Herzlichen Glückwunsch an Martin Kaymer zum ersten kontinentaleuropäischen Sieg bei einer US Open. Doch der wahre Sieger des vergangenen Wochenendes war der Golfsport an sich. Zugegeben, das Turnier sorgte – besonders bei den US-Zuschauern – aufgrund Kaymers brutaler Dominanz für gähnende Langeweile. Doch davon abgesehen war die US Open 2014 ein Triumph auf ganzer Linie und ein wichtiges Zeichen für die Zukunft. Woher ich das weiß? Donald Trump hat sie gehasst, und der Mann, der nahe Aberdeen tausende Arbeitsplätze versprach und sich dann verdünnisierete, hat schließlich noch nie die Wahrheit gesagt.
Auf Twitter ließ der Milliardär seinem Unmut über den neuen, alten Look von Pinehurst No. 2 freien Lauf und stellte nebenbei fest, dass seine eigenen Plätze Trump Castrop-Rauxel und Trump Podunk doch um Welten besser wären, als diese Beleidigung fürs Auge:
https://twitter.com/realDonaldTrump/status/478307098607247361
https://twitter.com/realDonaldTrump/status/478000954080768000
https://twitter.com/realDonaldTrump/status/477996265897463808
Stein des Anstoßes für Donald Trump waren die angebräunten Ecken des Fairways sowie die vielen Sandflächen mit ihren wild wachsenden Gräsern darin, die allerdings immer noch gepflegter aussehen als Trumps Haarteil. Denn leider leidet auch Donald Trump wie viele Freizeit-Golfer unter der Augustafizierung des Golfsports. So wie fast jeder Club heutzutage ein Inselgrün braucht, weil man das ja mal im Fernsehen bei der Players Championship gesehen hat (und dabei dann meist außer acht gelassen wird, dass dies ein kurzes Loch mit relativ großem Grün ist und das eigene Inselgrün für Ottonormalvergolfer unspielbar wird), unterläuft auch ein Großteil der Golfer dem Irrglauben ein Golfplatz müsse so aussehen, wie es das Masters jedes Jahr in die Welt strahlt. Pflegezustand des Platzes wird dabei mit der Intensivität des Grüns gleichgesetzt und sobald auch nur ein brauner Grashalm steht, gilt ein Platz als ungepflegt oder gerne auch mal als ungesund. Dabei könnte nichts ferner von der Realität sein.
Nur weil ein Gras braun wird, ist es nicht gleich krank. In den heißesten Monaten des Jahres tritt das Fairway lediglich in eine Art Ruhezustand, das Wurzelwerk hingegen lebt weiter. Sobald es Wasser gibt, nimmt das Gras dann wieder seine grüne Farbe an und bildet neue Blätter. Das mag manchen Menschen ästhetisch vielleicht nicht passen, am Spielzustand eines Golfplatzes ändert sich dabei jedoch nichts. Wer einmal im Sommer auf der Insel gespielt hat, wo viele Plätze keine Beregnung haben, wird dies überall finden. Und gerade auf sandbasierten Plätzen ist dies ein gewollter Vorgang, damit sich die Plätze “firm und fast” spielen wie der Engländer sagt.
Auch Pinehurst liegt in einem Sandgürtel und war von Donald Ross mit den gleichen Design- und Spieleigenschaften wie die Links des Vereinigten Königreichs geplant. Doch dann kamen irgendwelche Experten auf die Idee, dass jeder Platz einen dicken, fetten Roughgürtel braucht – für den Fall einer großen Meisterschaft möglichst 10cm hoch oder mehr, weil die Profis ja ansonsten jeden Platz auseinander nehmen würden. Dieser Abscheulichkeit setzten Bill Coore und Ben Crenshaw 2010 ein Ende und versetzten den Platz wieder in seinen Urzustand zurück. So sehr, dass die US Open 2014 als erste US Open ohne Rough in die Geschichte einging.
Insofern war die Dominanz von Martin Kaymer leider keine gute Geschichte, denn weil der Spannungsfaktor fehlte, beginnen jetzt plötzlich sogar vermeintliche Qualitätsmedien wie die Washington Post die Ursache dafür in dem Platz zu suchen. Komisch, dass man Pebble Beach damals nicht gleich in die Luft gejagt hat, als Tiger Woods mit 15 Schlägen Vorsprung gewann.
