Ich habe zu lange gewartet. Im kommenden Jahr wollte ich zum ersten Mal das Home of Golf besuchen und im schottischen St. Andrews den Old Course spielen. Er ist zwar nicht die Geburtsstätte des Golfsports, doch nur an wenigen Orten kommt man der Golfgeschichte so nahe. Denn seit über 100 Jahren hat sich am Old Course nichts Substanzielles geändert. Damals, von 1905 bis 1908, wurden unter der Ägide von John Low die Front 9 mit neuen Bunkern versehen, um den Platz besser gegen den neuen Haskell-Ball zu verteidigen. Seither kam lediglich im Jahr 1920 noch Boase’s Bunker auf dem 9. Loch hinzu. Abgesehen von gelegentlichen Übergriffen auf den Road Hole Bunker und neuen Tees, die nur den Pros vorbehalten sind, blieb der Old Course seither von Veränderungen unberührt. Wer sich also heute an den ersten Abschlag begibt und seinen Namen vom Starter verkündet bekommt, kann sich auf das gleiche Golferlebnis freuen wie es die Generation seines Vaters, Großvaters, ja sogar die seines Ur-Ur-Großvaters hatte.
Es ist diese Tatsache, die den Old Course für jeden echten Golfer zu einer der wenigen Muss-Destinationen machen – und nicht etwa der Umstand, dass hier alle fünf Jahre die Open Championship ausgetragen wird. Und dennoch wird für knapp 160 Profis, die alle 260 Wochen hier einmal aufteen, diese Historie jetzt mit Füßen getreten. Wie die R&A am vergangenen Freitag in einer Pressemitteilung verkündete, werden insgesamt neun Löcher verändert. Auf den Löchern 3 und 9 werden neuen Bunker angelegt, der Road Hole Bunker an der 17 wird erweitert, auf Loch 2 und Loch 4 werden zwei Bunker näher ans Grün verlegt und das Grün von Loch 11 wird abgeflacht um eine neue Fahnenposition zu schaffen. Hinzu kommen noch zahlreiche Veränderungen an den überwiegend von Mutter Natur geschaffenen Konturen. Es ist irgendwie passend, dass man sich als ausführenden Architekten Martin Hawtree ausgesucht hat. Schließlich war sich dieser nicht zu schade, für ein paar von Donald Trumps Millionen jahrhundertealte schottischen Dünen zu schänden. Nun darf er sich an einer weiteren jahrhundertealten Attraktion des Landes vergehen.
Der Erste, der sich offensiv gegen die Pläne äußerte, war der bekannte Golfplatz-Architekt Tom Doak, der sich in der Tradition der klassischen Architekten sieht und aktuell laut Golf Magazine für vier der 100 besten Plätze der Welt verantwortlich ist. Doak hat eine prägende Zeit seiner Ausbildung als Caddy in St. Andrews verbracht und den Old Course kennen und lieben gelernt. In einem Brief an die Präsidenten der verschiedenen Golfarchitektur-Organisationen (den er auf http://www.golfclubatlas.com veröffentlichte) forderte er ein konzertiertes Vorgehen gegen die Pläne.
Ich dachte seit vielen Jahren, dass der Old Course geheiligter Boden für Golfarchitekten wäre, so wie er es für Old Tom Morris, C. B. Macdonald, Harry Colt und Alister MacKenzie vor uns war. Er ist seit 1920 architektonisch unberührt und ich glaube, dass dies auch so bleiben sollte. (…) Es sollte nicht UNMÖGLICH sein, den Old Course oder irgendeinen anderen historischen Kurs zu verändern. Aber ich finde, es sollte wesentlich schwerer sein als bisher, wo nur das Management des Clubs und der Architekt ihrer Wahl übereinkommen müssen. Die Ausgangsposition sollte sein, dass ein solcher internationaler Schatz bewahrt werden muss, und dass es eine hohe Beweispflicht gibt, bevor Änderungen gemacht werden.
Nun muss man wissen, dass die Beziehung zwischen Tom Doak und Martin Hawtree eine Spezielle ist. Vor einigen Jahren war Hawtree Berater des Royal Melbourne Golf Clubs und “restaurierte” den berühmtesten Golfclub Australiens so, dass es zu einem entsetzten Aufschrei führte. Doak wurde sein Nachfolger und wetzte die Scharten wieder aus. Man könnte seine Kritik also als Nachtreten verstehen – man könnte aber auch sagen, dadurch dass er gesehen hat, wie man einen solchen Klassiker zerstören kann, hat Doaks Wort spezielles Gewicht. Zudem war er längst nicht allein mit seiner Kritik, unter anderem äußerten sich auch drei Männer via Twitter.
