Liebe Sportjournalisten…
…wenn Ihr in einigen Wochen Euren Stimmzettel für die Wahl zum Sportler des Jahres abgebt, sollte ganz oben der Name Martin Kaymer stehen – ansonsten habt Ihr Euer Berufsrecht verwirkt. Stellen wir uns einfach mal vor Martin Kaymer wäre ein Tennisspieler. Dann hätte er die Australian Open gewonnen, wäre die Nummer 1 im ATP-Race (und sogar der Weltrangliste weil diese nur die letzten 52 Wochen zählt), hätte auf Sand, Rasen und Hardcourt Turniere gewonnen und mit Deutschland den Davis Cup geholt. Kurz gesagt: es gäbe überhaupt keine Diskussion, dass er Deutschlands Sportler des Jahres ist. Es wäre schade, wenn die Vorurteile gegen den Golfsport (beispielsweise der Nachrichten-Boykott der Tagesschau) dazu führen, dass Martin Kaymer nicht die verdiente Ehre widerfährt. Ein Sportler des Jahres sollte ein perfekter Botschafter für Deutschland sein. Genau das ist der immer höfliche, skandalfreie und im Ausland hochgeschätzte Kaymer. Ein Sportler des Jahres sollte in seiner Sportart Leistungen vollbracht haben, die nicht alltäglich sind. Nun, ein genauerer Blick auf die über zwei Jahre berechnete Weltrangliste verrät, dass Kaymer in diesem Kalenderjahr mit Abstand der weltweit beste Golfer ist. Im Race to Dubai führt er das Ranking mit so großem Vorsprung an, dass er das finale, hochdotierte Turnier des Jahres obsolet machen könnte. Im Ryder Cup hatte er sicher nicht seine beste Form, holte dennoch mit die meisten Punkte für das siegreiche europäische Team. Seine drei Turniersiege in Folge wurden zuletzt 2006 von keinem Geringeren als Tiger Woods erreicht. Um den letzten Europäer zu finden muss man gar bis Nick Faldo im Jahr 1989 zurückgehen. Der letzte Deutsche, der eines der vier Major-Turniere gewann, war Bernhard Langer 1993. Drei Top-Ten-Platzierung bei Majors in einem Jahr konnte allerdings selbst Langer in seiner ganzen Karriere nicht verzeichnen. Und die Saison ist noch nicht vorbei. Wenn Ihr also am 19.Dezember 2010 in Baden-Baden nicht Martin Kaymer, sondern einen x-beliebigen Rodler oder Bobfahrer zum Sportler des Jahres wählt, der bei einem Rennen die Nase vorn hatte aber nicht mal den Gesamtweltcup holte, dann habt Ihr Eure Veranstaltung so ad absurdum geführt, wie es in dieser Woche die Veranstalter des Deutschen Fernsehpreises getan haben.
Der Engländer, der auf einen Hügel stieg…
Lee Westwood hat es geschafft. Er ist die neue Nummer 1 der Weltrangliste. Grund dafür ist seine verletzungsbedingte Absage des Portugal Masters. Wasser auf die Mühlen all derjenigen, die eine Novellierung der Weltrangliste verlangen. Da Tiger Woods mehr Durchschnittspunkte als Westwood pro Woche verliert, wird der Engländer am 31.10. automatisch vorbeiziehen. Erst einmal für sieben Tage. Denn bei der HSBC Champions treten Westwood, Woods, Mickelson und Kaymer an. Wer da das beste Ergebnis einfährt, wird auf die richtige Art und Weise an die Spitze ziehen. Auf jeden Fall sind für Martin Kaymer die Voraussetzungen gut. Denn das Saisonende und der Start der neuen Saison findet im Nahen Osten statt – und Kaymers traditionell gute Ergebnisse dort lassen auf eine baldige Übernahme des Zepters schließen.
