Tiger Woods, die Navy SEALS und jede Menge Verlierer

In der vergangenen Woche veröffentlichte Golf Digest einen Auszug aus dem Buch “The Big Miss”, das Tiger Woods’ Ex-Trainer Hank Haney über die gemeinsame Zeit mit dem ehemaligen Weltranglisten-Ersten veröffentlicht hat. Ein Auszug, der viele Fragen aufwirft: Beispielsweise ob es koscher ist, wenn Golf-Digest-Redakteur Jaime Diaz sein Heft als kostenlose Werbung für ein von ihm geschriebenes Buch benutzt und zufälligerweise eine Woche später zum Chefredakteur befördert wird? Oder ob es guter Stil ist, dass Haney und Golf Digest – die beide mit Woods Millionen gescheffelt haben (Haney darf seither horrende Summen für Unterricht nehmen und erhielt eine eigene TV-Show und Digest warb früher damit, dass Woods exklusiv Kolumnen für das Magazin schrieb) – jetzt noch einmal abkassieren indem sie nachtreten. Vor allem aber stellt sich die Frage wie unfassbar langweilig “The Big Miss” sein muss, wenn das schon die Highlights aus dem Buch waren? Aber natürlich stürzten sich die pawlowschen Golf-Journalisten natürlich nur auf eine Sache und deklarierten sie gleich als Weltsensation: “Tiger Woods wollte seine Golf-Karriere für ein Leben als Navy SEAL opfern!”

Dass Woods ausgerechnet in dieser Woche bei der Honda Classic am Start und damit zu einer Pressekonferenz verpflichtet war, ließ einigen von ihnen natürlich das Wasser im Mund zusammenlaufen und sie stürzten sich wie die Kojoten auf Woods. Nachdem Tiger zwei Anfragen auf das Buch auf typisch unfreundliche Art und Weise abgeblockt hat und allen im Saal klar war, dass er zu den Behauptungen keine Stellung beziehen würde, konnte es Alex Miceli von Golf Week nicht lassen und bohrte noch einmal nach. Was zu dieser unangenehmen Situation führte, bei der Woods’ Stimme sich zum Ende hin so überschlug, dass es den Anschein hatte als würde er gleich in Tränen ausbrechen.

Woods beendete seine von einem Todesblick begleitete Nicht-Antwort mit den Sätzen “Du bist mir ein schönen Früchtchen” und “Ich wünsch Dir einen Tag”, was zwei Dinge bewirkte: Einen urkomischen Kommentar von Grantland.com, dass es nicht viel anders als bei Woods’ früheren Interaktionen gewesen sei – “nur dass in der Vergangenheit zwischen den beiden Sätzen immer sechs verschwitzte Minuten lagen” sowie einen sprunghaften Anstieg der Vorbestellungen für das Haney-Buch, da Golf-Journalisten aus der ganzen Welt wie die Lemminge titelten Woods wollte zum Militär gehen ohne dabei auch nur kurz mal nachzudenken und eigene Überlegungen und Recherchen zu dem Thema anzustellen.

Wer dies getan hätte, wäre auf folgendes gestoßen: Die Information über Tiger Woods und seine Faszination von den Navy SEALS ist überhaupt nicht neu. 2010 veröffentlichte Tom Callahan “His Father’s Son”, eine Biographie über Woods’ Vater Earl. Callahan – welch Zufall – arbeitete ebenfalls für Golf Digest und nutzte die Zeitschrift ebenso wie Diaz als Werbemittel indem er ihr einen Auszug zur Verfügung stellte. Und siehe da: Sogar in genau diesem Auszug steht das Gleiche was jetzt diese Welle bei den Journalisten auslöste. Callahans damalige Quelle für die Behauptung, dass Woods ein Navy SEAL werden wollte? Hank Haney!

Hätte man als anständiger Journalist dann noch einen Klick mehr gemacht, wäre man auf einen Artikel der New York Times gestoßen, der von einer Pressekonferenz berichtet in der Woods auf diese Passage angesprochen wurde. Seine Antwort: “Nein, ich wollte den Golfsport nicht aufgeben – auch wenn ich oft davon geträumt habe Navy SEAL zu werden. Ich habe meinem Vater immer gesagt entweder werde ich Profigolfer oder ich werde Navy SEAL.” Und mit dieser Aussage war die vermeintlich kontroverse Botschaft des Buches vom Tisch. Was uns zur einer Frage führt, die viel wichtiger und interessanter ist als die Aussagen eines geschassten Ex-Angestellten darüber ob Tiger Woods davon träumte Soldat, Astronaut, Lokomotivführer oder Pornostar zu werden: Was hat Woods eigentlich für ein unfähiges Berater-Team an seiner Seite?

Als Woods 2004 Hank Haney zu seinem Trainer berief, war er längst der beste Golfer der Welt und stand mitten im Fokus der Medien. Das Erste was jemand in solch einer Situation machen sollte, wenn er jemanden in sein Team holt? Ihn eine Vertraulichkeitsvereinbarung, das sogenannte Non-Disclosure-Agreement, unterschreiben zu lassen. Dass Haney jetzt so ein Buch veröffentlichen kann ohne juristische Folgen zu spüren, zeigt, dass das kompetente Berater-Team von Woods dies offensichtlich nicht gemacht hat. Überhaupt reagierte Manager Mark Steinberg in den Monaten nach Woods’ Sex-Skandal höchst unprofessionell. Statt die ganze Sache offensiv anzugehen und dadurch die Luft aus der Geschichte zu nehmen, ließen Steinberg und seine Mitarbeiter zu, dass sie sich immer mehr aufblähte. Und als Woods dann schließlich eine öffentliche Erklärung abgab – für deren Vorbereitung er viele Wochen Zeit hatte – geschah dies so unbeholfen und peinlich, dass es die ganze Sache nur noch verschlimmerte.

