Nachdem ich vor einigen Tagen Gregor Biernath für eine Aussage in einem Video-Podcast kritisiert habe, möchte ich ihm und seinen Kommentatoren-Kollegen von Sky Deutschland ausnahmsweise einmal zur Seite springen. Anlass ist ein offener Brief eines unbekannten Pay-TV-Kunden, den der Kollege Golfnerd letzte Woche auf seiner Facebook-Seite weiterverbreitet hat. Darin schreibt der/die Gute an den Golf-Monopolisten:
ich bin entsetzt und enttäuscht darüber, wie Sie durch Ihre Reporterbesetzung das einzigartige und wunderbare Golf-Masters in Augusta “in den Sand setzen” und die Zuschauer frustrieren.
Der Frust richtet sich dabei vor allen Dingen gegen einen Mann: Carlo Knauss. Nun ist es allgemein bekannt, dass auch ich nicht gerade ein großer Fan von Herrn Knauss bin und gerne nach der Taste für die Original-Tonspur suche, wenn er im Einsatz ist. Dennoch finde ich diese Reaktion etwas extrem:
Ich spiele selber Golf (hcp -6) und das – wie alle Golfer – mit Hingabe, Begeisterung und Leidenschaft. Umso größer die Verzweiflung über Carlo Knauss, diesen – entschuldigen Sie bitte – penetranten Zwerg Allwissend. Er spricht – nein, er schwadroniert – über alles rund um um das Golfspiel, nur nicht über das, was gerade live auf dem Monitor zu sehen ist.
Zuerst einmal ist es sehr amüsant, dass Golfer dazu neigen, die Qualität ihrer Aussagen anhand ihres Handicaps zu untermauern. So gibt es eine bekannte deutsche Golfzeitschrift, die im Impressum die Handicaps ihrer Mitarbeiter angibt um Golfkompetenz zu unterstreichen – und die Angestellten auch noch als Single-Handicapper führt, wenn sie sich hochspielen. Absurd, denn letztlich ist es für die Kompetenz einer Aussage relativ egal, ob man +6 oder -54 auf dem DGV-Ausweis stehen hat (oder ob man überhaupt aktiv Golf spielt).
Das eigentlich Bizarre an der Kritik und der daraufhin vorgenommenen Kündigung ist allerdings der Zeitpunkt. Denn zum Masters-Turnier hat Sky zum zweiten Mal eine Doppel-Moderation versucht und Gregor Biernath an die Seite von Carlo Knauss gesetzt, die sich während der gesamten Übertragung sehr lebhaft und abwechslungsreich die Bälle zugespielt haben. Man muss die beiden Männer am Mikrofon nicht einmal mögen, um diese Maßnahme zu unterstützen. Zeigt sie doch zumindest eines: Obwohl die Einschaltquoten beim Golf fast nicht messbar sind, ist Sky der Sport dennoch wichtig genug, um etwas am gruseligen Status Quo zu ändern und mit Alternativen zu experimentieren. Und das Ergebnis konnte sich durchaus hören lassen. Denn wo sonst gähnende Leere während der Übertragungen herrscht oder die Eigenheiten der Einzelkommentatoren aufgrund des Dauerbeschusses nervten, wirkte die Doppelmoderation wesentlich entspannter und unterhaltsamer.
War das Ganze perfekt? Beileibe nicht. Die Telefonschalte zu Maximilian Kieffer beispielsweise war ein Griff ins Klo. Denn Kieffer hat nun mal selber keine eigene Erfahrung mit Augusta National einzubringen und während des Telefonats ging komplett der Fokus auf das Turnier verloren. Das kann man vielleicht bei einem Allerweltsturnier machen, aber doch bitte nicht bei einem Major. Aber auch eine solche Erfahrungen muss man in Unterföhring vielleicht erst einmal machen.