Der Zigarrenmann ist gefunden
Als Tiger Woods beim Ryder Cup seinen Ball am 18. Loch aufs Grün chippen wollte, machte er den vielleicht schlechtesten Schlag seiner Karriere. Statt das Grün oder gar das Loch traf er Kameramann Mark Pain. Der drückte Millisekunden bevor der Ball in seiner Linse einschlug auf den Auslöser und machte so eines der besten Sportfotos aller Zeiten. Auch weil am rechten Bildrand ein Mann mit Perücke und Zigarre auftauchte, die Hände lässig in die Taschen gesteckt. Der “Cigar Guy” wurde zu einem Internetphänomen – und auf den Mann hinter der Kostümierung ein Kopfgeld ausgesetzt. Die Daily Mail hat ihn schließlich gefunden: Rupesh Shingadia, ein 30-jähriger Investment-Banker, dessen Outfit eine Hommage an Miguel Angel Jimenez war.
Cristie Kerr macht den Mickelson
Mit einem Sieg bei der Navistar Classic hätte Cristie Kerr die Spitze der Damen-Weltrangliste von Ai Miyazato zurückerobern können. Zwischenzeitig führte sie mit fünf Schlägen Vorsprung, doch die letzten 22 Loch spielte sie 3 über Par und fiel auf Platz 3 zurück. Dabei hätte auf dem einfachen Kurs Even Par schon gereicht. Ihr Mentaltrainer, der Zen-Golf-Guru Joe Parent, sollte sie vorerst von seiner Referenzen-Liste streichen.
3, 2, 1…meins
Am kommenden Wochenende wird sich Henrik Stenson bei der frys.com Open die Tourkarte für 2010 sichern. Eine optimistische Prognose angesichts der Tatsache, dass der Schwede bei den ersten beiden Events der Fall Series sang- und klanglos den Cut verpasste? Mitnichten. Denn dank einer bizarren Regelung hat Stenson die Karte für 2011 zwar sicher, muss aber 15 Starts vorweisen um die Formalitäten zu erfüllen. Das wird der von Verletzungen und Krankheiten geplagte Ex-Ryder Cupper am kommenden Wochenende schaffen – und dann kann er endlich wieder einen neuen Formaufbau starten.
frys.com Open – Ein Jahr später
Im vergangenen Jahr produzierte die frys.com Open eines der spannendsten Finals der letzten Zeit. Troy Matteson lief schlaggleich mit Rickie Fowler und Jamie Lovemark ein. Die beiden eng befreundeten College-Stars waren kurz zuvor Profis geworden und hatten die Chance auf ihre Tourkarte. Sie verloren im Playoff. Fowler schaffte es über die Q-School auf die PGA Tour, wird dieses Jahr wohl Rookie of the Year und schaffte es bis zum Ryder Cup. Lovemark musste den Umweg auf die Nationwide Tour gehen. Dort führt er drei Turniere vor Schluss das Ranking an. Die Tourkarte für 2011 und die Wiedervereinigung mit seinem Kumpel Rickie sind ihm schon jetzt nicht mehr zu nehmen. Wenn er den Spitzenplatz hält, kommt er sogar automatisch in jedes reguläre Turnier – inklusive der Players Championship. Schon jetzt ein heißer Tipp für den Rookie of the Year 2011.
Tourkartenproblemkind Nr. 2
Mike Weir steht in der Geldrangliste auf Platz 142 und damit 17 Plätze hinter dem Platz, der eine Tourkarte für 2011 garantiert. Was ist passiert, dass der Masters-Sieger von 2003 so weit abgestürzt ist? Sein Ellenbogen hat den Kanadier runtergezogen. Die ganze Saison plagte er sich mit Schmerzen, bis er sich Ende August zu einer Operation entschloss und sein Jahr vorzeitig beendete. Da seine Exemptions abgelaufen sind, bleiben ihm nur zwei Chancen. Das eine ist eine sogenannte medical exemption. Wenn diese ihm gewährt sind, hat er 2011 fünf Events um die Gelddifferenz zu Platz 125 wett zu machen (etwa 150.000 Dollar). Ansonsten kann er immer noch eine einjährige Ausnahmegenehmigung als einer der Top-50 Bestverdiener aller Zeiten ziehen. Diesen Weg ging auch schon mal David Duval, der sich übrigens in diesem Jahr seine Tourkarte zurückerkämpfte.