Sawgrass, das TPC-Netzwerk und die Entstehung des Stadiongolfs

Am 18.März 1982 erlebte die PGA Tour einen Meilenstein ihrer Geschichte. Mit der Tournament Players Championship wurde erstmals ein Turnier auf einem Golfplatz abgehalten, der der PGA Tour, und damit den Spielern, gehörte. Wo man sich auch umhörte gab es nur eine Meinung: Was für eine Fehlkonstruktion. „Das wird ein feiner Kurs, wenn sie erst einmal die Grüns gebaut haben“, frotzelte Miller Barber über die kleinen, welligen Oberflächen, die selbst mehrfache Major-Sieger frustrierten. „Ich war noch nie gut darin, ein Eisen 5 auf der Motorhaube eines VWs zum Halten zu bringen“, konstatierte ein ratloser Jack Nicklaus während der spätere Masters-Sieger Ben Crenshaw es „Star Wars“-Golf nannte – „designt von Darth Vader“. Aber am besten fasste die herrschende Meinung der Spieler wohl J.C. Snead zusammen: „Der Platz ist zu 90 Prozent Pferdemist und zu 10 Prozent Glück“.

Dass am Ende des Turniers dennoch positive Schlagzeilen dominierten, lag an Jerry Pate, der sich, mit einem orangen Ball spielend, als erster in die Siegerliste des TPC Sawgrass eintrug. Nach seinem siegreichen Putt führte er erst PGA-Tour-Chef Deane Beman an den Teichrand der 18 und warf ihn rein. Dann war der vielgescholtene Platzarchitekt Pete Dye dran. Und schließlich flog Pate selber wie ein Klippenspringer die zwei Meter hohen Holzplanken bis zur Wasseroberfläche herunter. Der Tournament Players Club von Sawgrass war offiziell getauft und mit ihm begann eine neue Ära.

Denn was damals noch ein Unikat war, hat sich mittlerweile zu einer Art Golfplatz-McDonald’s entwickelt. 32 amerikanische Standorte dürfen sich derzeit mit dem TPC-Logo schmücken, und mit dem TPC Cancun will die PGA Tour demnächst in Mexiko einen ersten Platz eröffnen. Ein profitables Geschäft. Jedes Jahr macht die PGA Tour über ihr Netzwerk der Tournament Players Club bis zu 100 Millionen Dollar Profit. Keine schlechte Bilanz für etwas, das 1979 mit dem Einsatz von 1 Dollar begann.

Für diesen Betrag kaufte Deane Beman dem mit Kreditzahlungen in Verzug geratenen Grundstücksspekulanten Paul Fletcher ein 170 Hektar großes Gelände südöstlich von Jacksonville ab. Was heute wie das Schnäppchen des Jahrhunderts klingt, war damals nicht unumstritten: Als Beman seinen Plan dem Aufsichtrat der PGA Tour vorstellte, wurde ein Brief der Spieler vorgelesen, in dem man ihm allen Ernstes vorwarf, die Kosten von einem Dollar könne man als überzogen bezeichnen.

Das Ding aus dem Sumpf

Tatsächlich war das Gelände auf den ersten Blick nicht besonders vielversprechend: überflutet mit Wasser, überwuchert mit Pflanzen und bevölkert von gefährlichen Tieren. „Man betrat es auf eigene Gefahr“, erinnerte sich Beman in „Sports Illustrated“ an die erste Ortsbegehung mit Pete Dye, die zu einer Szene aus den Indiana-Jones-Filmen wurde. Ausstaffiert mit Macheten und Spezialstiefeln gegen Schlangenbissen versuchten sie den Untergrund zu testen. Das erste Loch war kaum gebuddelt ,als ihnen eine giftige Wassermokassin-Otter entgegen sprang: 1,50 Meter lang und dick wie ein Arm. Vermutlich wären sie weggelaufen – wenn es denn irgendwo befestigte Wege gegeben hätte.

Warum also wollte Deane Beman unbedingt in einem Sumpf einen Golfplatz bauen? Weil es rein geologisch gesehen gar kein Sumpf war. Das Land lag einen halben Meter über Normal Null und hätte rein theoretisch austrocknen können, wenn man ihm im Osten mit einem Highway nicht die natürliche Entwässerung abgeschnitten hätte. Die oberste Aufgabe für Pete Dye war es also, eine alternative Drainage zu entwickeln – etwas, was aufgrund von härteren Naturschutzbestimmungen heutzutage illegal wäre. Dye ließ um das gesamte Gelände einen breiten Graben ziehen, und an den Stellen mit dem besten Bausand entstanden automatisch große Teiche. So wie am legendären Signature Hole des Platzes, der 17.

