Michelle Wie bekommt wieder eine Extrawurst

Es gibt Spieler an denen scheiden sich die Geister. John Daly gehört dazu, Phil Mickelson ebenfalls. Und ja, selbst Tiger Woods. Doch die größten Gräben zwischen Befürwortern und Kritikern zieht eine 19-jährige. Die Rede ist natürlich von Michelle Wie. Als Produkt eines überehrgeizigen Vaters tingelte sie lange Zeit als Zirkusnummer Wunderkind über die reguläre PGA Tour. Jeder Profi hatte seine Meinung dazu – die meisten eine ablehnende – wodurch Wie nicht nur die Schlagzeilen sicher waren sondern auch die Werbeverträge. Dass ausgerechnet Nike sie unter Vertrag nahm, setzte sie eigentlich nur noch mehr unter Druck zur weiblichen Version von Tiger Woods zu mutieren.

Je mehr Cuts sie auf der PGA Tour verpasste, desto mehr wich die anfängliche Neugier einer Neurose. Die soll erst einmal ein Turnier unter ihresgleichen gewinnen bevor sie sich mit den Big Boys messen kann, war der allgemeine Tenor. Denn nicht nur hinter vorgehaltener Hand sprach man von ihr als Anna Kournikova des Golfsports – ein Ruf, der durch obskure Verletzungsabsagen und peinliche Disqualifikationen nur noch genährt wurde. Vielleicht wollte sie einfach nur rebellieren, vielleicht war sie aber auch mental dem Druck nicht gewachsen. Doch jetzt hat US-Kapitänin Beth Daniel sie als Captain’s Pick für den Solheim Cup – das Damenequivalent zum Ryder Cup – nominiert. Da man in letzter Zeit vermehrt über die finanziellen Probleme der Damentouren liest, kann dies doch nur ein Marketing-Gag sein um mit der weit schlagenden, augenfreundlichen Dame Sponsoren anzulocken. So zumindest werden es in den nächsten Tagen sicher einige interpretieren. Doch ist das gerechtfertigt? Schauen wir einmal auf die Fakten.

Auf der offiziellen Solheim-Liste der USA belegt Wie den 13. Platz. Bei 10 automatisch Qualifizierten wäre sie demnach dritte Nachrückerin. Da der zweite Captain’s Pick Juli Inkster allerdings noch hinter Wie rangiert, kann man ihr daraus keinen Strick drehen. Vor allem nicht, wenn man bedenkt wie diese Statistik zu Stande kommt. Sie wird aus den Ergebnisse der letzten zwei Jahre gefüttert. Wie hingegen ist 2009 in ihrer Rookie-Saison (und auf Platz 2 unter allen Rookies), sie hatte also deutlich weniger Chancen Punkte zu sammeln als ihre Konkurrentinnen. Wenn man nur die Events nimmt seit Wie in der Qualifying School ihre Tourkarte ergatterte, liegt sie auf Platz 6 unter allen Amerikanerinnen – und damit auf einem der festqualifizierten Plätze.

Jeder verantwortungsvolle Kapitän wird nun mit seinen Captain’s Pick Spieler wählen, die aktuell gut in Form ist. Denn was nützt es der Mannschaft, wenn jemand vor zwei Jahren mal einen guten Lauf hatte? Daher sollten selbst Kritiker eingestehen, dass das Nachwuchstalent eine gute Wahl ist. Zumal sie anders als viele Konkurrentinnen das Rampenlicht seit Kindesbeinen auf gewöhnt ist. Und mit einem 11. Platz bei der diese Woche zu Ende gegangenen British Open (ihr bisher bestes Resultat bei einem Major) hat sie ihre gute Form bestätigt. Das war sicherlich das I-Tüpfelchen, das Daniel bewogen hat, sie für übernächste Woche nach Rich Harvest Farms einzuladen – zumal der Platz dort zu den längeren gehört, den die Damen in dieser Saison bezwingen müssen. Für gewöhnlich sind die LPGA-Kurse bis 6400 Yards lang, Rich Harvest Farms misst hingegen 6770. Da ist eine Spielerin, die in den Top 5 der durchschnittlichen Drive-Länge liegt, sicherlich nicht fehl am Platze. Aus diesen Gründen hat sich Michelle Wie ihren Platz beim Solheim-Cup verdient – ganz unabhängig davon, was man sonst von ihr hält.

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