Es passiert nicht oft, dass ich einen Platz im Ausland im Rahmen eines Turnieres kennenlerne. Wenn es sich dabei dann auch noch um das Saisoneröffnungsturnier eines der exklusivsten Clubs Großbritanniens handelt, kann man es als einmaliges Erlebnis verbuchen. Der Renaissance Club ist ein Unikat. Denn die Insel ist für ihre Golf-Demokratie bekannt. Anders als in den USA halten sich Privatclubs, die kein Spiel von außen zulassen, in Grenzen. Selbst die Prestige-Bastion Muirfield gibt an ausgewählten Wochentagen öffentliche Teetimes heraus. Im direkt nebenan gelegenen Renaissance Club hingegen beißt man auf Granit, wenn nicht ein Mitglied ein gutes Wort einlegt.
Doch wo soll man die finden? Eine Möglichkeit wäre gewesen, bei der Porsche European Open Richie Ramsay zu fragen. Der in Edinburgh lebende Schotte ist Mitglied, was man auch daran sah, dass er während einer kurzen sponsorlosen Zeit mit Logomütze des Renaissance Club antrat. Vermutlich wäre Ramsay über diese Anfrage allerdings wenig erfreut gewesen. Gut, dass es noch eine andere Option gibt. Denn im kleinen Dörfchen Aberlady gibt es ein uriges Hotel namens Duck’s Inn. Und Inhaber Malcolm Duck, der früher ein In-Restaurant in Edinburgh betrieb, ist ebenfalls Mitglied im Renaissance Club. Wenn man bei ihm übernachtet, seine Golfbegeisterung teilt und freundlich fragt, welche Plätze in der Gegend man noch spielen sollte, stehen die Chancen gut, dass er einem eine Startzeit im Renaissance Club verschafft.
Ist diese Hürde erst einmal überwunden, geht es ganz locker zu. Denn der Club hat keineswegs eine spießige Atmosphäre – im Gegenteil. Wenn ein Mitglied gerade nicht vor Ort ist, wird sein Spind Gästen zur Verfügung gestellt, die sogar eigene Schilder bekommen. Und die anwesenden Mitglieder, die eine Aufnahmegebühr von 75.000 Pfund und eine Jahresgebühr von 5.000 Pfund zahlen, begegnen Gästen offen und freundlich. Doch warum zahlt man so viel Geld für eine Clubmitgliedschaft? Dafür gibt es neben der Exklusivität und dem Zustand des Platzes zwei Gründe. Zum einen ist es das erste europäische Design des renommierten Architekten Tom Doak. Zum anderen gehört der Platz Jerry Savardi, einem Mitglied von Augusta National. Und diese Verbindung bedeutet, dass Mitglieder ein Telefonanruf davon trennt, Augusta National zu spielen – oder jeden anderen Platz der Welt.
Aber auch der Platz, den sie tagtäglich spielen, kann sich sehen lassen. Das erste europäische Design von Tom Doak besitzt alle Qualitäten des Minimalisten. Wobei man vielleicht erklären muss, dass Minimalismus lediglich heißt, dass möglichst wenig Erde bewegt wird. Es bedeutet nicht, dass man nur ein wenig Gras aussät und fertig ist der Platz. Hier wurden zum Beispiel hektarweise Bäume gerodet, bevor der sandige, wellige Untergrund zu Tage kam, über den Doak und seine Assistenten einfach das Fairway legten. Seit 2014 ist der Platz im heutigen Zustand. Damals eröffneten drei neue Löcher direkt am Firth of Forth, die nach einem Landtausch mit der Honourable Company of Edinburgh Golfers möglich wurden. Von der 9 bis zur 11 ersetzen nun zwei Par 3s und ein Par 4 die ersten drei Löcher, machen den Platz seither zu einem Par 71 und erhöhen die Qualität noch einmal.