Problematisch sind aber vor allen Dingen sachliche Klopfer, die sich die Kommentatoren erlauben. Seien es falsche Zahlen, falsche Annahmen (Jimenez gehört in den USA sehr wohl zu den bekanntesten europäischen Spielern, schließlich hat er dort aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einer Werbefigur den Spitznamen “The Most interesting man in the world” bekommen), oder Momente in denen man sich mehr Hintergrundinformationen wünscht (statt immer zu betonen, wie verrückt Bubbas aggressives Spiel ist, hätte man erwähnen können, dass er wohl unter ADHS leidet und für ihn mental fordernde Schläge oft einfacher sind als Routine-Schläge). Aber obwohl dies alles Dinge sind, die aus dem Mund der Kommentatoren kommen, sollte man man sie nicht zwangsläufig dafür verantwortlich machen. Denn dieses Problem ist vor allem dem aktuellen System der Golfübertragungen geschuldet.
Wenn Marcel Reif oder Tom Bartels ein Fußballspiel kommentieren und mit Zahlen und Fakten um sich werfen, liegt das natürlich nicht (nur) daran, dass sie wandelnde Fußball-Lexika sind. Sie haben Hilfe. Im Hintergrund werkeln Menschen wie Gerrit Meinke oder Christoph Biermann. Carlo Knauss, Gregor Biernath und Co. haben diesen Luxus, wie ihn auch ihre US-Kollegen genießen, nicht. Wenn sie einen solchen Zusatzwert bringen wollen, müssen sie während des Kommentars kurzerhand selber recherchieren. Ein schwieriges Multitasking, zumal sie aus Kostengründen nicht vor Ort sitzen dürfen, sondern abgeschnitten von offiziellen Leaderboards oder Neuigkeiten aus einem Studio kommentieren müssen. Insofern ist der Doppelkommentar auch logistisch ein Fortschritt, denn während einer spricht, kann der andere die Internet-Recherche übernehmen. Die Zeiten, in denen ein um drei Löcher veralteter Score von Martin Kaymer über den Äther geht, sollten mit diesem Modus der Vergangenheit angehören.
Nun unterscheiden sich gerade bei Sportkommentatoren die persönlichen Geschmäcker erheblich. Was dem einen ein penetranter Zwerg Allwissend ist, ist dem anderen ein fachlicher Riese. Solch polarisiende Meinungen lassen sich bei jedem Kommentator finden, sei es Johnny “Ich habe mal eine 63 in Oakmont gespielt” Miller oder unser aller Liebling David Feherty, der mit seinem speziellen Humor sicher nicht die Sprache des deutschen Durchschnittsgolfer spricht. Und selbst wenn Kommentatoren einmal als Koryphäen ihres Fachs gelten, kann man sich nur einer Sache sicher sein: ein paar Jahre später wird sich dies wieder komplett wandeln.
Aus diesem Grund erscheint es besonders bizarr aufgrund persönlicher Geschmäcker zwischen den Zeilen eines offenes Briefes den Kopf eines Moderators zu fordern. Schließlich wird niemand gezwungen, sich die deutschen Kommentatoren anzuhören. Während es bei anderen polarisierenden Medienauftritten wie – sagen wir einem Golfblog nur eine Alternative gibt (ignorieren), hat der Fernseh-Gott gleich zwei zusätzliche Optionen erfunden: die Tonwahl-Taste und die Stummschaltung.
Statt von Sky zu fordern, einen Kommentator zu ersetzen (dessen Ersatz vermutlich drei Monate später wieder ähnliche Reaktionen provoziert), wäre es sinnvoller, die Rahmenbedingungen für die aktuellen Kommentatoren zu verbessern. Der Doppelkommentar war dafür bereits ein exzellenter Anfang und sollte auf möglichst viele Turniere erweitert werden. Zudem sollte Sky darüber nachdenken, zumindest für die Majors die Kommentatoren an den Ort des Geschehens zu bringen. Nicht nur, weil der Studioton den Übertragungen viel von ihrer Atmosphäre nimmt. Sondern auch, weil die Kommentatoren in der Zeit abseits des Mikrofons viele Eindrücke sammeln können, die am kommenden Tag die Übertragung sinnvoll ergänzen. Vor allen Dingen aber sollte man einen Experten (oder von mir aus auch 1-2 Praktikanten) dazu abstellen, ein paar Diamanten auszugraben damit die Zwerge von Sky sich nicht den lieben langen Tag rackern und plagen müssen sondern vergnügt und froh am Mikrofon sind…