Seither reihen Woods und Co. so viele Fauxpas aneinander, dass PR-Profis die Haare zu Berge stehen. Und die Pressekonferenz vom 28. Februar ist dafür das beste Beispiel. Jeder wusste, dass die versammelten Journalisten diese Gelegenheit nutzen würden um ein Statement von Woods über das Haney-Buch zu bekommen. Doch entweder ist Woods vollkommen beratungsresistent oder Mark Steinberg vergaß, seinen Schützling dafür speziell zu briefen und ließ ihn ins offene Messer laufen. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, dieser Sache den Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn nehmen wir uns doch mal die betreffenden Passagen vor: Die Grundaussage, dass Tiger Woods mit dem Gedanken spielte zum Militär zu gehen, ist an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Alles was die ehemalige Nummer 1 hätte tun müssen, wäre statt seiner üblichen Abblockungsversuche ein zwei Sätze zu sagen – so wie er es auch im Jahr 2010 getan hat. Das Ganze hätte dann vermutlich so ausgesehen:

  • Q: Herr Woods, Hank Haney schreibt in seinem Buch, dass sie mit dem Gedanken gespielt haben, ihre Golf-Karriere für eine Karriere bei den Navy SEALS aufzugeben. Stimmt das?
  • A: Nein, das habe ich nie wirklich in Erwägung gezogen. Mein Beruf ist Profigolfer und den möchte ich so lange ausüben wie es mir möglich ist.
  • Q:Dann stimmt es nicht, dass sie an militärischen Übungen teilgenommen haben?
  • A: Doch, sicher. Sie alle wissen, dass mein Vater beim Militär war und daher fühle ich seit jeher eine enge Verbundenheit zu unseren Truppen. Und wenn ich es als Profigolfer nicht geschafft hätte, hätte ich vermutlich versucht bei den Navy SEALS angenommen zu werden. Ich bewundere, was diese Männer für unser Land tun und diese Übungen waren eine gute Gelegenheit ihr Leben besser kennenzulernen und einzuschätzen was für eine Leistung sie vollbringen. Es war eine Erfahrung, die ich jedem nur ans Herz legen kann, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Soll ich mal versuchen Ihnen einen Kontakt zu vermitteln, Alex?
  • Q: Aber haben Sie damit nicht ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt wie Hank Haney sagt?
  • A: Mein Knie ist durch die hohe Belastung meines Golfschwungs beschädigt worden wie Hank ja ebenfalls schreibt. Keiner meiner Ärzte hat jemals auch nur angedeutet, dass sich der Zustand durch diese Übungen verschlimmert hätte.

Und mit diesen drei Sätzen hätte Woods innerhalb von zwei Minuten jede Brisanz aus der Diskussion genommen und nie wieder ein Wort dazu sagen muss. Es wäre ihm im Gegenteil eher noch positiv angerechnet worden, dass er eine solche Verbundenheit zu den US-Truppen hat. Immerhin reden wir hier über ein Land, das “Act of Valor” – einem No-Name-Film über Navy SEALS – am vorletzten Wochenende an der Kinokasse 24,5 Millionen Dollar bescherte. Doch wie sah stattdessen die Strategie von Team Woods aus?

Mark Steinberg schickte eine beleidigte Pressemitteilung raus in der er rumheulte, dass Haneys Buch nicht wie versprochen nur über Golf sei. Damit gab der Super-Agent seinen Schützling Tiger quasi zum Abschuss frei, der dann während der Pressekonferenz seine Contenance verlor – offensichtlich weil er nie eine wirkliche Medienschulung genossen hat. Jahrelang hatte Woods die absolute Macht über die Journalisten und konnte kontrollieren was über ihn geschrieben und was nicht geschrieben wird. Niemand störte sich an seinen aussagefreien Interviews, weil sie alle an seinem Altar huldigten. Jetzt hat sich das Ganze umgedreht und der vielleicht beste Golfer aller Zeiten wirkt wie der schlechteste Medienprofi aller Zeiten.

Dass Woods trotz dieser Ablenkungen die Honda Classic mit einem zweiten Platz abschloss, ist vor diesem Hintergrund nur noch höher zu bewerten. Dennoch muss man sich fragen, ob er nicht langsam einmal etwas an seiner Öffentlichkeitsarbeit ändern sollte um sich auf das zu konzentrieren was er am Besten kann: erfolgreich Golf zu spielen. Zwar stehen die Fans langsam wieder hinter ihm wie man an den Besucherzahlen bei der Honda Classic und den ekstatischen Reaktionen während seiner Schlussrunde sehen konnte. Doch die Journalisten im In- und Ausland werden ihren Rachefeldzug für die vielen Jahre, die sie vor Woods kuschen mussten, nicht einstellen bevor er nicht endlich einmal medial in die Offensive geht und die Kritiker durch ehrliche oder zumindest nicht ganz so inhaltsleere Aussagen besänftigt. Ob dies mit einem Krisenmanager Mark Steinberg möglich ist, muss nach den Vorgängen von letzter Woche bezweifelt werden. Doch warum ist Woods überhaupt Steinberg in dessen neue Agentur gefolgt und nicht mit einem neuen Agenten bei seiner alten Agentur IMG geblieben? Meine persönliche, vollkommen hypothetische These: Wer keine Verschwiegenheitsklausel mit seinem Trainer abgeschlossen hat, hat dies vielleicht auch bei seinem Manager versäumt. Und der wird sicher mehr wissen als angebliche Träume von einer Militär-Karriere.

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