Konzipiert als ein mittellanges Par 3 dessen Grün an nur einer Seite an einen kleinen Teich grenzt, machten die geographischen Bedingungen diese Pläne zunichte. Genau hier fand sich der ideale Bausand im Untergrund. Als schließlich der Bau der 17 anstand, fand sich dort nur noch ein gigantisches Loch. Pete Dye geriet in Panik, weil ihm plötzlich eine Bahn fehlte, doch dann hatte seine Ehefrau Alice den rettenden Einfall: „Warum errichtest Du nicht einfach in der Mitte eine Spundwand und wirfst etwas Sand und Rasen darauf?“, fragte sie und wurde damit selber zum Teil der Legende von TPC Sawgrass.

Doch obwohl das Inselgrün der 17 – das eigentlich gar kein Inselgrün ist – die Grundlage für die Golfballtaucherindustrie gelegt hat (jährlich werden 120.000 Bälle alleine aus diesem Teich gefischt) und hunderte Inselgrüns auf der ganzen Welt inspirierte: die revolutionärste Neuerung des TPC Sawgrass war das, was Pete Dye mit dem abgestorbenen organischen Material machte. Insgesamt 115.000 Kubikmeter Pflanzen trug er von dem Platz ab und häufte sie auf bis zu 15 Meter hohe Hügel um die Grüns und Fairways, damit die Zuschauer wie in einem Amphitheater ideale Sicht auf das Geschehen hatte. Es war die Geburtsstunde des Stadion Golfs, von dem Deane Beman schon seit den 60er Jahren geträumt hatte.

Damals trat er an Joseph Dey, den Chef des amerikanischen Golfverbandes, heran und schlug ihm vor, eine Handvoll zuschauerfreundliche Plätze zu bauen auf denen die U.S. Open im Wechsel ausgetragen werden sollte. Zu frustrierend empfand er es, einem Golfturnier als Zuschauer beizuwohnen: „Man kann nichts sehen, man weiß nicht wie es steht – es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand kommt.“ Die Zuschauer behalfen sich mit einem Klassiker aus dem Yps-Heft: ein Papier-Periskop mit dem man über die Köpfe der vorderen Reihen blicken konnte. Wer nachempfinden möchte, wie sexy diese Methode war, muss sich einfach nur eine Papiertüte über den Kopf stülpen während er durch ein umgedrehtes Fernglas einen Golf-Stream auf dem iPhone schaut.

Wenn der Berg nicht zum Prophet kommt…

Als Deane Beman 1974 das Amt des PGA-Tour-Commissioners übernahm – ironischerweise von eben dem Joseph Dey, der seine Ideen zehn Jahre zuvor abgelehnt hatte – setzte er die Einführung des Stadion Golfs ganz oben auf seine Agenda. Nicht etwa, um sein Ego zu befriedigen, sondern weil er knallharte finanzielle Gründe dafür hatte. Ein typischer Golfplatz auf der PGA Tour konnte Mitte der 70er Jahre maximal 10.000 Zuschauer gleichzeitig bewältigen, die orientierungslos über den Platz liefen. Beman hingegen träumte davon, auf seinen Stadium Courses Platz für zahlreiche Anzeigetafeln zu schaffen und die fünffache Menge an Zuschauern zu beherbergen – und damit auch die fünffache Menge an Eintrittsgeldern einzunehmen.

Vor allem aber wollte Beman den Country Clubs eins auswischen, die der PGA Tour für die einwöchige Nutzung ihres Platzes eine horrende Gebühr in Rechnung stellten. Um die 150.000 Dollar war die übliche Miete, teilweise wurde sogar das Doppelte vom Turniersponsor verlangt. Und das, obwohl die Austragung eines PGA-Tour-Events nicht nur eine Belastung, sondern auch eine kostenlose Werbung für den Platz und vor allen Dingen, die daran angrenzenden Baugebiete ist. „Wir haben all diesen Landentwicklern geholfen, ihre Grundstücke zu verkaufen und wenn sie alles losgeworden sind, werfen sie uns wieder von ihrem Platz“, klagte Beman bevor er mit dem Bau von TPC Sawgrass begann. „Nur einmal sollten wir auch profitieren.“ Und wie: Nach Bemans eigenen Berechnung haben die Einnahmen aus den TPC-Plätzen, die zusätzlichen Eintrittskarten und die gesparten Platzmieten (die direkt an lokale Hilfsorganisationen flossen) der PGA Tour über eine Milliarde Dollar in den ersten 20 Jahren eingebracht. Und dennoch führte es fast zu einer Revolte unter den Spielern.

