht vier Plätze, sondern 40 (!). Dies bedeutet, dass Kieffer sehr wahrscheinlich an der Trophée Hassan II teilnehmen darf und somit eine zusätzliche Chance hat, sich eine gute Ausgangsposition für das Re-Ranking und damit auch für weitere Top-Turniere wie die Open de France oder das European Masters zu verschaffen.
Damit erklärt sich auch, warum die Chancen auf den Erhalt der Tourkarte mit einer niedrigeren Platzierung proportional schlechter werden. Seit 2005, dem ersten Jahr in dem 20 Karten für die European Tour über die Challenge Tour verteilt wurden, haben 140 Spieler auf diesem Weg eine Karte erhalten. Bricht man dies in vier 35er Blöcke auf (Spieler unter den ersten 5, auf Platz 6-10, 11-15 und 16-20), ergibt dies folgende Werte für die Verteidigung der Tourkarte im darauffolgenden Jahr:

Wie man sieht ein erstaunlicher Unterschied. Spieler auf Platz 16 bis 20 haben nicht einmal halb so gute Chancen ihre Karte zu verteidigen – und das ist vielleich noch optimistisch gerechnet, denn 2005 und 2006 qualifizierten sich Ausnahmetalente wie Ross Fisher und Alvaro Quiros auf diesem Weg. Seither hat pro Jahr nur ein Spieler sich auf der European Tour halten können – und 2012 sieht es sogar aus, als würden alle Fünf wieder ihre Karte verlieren. In dem Bereich in dem Maximilian Kieffer eingegliedert wird, gab es seit 2008 im Schnitt zwei Erfolgs-Geschichten pro Jahr. Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen, dass der Deutsche mit seinen zwei Birdies auf den Back 9 heute seine Zukunftschancen verdoppelt hat.
Dennoch wäre es fatal unser Nachwuchstalent jetzt mit Erwartungen zu belasten, wie vermutlich viele unserer Golfmedien es in den kommenden Wochen tun werden. Zugegeben: der Vergleich mit Martin Kaymer ist zu verlockend. Schließlich war dieser der letzte Deutsche, der es über die Challenge Tour geschafft hat und – welch Zufall – wie Kieffer war auch er damals 22 Jahre jung. Die Tatsache ist aber dies: Maximilian Kieffer hat eine etwa 30%ige Chance auch im Jahr 2014 noch auf der European Tour zu spielen. Sollte ihm dies gelingen, wäre es eine herausragende Leistung. Falls er dies jedoch nicht schafft, sollte ihn niemand als Versager abstempeln, da es gemessen an den Zahlen das wahrscheinlichere Ergebnis ist. Schließlich hat es auch Rafael Cabrera-Bello als 14. der Challenge Tour nicht im ersten Anlauf geschafft sich bei den Großen zu halten. Heute findet man den Spanier unter den Top 50 der Weltrangliste.