Der Auftakt ist auf den ersten Blick wenig spektakulär, führt er doch über den flachsten Teil des Geländes und nebeneinander entlang. Die Qualität findet sich in den Details. Ein einzelner Baum vor dem Grün der 1 macht es ratsam, das Loch von rechts anzuspielen, wo die Fairwaybunker sind. Und wie immer bei Doak sind die Grünkomplexe das Salz in der Suppe. Die – mit Ausnahme der 3 – stark ondulierten Grüns fordern viel Finesse um und auf den Grüns. Richtig los legt der Renaissance Club aber erst mit Loch 4. Das kurze Par 4 führt in einem Dogleg nach rechts auf ein erhöhtes Grün. Man muss nicht aggressiv driven, aber es zahlt sich aus, denn das Grün ist extrem schwer zu halten, wenn man es mit einem mittleren Eisen anspielen muss.
Eines der wildesten Grüns hat Tom Doak an der 5 angelegt – und damit ausgeglichen, dass das Par 4 selbst von den Backtees nur 306 Meter zählt. Nach einem coolen kurzen Par 3, dessen Schwierigkeit man erst erkennt, wenn der perfekt aussehende Teeshot unaufhaltsam rechts in den Bunker läuft, folgt ein erstklassiges, von Bäumen gesäumtes Par 5. Auch hier ist der Grünkomplex wieder ein Ort, an dem man 30 Minuten verharren möchte, um alles auszuprobieren. Ein cooles Element, das sich auf dem Platz immer wieder findet, sind alte, halbverfallene Steinmauern. Auf der bergauf führenden 8, einem Par 4, finden sie sich rechts und hinter dem Grün. Doak kämpfte dafür, dass sie in diesem Zustand bleiben und so sorgen sie für ein Grün, das lange in Erinnerung bleibt.
An diesem Teil kommen die drei neuen Löcher ins Spiel. Auch an der 9, einem langen Par 3, führt die alte Mauer entlang. Vor allem aber wirkt es vom Tee, als ob das Grün direkt in den Firth of Forth fallen würde. Eine raffinierte optische Täuschung, denn hinter dem Grün führt die 10 entlang. Das visuell spektakulärste Loch des Platzes hat den Firth of Forth an der linken Seite und einen coolen Teeshot. Über hohes Gras muss man auf ein schräg nach links weglaufendes Fairway spielen, bei dem man sich entscheiden muss, wie weit man abkürzen will. Hat man diesen Nervenkitzel überstanden, erwartet einen ein Meat Pie im Halfway-House. Frisch gestärkt folgt ein weiteres Par 3, das viele Mitglieder hassen, weil der Ball bei Wind kaum zu stoppen ist und eventuell an einem Baum oder der Mauer landet. Und trotzdem macht es irre Spaß.
Die zwei Par 3s, die noch folgen, sind allerdings noch besser. Die 15 ist eine Hommage an die klassischen schottischen Löcher mit einem von Topfbunkern umrundeten Grün und die 17 ist mein persönlicher Favorit von den One-Shottern im Renaissance Club. Insbesondere weil sie so ganz anders ist, wie das, was man sonst in Schottland findet. Das schmale, langgezoggene Grün des von den Backtees 186 Meter langen Lochs wird nur von einem zentralen Bunker verteidigt. Das Problem: wenn die Fahne links gesteckt ist, muss man ihn angreifen. Denn das Grün besitzt zwei extrem unterschiedliche Ebenen, die linke tief, die rechte höher. Und das Break beginnt genau am rechten Eck des Bunkers. Die ideale Taktik für eine links gesteckte Fahne ist also den Bunker zu überspielen und das Grün den Rest der Arbeit zu machen. Wenn man allerdings auf der falschen Ebende landet, ist alles unter einem Dreiputt ein Riesen-Erfolg.
Das vielleicht coolste – und zugleich härteste – Loch auf den Back 9 ist allerdings die 14. Das Par 4 ist nicht nur von den Backtees 410 Meter lang, es geht auch noch bergauf. So sehr, dass ich es trotz zweier guter Schläge nur bis 15 Meter vor das Grün geschafft habe. Und das hat es wirklich in sich. Es ist riesig, massiv onduliert und hat einige Killer-Topfbunker am Rand, die ganze Menschen verschlingen können. Selten in meinem golferischen Leben war ich auf ein Up and Down stolzer. Am Ende hatte ich zwar trotzdem nur um die 30 Punkte gespielt, aber wen stört das schon, wenn man einen perfekten Tag auf einem der exklusivsten Plätze Europas verbringen durfte.
Gespielt am: 29.4.2017
Disclaimer: Der Platz wurde im Rahmen einer Einladung gespielt.
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