Rebels without a Cause

Angeführt von den Lichtgestalten Jack Nicklaus und Arnold Palmer versuchten die Spieler der PGA Tour den Bau von TPC Sawgrass zu unterbinden. Deane Beman habe mit dem geplanten Bau von Plätzen seine Kompetenzen überschritten hieß es in einem offenen Brief, den fast alle Tour-Größen namentlich unterzeichnet hatten und der indirekt den Kopf von Beman forderte. Was die Spieler nicht wussten: Beman hatte sehr wohl die Kompetenzen. Als sich die PGA Tour 1968 von der PGA of America abspaltete, wurden dem Commissioner in einem Vertrag explizit solche Vollmachten ausgestellt. Als Nicklaus dieses Dokument vorgelegt wurde, war er entsetzt. „Wer hat ihm diese Privilegien ausgestellt“, stammelte er. Jim Colbert, den Deane Beman als Vermittler eingestellt hatte, blätterte zu den Namen der Spielervertretern, die den Vertrag abgesegnet hatten, kreiste den Namen Nicklaus ein und antwortete trocken: „Du warst das“.

Die Spielerrevolte war abgewendet, dennoch kam Beman den Aufsässigen entgegen. Denn Palmer und Co. protestierten nicht etwa aus altruistischen Gründen. Sie machten sich Sorgen um ihre profitablen Nebeneinkünfte. Wenn die PGA Tour selber Golfplätze baut, unterminiert sie damit automatisch die Design-Ambitionen der Spieler. „Die größte Konkurrenz, die ich beim Platzdesign habe ist die Tour. Ich muss mir mit einer Organisation einen Bieterwettstreit liefern, zu der ich selber gehöre“, lamentierte beispielsweise Jack Nicklaus 1986 gegenüber Golf Digest. Um dieser Diskussion die Schärfe zu nehmen, wird seither jedem Architekten eines TPC-Platzes ein bezahlter Spielerberater zur Seite gestellt. Und selbst die einstigen Revoluzzer haben sich mit dem Konzept längst angefreundet: Jack Nicklaus hat mittlerweile zwei TPC-Plätze designt, Arnold Palmer sogar drei.

Das Geheimnis seines Erfolges

Dass die TPCs sich mittlerweile so großer Beliebtheit erfreuen liegt allerdings nicht an ihrem großen Sex-Appeal. Zwei der offensten Kritiker waren die U.S. Open Champions Tom Kite und Hale Irwin. „Im Grunde genommen sehen sie alle gleich aus“, klagte Kite an, während Irwin seine Kritik noch unverblümter äußerte: „Offensichtlich werden sie nach Anweisung der PGA Tour gebaut. Das ist nicht in Ordnung. Der Commissioner sollte nicht diktieren wie man zu bauen hat.“ Das Erfolgsgeheimnis der TPC-Plätze liegt vielmehr in einem brillanten Geschäftsmodell.

Weil mit dem Bau des Platzes eine Garantie einhergeht, ein Turnier der PGA-, Nationwide oder Champions-Tour auszutragen, durch das viel Geld in die Region fließt, gibt es selten Einwände gegen das Bauvorhaben. Meist tritt die PGA Tour an Investoren heran, die ohnehin den Bau eines Platzes planen und macht ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können: „Es wird zwar etwas teurer, aber wenn ihr uns den Bau überlasst, sorgen wir mit unserem Turnier für kostenlose TV-Präsenz.“ Vor allem aber garantiert die PGA Tour, dass sie 80% der Einnahmen aus dem Platz an den Landentwickler abtritt bis die Investition (ohne Zinsen) abbezahlt ist. Auf diese Art und Weise wird die PGA Tour irgendwann Eigentümer des Platzes ohne auch nur einen Cent in das Land oder den Bau investiert zu haben. Insofern haben die Spieler mit ihrem damaligen Protest durchaus Recht gehabt: Der Kaufpreis von einem Dollar für TPC Sawgrass war wirklich überteuert.

Dieser Artikel erschien auch in der Zeitschrift GolfPunk, Ausgabe August 2011

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