Not sure I'm in favour of the proposed changes to the Old Course however – I guess 1 out of 2 isn't bad for the R&A!!
— Luke Donald (@LukeDonald) November 28, 2012
i know lets draw a Moustache on the Mona Lisa i'm sure everyone would like that. Same as messing with a great course. St Andrews
— Ian Poulter (@IanJamesPoulter) November 27, 2012
if they make changes to the Old Course St Andrews they are insane. The course is great just leave the winning score up to mother nature
— Ian Poulter (@IanJamesPoulter) November 27, 2012
Lets put a bridge and a windmill over the Valley of sin as well just as another option when playing the last hole.
— Ian Poulter (@IanJamesPoulter) November 27, 2012
Don't touch sacred ground, so many other old classic courses has already been ruined! Not this one too!!!!!
— Robert Karlsson (@robertkarlsson) November 28, 2012
Dass ausgerechnet auch Golfprofis die Änderungen kritisieren, muss für R&A-Chef Peter Dawson wie ein Schlag ins Gesicht sein. Denn in der Begründung für die angebliche Notwendigkeit sprach er explizit die Bedürfnisse der Profigolfer an. “Das Championship Committee hatte das Gefühl, dass es eine Möglichkeit gibt, die Verteidigung des Platzes an einigen Stellen zu stärken, damit er für die Profis so herausfordernd wie eh und je bleibt.” Mit anderen Worten: Weil die R&A und ihr US-Gegenstück USGA jahrzehntelang vor der Golf-Industrie kuschten und mit offenen Augen zugesehen haben, wie der immer weiter fliegende Golfball einen großartigen Platz nach dem anderen obsolet macht, soll jetzt der Old Course die Zeche zahlen.
Anstoß des Ganzen war vermutlich Rory McIlroy, der bei der Open 2010 in der ersten Runde eine 63 schoss und bei Dawson & Co. die Sorge erweckte, dass ausgerechnet in St. Andrews die erste Major-Runde mit weniger als 63 Schlägen passieren könnte. Dass 20 Jahre zuvor Paul Broadhurst auch eine 63 erzielte und der Old Course weitere 20 Jahre den Profis stand hielt, oder dass sich der Old Course gleich am nächsten Tag an McIlroy rächte indem er ihm eine 80 abverlangte, war dabei offensichtlich Nebensache.
Tatsächlich gehören die Siegerscores von vier der letzten fünf Old-Course-Champions zu den fünf niedrigsten Gesamtergebnissen der gesamten Open-Geschichte. Doch das liegt zu einem großen Teil auch daran, dass St. Andrews weiter als Par 72 gespielt wird, während andere Plätze der Open-Rotation zu einem Par 70 erschwert wurden. Nimmt man die Gesamtschlagzahl, waren die leichtesten Open-Austragungen Royal St. George’s 1993 und Turnberry 1994 und 1977 (!), während Louis Oosthuizens Siegerscore aus 2010 gerade mal einen geteilten achten Platz belegt – obwohl er mit sieben Schlägen Vorsprung gewann.
Hinzu kommt, dass die beste Verteidigung des Old Courses seit jeher nicht irgendwelche Bunker waren, sondern einzig und allein die Wetterverhältnisse. Um dies zu verstehen, muss man einfach einen Blick auf die letzte Open in St. Andrews werfen. In der ersten Runde, in der McIlroys außergewöhnliche Runde passierte, lag der Schlagdurchschnitt für das 159 Mann starke Feld bei 71,74. Einen Tag danach brauchten die selben 159 Golfer für den Platz im Schnitt knapp drei Schläge mehr, und die beste Runde lag bei 67 statt 63. Ist es also wirklich so schlimm wenn die besten Golfer des gesamten Planeten bei idealen Wetterbedingungen vielleicht mal eine 60 schießen? Und rechtfertigt dies, dass ein für normalsterbliche Golfer durchaus anspruchsvoller Platz noch schwieriger wird? Es ist eine Sache, so etwas im Augusta National zu tun, wo etwa 200 Mitglieder von den Maßnahmen betroffen sind. Aber wir reden hier von einem Platz, auf dem jedes Jahr 54.000 Runden gedreht werden. Um dies einmal in krassen Zahlen auszudrücken: Der Old Course wird verändert für 0,22% aller gespielter Runden. Doch die größten Konsequenzen hat es für die anderen 99,78%.
