Es war eine Sensation in der Größenordnung von Ben Curtis’ Sieg bei der Open Championship oder der europäischen Demontage der einheimischen Amerikaner beim Ryder Cup unter der Führung von Bernhard Langer: die Vergabe für den Baus des Olympischen Golfplatzes an Gil Hanse.
Eigentlich alle, darunter der Autor dieser Zeilen, hatten damit gerechnet, dass der Auftrag in bester olympischer Tradition an den Bewerber mit dem meisten Geld bzw. den besten Connections gehen würde. Zur Auswahl standen da einige, allen voran das Konsortium der Major-Dauersieger Jack Nicklaus und Annika Sörenstam. Aber am Ende machte ein echter Architekt das Rennen – oder wie Phil Mickelson es formulierte: „Es wäre einfach gewesen einen großen Namen zu nehmen, stattdessen haben sie den besten genommen.“ Warum Hanse tatsächlich der beste Mann für den Job ist, stellte sich nur wenige Tage nach der Ankündigung heraus: Hanse gab bekannt für die Dauer des Projekts mit seiner gesamten Familie nach Brasilien umzuziehen.
Für Hanse ist diese Art des persönlichen Einsatzes für seine Projekt selbstverständlich, weswegen er auch nur wenige Aufträge pro Jahr annimmt. Dass er für die Art des Golfplatzdesigns wie ihn Player-Designer wie Nicklaus, Greg Norman oder Gary Player betreiben nicht viel übrig hat, ließ Hanse bereits 2000 in einem Interview mit Golf Club Atlas erkennen. Gefragt wie die gegenwärtige Ära der Golfarchitektur (1985-1999) später in Erinnerung bleiben wird, antwortete Hanse unverblümt als eine vertane Chance. “Es ist eine Fließband-Mentalität unter den ‘Top’-Designern ausgebrochen, die einen Platz nach dem anderen raushauen. Die meisten Designer versuchen von dem Bauboom zu profitieren und stellen ihr Bankkonto über ihr Vermächtnis. Mit dieser Mentalität ist es schwierig, etwas originelles oder aufregendes zu bauen. Es gab viele großartige Grundstücke in dieser Zeit, aber mit ein paar wenigen Ausnahmen war der Architekt nicht lang genug vor Ort um diese auszunutzen.
Zu den wenigen rühmlichen Ausnahmen zählte Hanse den von Bill Coore und Ben Crenshaw gestalteten Sand Hills in Nebraska und Tom Doaks High Pointe in Michigan. Nicht überraschend, denn der ebenfalls im Wettbewerb um den Olympiaplatz vertretene Doak ist eine Art geistiger Vater von Gil Hanse. Wie Doak machte der 48-Jährige seinen Master in Landschaftarchitektur an der Cornell Universität und erhielt 1987 – wie Doak fünf Jahre vor ihm – den prestigeträchtigen Williams Frederick Dreer Award. Durch ihn konnte Hanse ein Jahr lang die Golfplätze Englands und Schottland studieren – und dabei ein Praktikum bei einem weiteren Olympia-Konkurrenten, Hawtree and Son, absolvieren. Danach hatte er die freie Auswahl: Tom Fazio, Jack Nicklaus und viele weitere bekannte Designer wollten Hanse ins Boot holen, doch er entschied sich für das damals noch in den Kinderschuhen steckende Renaissance Golf Design von Tom Doak, mit dem er dann gemeinsam u.a. den gelobten Stonewall Links gestaltete.
“Die Leute haben mich für verrückt gehalten weil ich mich für Doak entschied”, reflektierte Hanse später gegenüber dem Philadelphia Inquirer. “Aber er machte die Art Golfarchitektur, die ich mir vorgestellt habe: an der frischen Luft. Ich wollte ein echter, zupackender Designer sein und es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Tom Doak hat mir sehr viel über Philosophie und Strategie der Golfarchitektur beigebracht. So viel, dass Gil Hanse 1993 mitHanse Golf Design seine eigene Firma gründete.
