Wer als Golffan seinen Lieblingssport im TV sehen möchte, ist derzeit komplett von Sky abhängig. Obwohl Martin Kaymer von einem Sieg zum nächsten eilt und mittlerweile zu den zehn besten Spielern seiner Sportart gehört, findet er im frei empfangbaren Fernsehen nicht statt. Was sind die Gründe dafür und was fehlt, damit Golf-Übertragungen für das Fernsehen interessanter werden oder zumindest die Ergebnisse in den Sport- und/oder Nachrichtensendungen von ARD und ZDF bekannt gegeben werden? Um dies herauszufinden, habe ich bei den Sportverantwortlichen der Sender um eine Stellungnahme gebeten. Für die ARD antwortete der neue Sportkoordinator Axel Balkausky, für das ZDF nahm sich Peter Leissl in Vertretung für den in den Olympia-Vorbereitungen steckenden ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz die Zeit.
Welche Voraussetzungen muss eine Sportart erfüllen, um für Ihre Sportsendungen interessant zu sein?
Peter Leissl (ZDF): Das ist nicht in der Art eines Katalogs aufgelistet. Auf jeden Fall sollte sie ein großes öffentliches Interesse wecken.
Axel Balkausky (ARD): Für die Fernsehtauglichkeit von Sportarten sind drei Kriterien ausschlaggebend: Die Regeln der Wettbewerbe müssen allgemein verständlich und bekannt sein, die Qualität der TV-Übertragung muss die Dramatik der Wettbewerbe transportieren und „nationale Helden“ müssen besonders die deutschen Fernsehzuschauer ansprechen. Damit sind Sportler gemeint, die international erfolgreich sind und die sympathisch und charismatisch ihre Sportart vertreten.
Laut den neuesten Mitgliederzahlen hat Golf mit knapp 600.000 Mitgliedern die Sportarten Handball, Schwimmen und Ski eingeholt. Warum sind diese drei Sportarten so viel präsenter in Ihrem Programm?
Axel Balkausky: Von der aktiven Mitgliederzahl, die eine Sportart betreiben, kann man nicht eins zu eins auf ihre Nutzung im Fernsehen schließen. Auch nach den neuesten Umfragen liegen in der Beliebtheit der Fernsehzuschauer Sportarten wie Handball, Leichtathletik, Biathlon, Skispringen, Tennis, Schwimmen oder Motorsport weit vor Golf.
Peter Leissl: Die Zahl der Verbandsmitglieder ist leider ebenso wenig ein verlässliches Kriterium wie die Zahl der aktiven Sportler. Sonst dürften wir Biathlon und Skispringen nicht übertragen (wenige Aktive), müssten aber stattdessen jeden größeren City-Marathon oder auch viele Radrennen übertragen (weil diese Sportarten eine enorme Breite in der Bevölkerung besitzen).
Den gemeinen Golf-Fan würde es schon freuen, wenn im Rahmen der Sportsendungen am Sonntag auch nur kurze Clips gezeigt würden, dennoch geschieht dies nur äußerst selten. Warum? Sind die Zweitverwertungsrechte zu teuer?
Axel Balkausky: Dies haben wir bereits hin und wieder gemacht, allerdings nur, wenn die Rechtelage es erlaubt hat.
Peter Leissl: Früher gab es in der Tat mehr Clips im Eurovisions-Austausch und Golf fand regelmäßig Platz in Sport aus aller Welt. Ich denke, das muss entweder an geringerem Angebot oder an höheren Preisen liegen.
Das ZDF hat 1975 die German Open live übertragen und lange Zeit mit Harry Valérien einen sehr profilierten Golf-Kommentator. Wieso war Golf in Zeiten vor einem Bernhard Langer oder Martin Kaymer, als es noch absoluter Nischensport war, interessanter für das deutsche Fernsehen als es heute ist?
Peter Leissl: Sicherlich lag es an günstigeren Rechtekosten, sicherlich auch an der Person Harry Valérien, die kraft ihrer Autorität viel für den Golfsport tat.