Nehmen wir als Beispiel einmal Loch 17. Nachdem man für die Open 2010 vergeblich die Spielbahn erschweren wollte, indem man das Fairway auf Zahnstocherbreite reduzierte, soll jetzt der Road Hole Bunker die Lösung bringen. Die Pläne sehen vor, dass der Bunker auf der rechten Seite erweitert wird und die Konturen um ihn herum so manipuliert werden, dass er mehr Bälle fängt. Eine besondere Schwierigkeit des Bunkers sind aber gerade seine geringen Dimensionen, die den Profis oftmals Probleme bescheren, einen normalen Stand einzunehmen. Wird der Bunker größer, haben sie auch seltener Schwierigkeiten damit und können einen Standard-Bunkerschlag ausführen, den sie aus dem Effeff beherrschen. Der Freizeitgolfer hingegen hat mit einem Bunkerschlag über eine 1,50 Meter hohe Wand riesige Probleme. Er ist also ebenso der Hauptbetroffene wie an Loch zwei, wo die verlegten Bunker die Profis vor wenige Probleme stellen, während sie dem Amateur die Option der flachen Annäherung nehmen, die ja nun mal eine der Kern-Kompetenzen des Old Course ist.
Die kontroverseste Änderung betrifft allerdings das 11.Grün. Das Eden-Loch gilt als eines der besten Par 3s der Welt, wurde so oft kopiert wie kaum ein anderes und bildet zusammen mit dem Redan, dem Biarritz und dem Alps eine der wichtigsten Grünkomplex-Vorlagen für Golfarchitekten. Hier Hand an zu legen ist, als würde man dem Kölner Dom eine Narrenkappe aufsetzen oder der Pyramide von Gizeh ein Flachdach verpassen. Doch genau das geschieht jetzt gerade, weil während der Open die hohen Grüngeschwindigkeiten eine Fahnenposition nicht mehr erlauben, die im normalen Spielbetrieb immer noch perfekt anspielbar ist. Das Signal, das die R&A, der St. Andrews Links Trust und das Links Management Comittee (die die Verantwortung für die Veränderungen tragen) damit in die Welt senden, ist, dass es nichts Heiliges mehr auf Golfplätzen gibt. Wenn schon auf dem Old Course in St. Andrews alles neu gemacht wird, was bleibt da noch an Argumentationen gegen Veränderungen auf normalen Plätzen?
Das Schlimme ist, dass es nicht einmal besonderer Fähigkeiten bedarf einen Golfplatz schwieriger zu machen: jeder Idiot ist dazu in der Lage. Als ich Anfang der 90er das erste Mal einem Golf-Computerspiel mit Platzdesigner begegnete, war meine erste Amtshandlung Dinosaurier (!) in einer Diagonale quer über die Bahn zu verteilen. Eine Maßnahme, die selbst Rory McIlroy vor eine unlösbare Aufgabe gestellt hätte. Die Kunst eines guten Architekten ist es, einen Platz für alle Spielklassen herausfordernd zu machen. Und das ist der Old Course in seiner alten Form. Woher ich als Old-Course-Jungfrau das weiß? Peter Thomson hat dies gesagt – und der hat die Open Championship auf vier verschiedenen Plätzen gewonnen:
Der Old Course ist ein Golfschatz, der sich als ultimativer Meisterschaftsplatz bewährt hat. Es befriedigt in jeder Hinsicht die Ansprüche von meisterhaften Spielern und hohen Handicappern. Es ist unglaublich, dass die Verantwortlichen so etwas zerstören wollen. Ich hoffe es ist nur ein schlechter Traum, der wieder geht – so wie diejenigen, die selbst die kleinsten Veränderungen vorschlagen gehen sollten. Solch Arroganz verdient keine Unterstützung.
Doch all die Proteste kommen zu spät, denn die Bauarbeiten haben bereits begonnen. Seit dem 19. November sind die Maschinen im Einsatz – vier Tage bevor die offizielle Pressemitteilung herausgegeben wurde. Eine Maßnahme, die unterstreicht, dass sich alle Beteiligten der kontroversen Natur ihrer Entscheidung bewusst waren. Denn als Martin Hawtree vor drei Jahren Hand an den Jubilee Course von St. Andrews legen durfte, gab es vier öffentliche Diskussionstage über die Pläne. Dieses Mal war nur eine Handvoll Menschen eingeweiht und zufälligerweise veröffentlichte man die Pläne genau zu einem Zeitpunkt von dem man wusste, dass die öffentliche Diskussion durch das bevorstehende Verbot der Belly-Putter übertönt wird. Doch auch wenn die Pläne vermutlich nicht mehr revidiert werden können, sollte man sie nicht unkommentiert hinnehmen. Aus diesem Grund gibt es eine Petition gegen die Änderungen, die ich jedem nur ans Herz legen kann. Schließlich wollen wir doch alle in St. Andrews den Old Course von Old Tom Morris spielen – und nicht den Old Course von Martin Hawtree.