Sportfilme haben es schwer in den deutschen Kinos. Besonders, wenn es sich um Randsportarten dreht. Noch vor wenigen Jahren hätte man “Seve The Movie” daher wohl nur als DVD-Import genießen können. Doch die Streaming-Welle hat vieles verändert und so gibt es seit einigen Wochen “Seve The Movie” bei Amazon Prime zu sehen. Allerdings muss man englisch können: die Archivaufnahmen sind mit englischem Kommentar, die Spielszenen auf spanisch mit englischen Untertiteln.
Regisseur John-Paul Davidson, der normalerweise Komiker wie Stephen Fry oder Michael Palin durch die Welt begleitet, hat sich bei seiner Hommage an Severiano Ballesteros für einen Hybrid aus Dokumentarfilm und Biopic entschieden und springt dabei immer wieder zwischen Seves größten Erfolgen und seiner Kindheit hin und her, wobei er teilweise die Szenen von Jung-Seve mit Peter Alliss’ Kommentaren zum Superstar-Seve kombiniert.
Dieses Konstrukt hätte ganz leicht zum Desaster werden können. Dass es das nicht wurde, ist José Luis Gutiérrez zu verdenken. Der 16-Jährige übernimmt in den Rückblenden die Rolle von Seve und schafft es, dessen Schwung und Eigenheiten exzellent zu imitieren. Allerdings kann er natürlich nicht den Magnetismus von Ballesteros verkörpern, der sofort alle Augen auf sich zog, sobald er einen Raum – oder den Golfplatz – betrat.
Aus diesem Grund sind die Archivaufnahmen auch die Stärke des Films, besonders in Verbindung mit den Stimmen von Gary Player oder Ben Crenshaw, die noch einmal das hervorkehren, was Ballesteros auf und um den Golfplatz ausgezeichnet hat. Allerdings muss man zugeben, dass die Zielgruppe des Films doch sehr begrenzt ist. Während Sportfilme wie “Miracle”, “Rush” oder “Feld der Träume” auch Nicht-Sportler ansprechen, ist “Seve the Movie” ganz eindeutig nur auf Golfer zugeschnitten. Was allerdings auch an der Thematik liegt. Seves Leben war Golf. Von Kindesbeinen bis zu seinem viel zu frühen Tod mit 54 Jahren hat Golf das Leben des Spaniers dominiert.
Relevanz über das Sportliche hinaus bekommt der Film dadurch, dass Ballesteros aus bescheidenen Verhältnissen stammt – auch wenn der Film die finanziellen Verhältnisse ein wenig schlechter schildert, als sie es wohl tatsächlich waren. Diese Ungenauigkeiten sind etwas, was man “Seve the Movie” allerdings vorwerfen muss. Es ist eine Unart, die viele Sportfilme heimsucht. Egal, wie gut die Geschichte ist: die Filmemacher müssen sie noch einmal aus dramaturgischen Gründen zuspitzen.
Seve gewinnt mit 12 Jahren mit 79 Schlägen die Caddie Meisterschaft und damit das Spielrecht im Club? Machen wir doch einfach 13 Jahre daraus und lassen ihn mit einem Platzrekord von 65 gewinnen (ein Score, der ihm erst bei seiner letzten Caddie Meisterschaft drei Jahre später gelang). Seves Bruder wettet mit einem reichen Schnösel um 30.000 Peseten, dass Seve dessen Sohn Eduardo de la Riva besiegt? 50.000 Peseten klingt doch besser, und um die Dramatik der Situation zu zeigen, muss Papa seine besten Kälber für den Wetteinsatz versetzen.
Mit 124 Minuten schon sehr lang, fällt dennoch auf, wie viele Dinge die Filmemacher dann doch verschweigen. Beispielsweise die Profikarriere von Seves Bruder Manuel für den Seve mit zwölf Jahren bei dessen Sieg in der Santander Open den Caddie gab. Ein einschneidendes Erlebnis für den späteren Masters- und Open-Sieger Seve, das aber die geplante Botschaft des Films – ein Held aus dem Nichts – ebenso verwässert hätte, wie die Kontroversen, die sich um das Golfgenie rankten. Seine Disqualifikation bei der US Open und die nachfolgenden Schuldzuweisungen an alle und jeden fallen ebenso weg, wie seine Fehde mit PGA-Tour-Chef Deane Beman. Und seine Kontroversen um Antrittsgelder werden nur kurz angerissen.
Diese kontroverse Ader, sein berechtigter Standpunkt sich nichts gefallen zu lassen und sein Bestehen darauf, für seine Leistungen auch entsprechend honoriert zu werden, haben ihn ebenso zu dem Menschen Ballesteros gemacht, wie seine Herkunft und seine Leistungen aus dem Golfplatz. Weil dieser Teil vernachlässigt wurde, schildert “Seve the Movie” kein komplettes Bild des genialsten Golfers Kontinental-Europas. Unterhaltsam ist das Dokudrama natürlich dennoch, alleine schon weil man sich selbst heute nicht der Faszination Seves entziehen kann. Aber es hätte noch viel mehr sein können.