Martin Kaymer ist mittlerweile der sechstbeste Spieler der Welt, hat bereits einen kleinen Golf-Boom ausgelöst und besonders im Ausland für viel Aufsehen gesorgt. Die Parallelen mit Timo Boll sind dabei nicht zu übersehen, der auch im Ausland deutlich populärer ist. Boll war bereits diverse Male im Sportstudio, warum nicht auch ein Martin Kaymer? Der hätte im März übrigens eine kleine Lücke in seinem Terminkalender…
Peter Leissl: Wir beobachten Kaymers Aufstieg schon sehr genau. Im letzten Jahr sollte er schon mal ins Sportstudio geholt werden, aber das klappte damals nicht. Ich denke, er müsste bei einem der vier Majors mal ganz vorne (unter den besten Drei) landen und am Wochenende danach oder zumindest zeitnah auch verfügbar sein….
Wenn Deutschland den Zuschlag zum Ryder Cup 2018 bekommen würde, immerhin eines der größten Sportereignisse der Welt, würden Sie sich um die Live-Rechte bemühen?
Axel Balkausky: Eher nicht. Golfübertragungen erfordern sehr lange Sendestrecken, die Das Erste nicht ohne weiteres bieten kann, vor allem da sich das Zuschauerinteresse aller Voraussicht in Grenzen halten wird.
Peter Leissl: Ich denke, wir würden das versuchen, aber wahrscheinlich daran scheitern, dass wir zumindest im Hauptprogramm keine geeigneten langen Sendestrecken bekämen. Das ist auch eine Frage der Wettkampfzeiten und des Konkurrenzdrucks der Programme. Und der Zuschauererfolg ist zumindest fraglich: Mit dem weltweit ähnlich bedeutenden America´s Cup der Segler haben wir jedenfalls Schiffbruch erlitten. Diese beiden Ereignisse lassen sich von der angesprochenen Klientel schon gut miteinander vergleichen.
Golf ist in den Kreis der olympischen Sportarten aufgenommen worden. Macht dies aus Sicht des ZDF den Sport attraktiver für TV-Übertragungen, oder ist dies irrelevant?
Peter Leissl: Sicherlich ist dies ein wichtiges Kriterium, dem Golfsport mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Zumindest so lange das ZDF die Olympiarechte besitzt.
2016 ist noch einige Zeit hin, können sie dennoch bereits einschätzen in welchem Umfang Sie von den Golfwettbewerben berichten würde? Könnten Sie sich Komplettübertragungen in den digitalen Spartenkanälen vorstellen? Oder müsste man sich mit Zusammenfassungen begnügen?
Axel Balkausky: Das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch überhaupt nicht sagen.
Peter Leissl: Vorstellbar ist vieles, aber unser Digi-Kanal ist auch keine simple zweite Abspielfläche. Medienpolitische Fragen sind da zu berücksichtigen. Am ehesten denkbar ist die Kombination aus flächendeckender Berichterstattung auf Eurosport und Zusammenfassungen im ZDF.
Glauben Sie, dass Golf attraktiver für das Fernsehen werden könnte, wenn es öfter vom klassischen Zählspiel-Modus auf Matchplay (wie im Ryder Cup) wechseln würde und man sich auf das direkte Duell Mann gegen Mann fokussieren würde?
Axel Balkausky: Eventuell.
Peter Leissl: Wenn man will, dass sich die breite Masse dem Golfsport nähert und Fachausdrücke wie Birdie, Bogey, oder Eisen 4 den Zugang weniger verstellen, wäre es sicherlich kein Fehler, den Matchplay-Modus auszuweiten.
Können Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem Sie als Sportchef sagen würden: „Jetzt ist es Zeit, Golf ins Programm aufzunehmen?“ Beispielsweise ein Sieg von Martin Kaymer beim Masters oder wenn er Tiger Woods von der Spitze der Weltrangliste verdrängen würde?
Peter Leissl: Das ist gut vorstellbar. Wenn Golf erschwinglich bleibt, würden wir auf ein solches Szenario sicherlich zu reagieren versuchen.
Axel Balkausky: Im Moment nicht, aber man soll ja nie nie sagen.