Die Überschrift des golf.de-Interviews mit DGV-Präsident Hans Joachim Nothelfer macht eigentlich Hoffnung. „Golf sollte einfach normal sein“ steht dort. Der Artikel ist jedoch keineswegs eine kritische Analyse des Status Quo in Deutschland. Vielmehr ist es jede Menge unreflektierte Verbands-PR, die vor allem eines deutlich macht: Der Deutsche Golf Verband hat kein Interesse an Reformen und setzt auf das falsche Pferd.
Petra Himmel hat das Interview geführt. Natürlich in gewohnt weichgespülter Weise. Kein Wunder. Echter Journalismus ist in diesem Fall nicht zu erwarten, da golf.de mit dem DGV eine enge Koop hat und quasi ein Verbandsorgan ist. Golf.de gehört der Deutsche Golf Online und dort ist der DGV über seine Wirtschaftstochter Deutsche Golf Sport GmbH Gesellschafter. Man beißt halt nur ungern die Hand, die einen füttert. Der Leser wird allerdings über dieses Abhängigkeitsverhältnis im Unklaren gelassen.
Grund genug zum Nachfragen hätte Frau Himmel reichlich gehabt. Nothelfer redet sich um Kopf und Kragen. Zumindest wenn man ein wenig zwischen den Zeilen liest. Ein paar Beispiele gefällig?
Bereits die erste Frage, wofür ein Golf-Neueinsteiger eigentlich den DGV brauche, kann Nothelfer nicht schlüssig beantworten. Da erweckt er lieber den Eindruck, dass es ohne den Verband keine Golfplätze und Regeln in unserem Land geben würde. Was ja nun bekanntermaßen totaler Mumpitz ist.
Frau Himmel fragt daraufhin, ob sich die Funktion des DGV „seit der Öffnung des Golfsports“ deutlich geändert hat. Nein, sagt Nothelfer, es hat sich nichts Großartiges geändert – außer das der DGV sich beim Europäischen Golfverband für einen Vereinfachung des Handicap-Systems bemüht.
Als ich von der „Öffnung der Golfsports“ las, musste ich sofort an Ronald Reagan denken, der Gorbatschow einst aufforderte, die Berliner Mauer einzureißen. Himmel und Nothelfer stören sich an dieser Formulierung jedenfalls nicht, die noch einmal die guten Zeiten beschwört, als Golf ein Spiel der Eliten war. Viel schlimmer finde ich allerdings das Eingeständnis des Präsidenten, dass man auf den Wandel der Klientel überhaupt nicht reagiert hat.
Für Nothelfer ist klar, wer sich um neue Mitglieder kümmern muss: die Clubs. Der Dachverband habe dabei eher eine unterstützende Funktion. Der DGV-Präsident stiehlt sich damit vollkommen aus der Verantwortung. Auch hat Nothelfer bei der Mitgliederakquise eine recht merkwürdige Zielgruppe vor Augen. „Ich bin ganz klar der Meinung, dass die “Generation 55+” künftig die wirtschaftlich wichtigste ist“, sagt er im Interview.
Dabei ist diese Aussage der größte Unsinn überhaupt. Der deutsche Golfsport hat ein Nachwuchsproblem. Dieses kann man nicht mit Neugolfern der Kategorie „Best Ager“ beheben. Es braucht vielmehr mehr Familien, die den Sport für sich entdecken und ihren Nachwuchs in die Clubs bringen.
Clubs müssen Angebote schaffen, die es Mütter und Vätern ermöglichen, regelmäßig zu golfen und zeitgleich die Kinder an den Sport heranführen. Der DGV könnte zum Beispiel ein Kinderbetreuungskonzept für die Clubs entwickeln – und dieses auch fördern. Doch daran denkt Nothelfer nicht. Er möchte lieber die Themen Gesundheit, Bewegung, Natur und Sportlichkeit pushen.
Interessant in diesem Zusammenhang sind auch seinen Aussagen zur Vereinigung clubfreier Golfer und dem Projekt „Abschlag Schule“. „Abschlag Schule“ sei ja im Grunde kein Einstiegsprogram. Es ginge in erster Linie darum Golf als Schulsportart zu etablieren, sagt Nothelfer. Eine Imagekampagne. Die heutige Jugend ist für ihn eine verlorene Zielgruppe. „Der Kampf um die Kids ist …abenteuerlich geworden, wenn wir an die demographische Entwicklung, das Freizeitverhalten der Jugendlichen und die politische Entwicklung mit Ganztagesschulen und G8 denken“, lässt Nothelfer durchblicken. Schuld sind also die anderen. Also die Politik und die blöden Kinder.
Eine weitere „schöne“ Frage von Frau Himmel ist diese hier:
„Genauso häufig wird über das System der deutschen “Platzreife” diskutiert, das international nicht weit verbreitet ist. Eine überholte deutsche Eigenart?“
„Ich bin der Meinung, dass sie nicht grundsätzlich überholt ist, denn sonst würden die Clubs ja keinen Gebrauch davon machen“, antwortet Nothelfer darauf und führt dann noch aus, dass die Platzreife ja nur ein Angebot des DGV an die Clubs sei. „Ich selbst habe einfach Schwierigkeiten damit, mir vorzustellen, dass man jeden Neugolfer überall einfach so auf den Platz lässt.“
Aha. Funktioniert zwar in anderen Ländern (Schottland, USA etc.) auch ohne Platzreife, aber was soll’s…
Ich kann einfach nur jedem Golfer unter 55 Jahren empfehlen, sich das Interview von HJN genau durchzulesen. Es ist hanebüchen.
PS: Ein Fehler meinerseits… es gibt in Schweden eine Platzreife. Ich hatte in anderen Version des Textes das Gegenteil behauptet. Sorry dafür.