Computersimulation von Loch 17 des Olympiadesigns
(Klick aufs Bild führt zum vorgeschlagenen Routing des Platzes)
Zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit machte er sich zumeist mit Restaurierungen einen Namen, bevor ihm der Zufall in die Hände spielte. Während seines Aufenthalts in Großbritannien hatte der Amerikaner Freundschaft mit dem Head Pro der Crail Golfing Society geschlossen. Als diese einen zweiten Platz bauen wollte, klingelte bei Hanse das rote Telefon. Er schickte einen Vorschlaf und setzte sich gegen sieben Konkurrenten durch – allesamt von der Insel, was das Ganze noch besonderer machte. Bereits hier zeigte sich wie exzellent Hanse bei Präsentationen ist – etwas was wohl auch bei der geheimen Olympia-Ausschreibung eine Rolle gespielt hat. Der Craighead Links wurde 1998 Hanses erstes Solo-Projekt (nachdem er zuvor mit Jim Wagner den Inniscrone Golf Club baute) – passenderweise direkt neben dem Balcomie Links, den kein anderer als Old Tom Morris gestaltet hat, und in dessen Tradition sich der Mann aus Pennsylvania sieht.
Zwar nutzt er nicht wie der alte Tom Hacke, Spitze und Schaufel sondern fährt auf einem Bulldozer herum, aber das macht er immerhin selber – in der heutigen Golfarchitektur leider keine Selbstverständlichkeit. Hinzu kommt, dass er wie die ersten Golfarchitekten versucht, mit dem zu arbeiten, was ihm die Natur gegeben hat. Mammut-Erdbewegungen wie sie beim TPC Sawgrass oder in Deutschland beim WinstonLinks stattgefunden haben, wird es mit Hanse nicht geben. Dieser minimalistische Ansatz ist es, was ihn zum perfekten Architekten des olympischen Golfplatzes macht. Man kann in Rio de Janeiro nicht einfach rücksichtslos einen in der Herstellung und Bewirtschaftung exzessiven Platz hinklotzen, sondern man muss einen Platz hinbekommen, der kostengünstig existieren kann, damit er auch nach den zwei Zählspiel-Turnieren der Olympischen Spiele eine Existenzfähigkeit hat. Wenn man dies schaffen kann und gleichzeitig einen anspruchsvollen und vor allen Dingen für die TV-Übertragungen attraktiven Golfplatz bekommt, könnte Olympia 2016 zu einem wichtigen Fingerzeig für die Zukunft des Golfsports werden.
Insofern traf er sich perfekt für Gil Hanse, dass er kurz zuvor mit Castle Stuart einen Platz gebaut hat, der diese Kriterien erfüllt. Die Profigolfer überschlugen sich mit Lobeshymnen für den Austragungsort der letzten Scottish Open. Der Platz erwies sich trotz brutalstem Starkregen als relativ regenresistend und sah in den obligatorischen Helikopfter/Zeppelin-Bildern tausend mal sexier aus als fast alle Golfplätze, die man jede Woche auf den Profitouren dieser Welt zu sehen bekommt. Dass der Royal&Ancient-Chef Peter Dawson einer der Vorsänger der Lobeshymnen war, erwies sich dabei sicher nicht als schädlich: Dawson saß im Komitee, das über die Vergabe des Olympia-Platzes entschied.
Man kann sich also relativ sicher sein, dass Gil Hanse einen sehr attraktiven, ökologisch verantwortungsvollen und wirtschaftlich vertretbaren Golfplatz bauen wird. Die einzige Frage wird sein, wie anspruchsvoll der Platz für die besten Golfer der Welt sein wird (es gibt ja immer noch Leute, die glauben die Qualität eines Golfplatzes spiegelt sich in einem möglichst hohen Score des Siegers wieder). Dass Hanse aber auch das kann, wenn es sein muss, bewies er bei seiner Restauration des TPC Boston. Damals baute er das 425-Yard lange 4.Loch um sage und schreibe 127 Yards zurück – ohne dabei das Par zu verändern. Resultat: der durchschnittliche Score der Profis lag trotzdem bei über 4 Schlägen, weil sie die strategischen Optionen, die Hanse ihnen bot, nicht korrekt verarbeiten konnten. Schaut man sich Hanses exquisiten Design-Vorschlag für den Olympia-Platz an (der allerdings keine Bibel, sondern ein work in progress ist), wird Strategie auch hier eine große Rolle spielen. Und er nimmt sich ein Beispiel am Masters, das das einzige Major-Turnier ist, das auf den letzten Löchern mit einem Feuerwerk an Birdies und Eagles entschieden werden kann. Hanses derzeitiger Plan sieht von der 16-18 ein drivebares Par 4, ein kurzes Par 3 und ein Par 5 vor – drei Löcher auf denen durchaus auch mal 5 Schläge aufgeholt werden können. Die Grundlagen für ein spektakuläres Olympia-Comeback des Golfsports sind also gelegt – so denn die Verantwortlichen bei der Wahl des Austragungsmodus eine ähnliche Vernunftsentscheidung treffen wie das Golfplatz-Komitee.