Denn wenn man sich rein die Fakten ansieht, wird auch die diesjährige US Open als härtester Test des Jahres in die Geschichte eingehen. Gerade einmal drei Spieler blieben am Ende des Turniers unter Par – und das obwohl die USGA am Schlusstag mit einem verkürzten Par 5 und zwei drivebaren Par 4s alles getan hat, um niedrige Scores zu ermöglichen. Darüber hinaus ließ Turnierchef Mike Davis dieses Jahr ausnahmsweise mal nicht die Grüns an den Rand des Tods bringen, nur um das heilige Par zu beschützen. Nach einer normalen US Open ist der Platz für den normalen Spielbetrieb nämlich wochenlang nicht zu gebrauchen. Doch da am Donnerstag auch noch die Damen ihre US Open austragen, musste endlich einmal Nachhaltigkeit bei der Platzpflege gezeigt werden. Wirft man diese Faktoren ins Rennen, hat sich das neue Pinehurst No. 2 ganz ohne Rough sensationell gegen die Profis geschlagen und das geschafft, was jedes Major machen soll: In Martin Kaymer einen eindeutigen, überlegenen Champion herauskristallisiert.
Doch zu sehr haben sich die Sehgewohnheiten der Zuschauer mittlerweile an das typische US Open Bild gewöhnt, bei dem Spieler aus dem kniehohen Rough nur mit einem Wedge raushacken können. Dass diese Art des Spiels Longhitter außergewöhnlich bevorteilt, während Pinehurst No. 2 einem ganzen Spektrum an Spielern (von Bombern wie Dustin Johnson bis zu Puttergöttern wie Brandt Snedeker) eine Siegchance gab, scheint niemand bemerkt zu haben. Stattdessen wird darüber lamentiert, dass zuviel Glück im Spiel sei, ob ein Ball in der native Area nun frei oder an einem Büschel Wire Grass zum Liegen kommt. Die gleichen Zuschauer müssen in den letzten Jahren wohl ihre Augen geschlossen haben, wenn Phil Mickelson und Tiger Woods ihre Abschläge soweit verzogen, dass sie perfekt auf dem von Zuschauern niedergetrampelten Rough lagen, während Mitspieler, die das Fairway nur um wenige Zentimeter verfehlten, ihre Bälle mit einer Sense suchen mussten.
Die Faszination der US Open 2014 war dagegen eher zerebraler Natur. Es war einfach erfrischend zu sehen, wie ratlos die Profis sind, wenn ihnen Optionen gegeben werden. Für gewöhnlich gibt der Roughkorridor den Spielern vor, wie sie zu spielen haben: Jeder steht am Tee oder ums Grün und alle machen das Gleiche. Dieses Jahr jedoch hieß es nachzudenken, welchen Schläger man vom Tee nimmt. Die richtige Seite der Spielbahn war oft wichtiger als die längere Weite und ob man im Fairway lag. Und wenn es ans Grün ging, ging der Spaß erst richtig los: chippen? pitchen? putten? Und wenn letzteres, mit dem Putter oder mit einem Hybrid? Alles hat man gesehen, außer bei Martin “Texas Wedge” Kaymer, der dank seines luxuriösen Vorsprungs sogar noch den Putter zückte wenn ein Bunker im Weg lag. Dass solche Gedankenspiele die Profis oft überfordern, zeigen die Ergebnislisten. Rein strategisch gesehen, war dies vermutlich die erste US Open, die interessanter als das Masters war.
Und so wie Augusta National die Clubs in aller Welt beeinflusst, wird es allen Trumps dieser Welt zum Trotz hoffentlich auch Pinehurst No. 2 tun. Denn auf eine Sache muss man sich – besonders in den USA – einstellen: Die Zukunft des Golfsports sieht nicht aus wie das Masters, sondern wie die diesjährige US Open. In den USA ist Wasserknappheit ein dominierendes Problem. Überall, ganz besonders in den westlichen Staaten, finden sich an allen Ecken und Enden Hinweise, dass man Wasser sparen muss. Bereits heute führt die Wasserknappheit dazu, dass viele Golfplätze schließen müssen – und die stetig steigenden Preise werden diese Entwicklung eher noch beschleunigen. Aus diesem Grund hat Pinehurst No. 2 eine große Vorbildfunktion. Durch die Entfernung von 14 Hektar Nutzungsfläche und die Reduzierung von 1100 Sprenklern auf 450 sparen die Betreiber laut USGA-Chef Mike Davis über 70% an Wasser, von 200 Millionen Liter im Jahr auf 57 Millionen Liter. Für ein Resort mit acht Plätzen wie Pinehurst würde eine solche Umstellung aller Plätze jedes Jahr Millionen sparen.
Für Donald Trump, der sich um andere Menschen genausowenig schert wie die Umwelt, ist das natürlich kein Thema. Er echauffiert sich darüber wie gruslig braune Stellen auf einem Golfplatz aussehen, baut dann aber auf seinen eigenen Plätzen solche Beleidigungen fürs Auge und solch unnatürliche Features. Bleibt nur zu hoffen, dass in Zukunft nicht solche Dinosaurier wie Donald Trump das Sagen im Golfsport haben sondern verantwortungsbewusste Funktionäre wie Mike Davis sich ihre Linie nicht kaputt reden lassen. Denn wenn die golfende Bevölkerung nicht endlich kapiert, dass nicht nur Greed sondern auch Green nicht immer good ist, stehen uns schwere Zeiten bevor.