“There’s been a lot of talking about expectations lately. Expectations of what we should be able to do, to win. People are expecting, people are expecting quite a bit.” – Coach Taylor in der TV-Serie “Friday Night Lights”
Martin Kaymer ist bei den US Open im Olympic Club auf dem geteilten 15. Platz gelandet. Es war mit Sicherheit mehr drin. Es war mir allerdings auch egal. Selbst wenn er den Cut verpasst hätte. Mehr als ein Schulterzucken wäre mir das nicht wert gewesen. Bei dem vergangenen Major-Turnier ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, wie wenig mir das Spiel des derzeit besten deutschen Profigolfers noch bedeutet.
Andere Golfer liegen mir mittlerweile mehr am Herzen. Fred Couples ist so einer. Genau wie Keegan Bradley oder Luke Donald. Kaymer löst bei mir kaum Emotionen aus. Von Mitfiebern keine Spur. Doch woran liegt das? Was ist passiert? Wenn ich mir alte Texte meinerseits anschaue, die den Mettmanner zum Thema haben, dann ist da zwischen den Zeilen meine Begeisterung für den Mann spürbar – sei es nun das PLOCK!-Porträt 2006 oder ein PDF aus FOREMENblog-Zeiten 2007. Damals glaubte ich noch an Kaymer. Und wenn ich mir das mal auf die Fahne krickeln darf – als einer der wenigen Golfschreiber. Ich hatte große Erwartungen. Genau da liegt der Ball im Bunker begraben.
Kaymer hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Dabei ging es mir nicht um grandiose Siege oder eine Spitzenposition in der Weltrangliste. Nein, das hat er alles geschafft. Aber das war weder eine Überraschung für mich, noch war es das, was ich mir von ihm gewünscht habe. Ich erwartete etwas anderes von Kaymer: Dass er Golf in Deutschland populär macht. Dass er den Golfsport einen Schub in unserem Land gibt. Dass er Golf verändert und das gemeine Volk plötzlich anfängt, die Schläger zu schwingen. Er hat es nicht getan. Und er wird es auch nicht mehr schaffen. Warum eigentlich?
In meinen Augen gibt es zwei sehr einfache Gründe, die es verhindert haben, das Kaymer in irgendeiner Weise in Deutschland die öffentliche Wahrnehmung des Golfsports zum Positiven beeinflusst hat – die Pressearbeit und die Auswahl der Werbepartner.
Seien wir doch mal ehrlich: Boss, BMW, Rolex, Taylormade und selbst Schüco sind zwar bekannte, starke und solvente Marken, aber sie bedienen entweder herrlich das Klischee des reichen Golfers oder sind so sexy wie die schrumpelige Kräuterhexe. Kaymers Management hat es nicht geschafft, jenseits der klassischen Golf-affinen Unternehmen auch nur irgendwas zu reißen. Erschwerend kommt noch dazu, dass die zahlenden Firmen auch nicht viel mit Kaymer anzufangen wissen. Bestes Beispiel: der Boss-Spot mit MK und dem Herrn Gomez von der Fußball-Nationalmannschaft. Viral geht anders. Unterhaltsam erst recht. Und eine Zielgruppe außerhalb der Golfklientel wird auch nicht angesprochen. Letzteres ist ein Problem aller Anzeigen mit Herrn Kaymer als Markenbotschafter (Danke Schüco für dieses schöne Wort!). Vielleicht ist dies aber auch dem Bekanntheitsgrad des Mettmanners in seinem Heimatland geschuldet. Womit wir dann bei der Pressearbeit wären.
Am Anfang seiner Karriere war Martin Kaymer im Umgang mit den deutschen Medien noch erfrischend unbedarft. Mein erstes Interview mit ihm war während eines EPD-Turniers am Hockenberg und sehr kurz. Das Stück war für eine kleine PLOCK!-Rubrik. Am gleichen Tag spielte Kaymer noch das ProAm mit Sven Hanfft vom Golf Magazin. Es gab keine Berührungsängste mit der schreibenden Zunft. Auch mein zweites Treffen mit dem Mettmanner bei einem Challenge-Tour-Event in Odense war herrlich unkompliziert und unterhaltsam. Das waren die goldenen Zeiten.
Inzwischen ist Kaymer für einen Großteil der deutschen Medien unerreichbar. Selbst wenn sie sich wirklich für ihn interessieren und nur Gutes wollen, eine Absage ist ihnen in dem meisten Fällen gewiss. Ich bilde mir ein, dass der Kaymer-Clan 2007 nach einer nicht ganz so tollen Geschichte im DER SPIEGEL (Ich sach nur “Knauser-Kalle”) sehr argwöhnisch gegenüber Journalisten geworden ist. Aber da kann ich auch völlig verkehrt liegen. Fakt ist jedoch, dass ich viele Kollegen kenne, die mit ihren Interviewanfragen derzeit abblitzen.
Mal von einem Auftritt im “Aktuellen Sportstudio” (wahrscheinlich ein Kindheitstraum Kaymers) samt Torwandschießen abgesehen, findet der Mettmanner in Deutschland medial kaum statt. Selbst Golfjournalisten begnügen sich inzwischen damit, ihre Geschichten mit Zitaten aus Turnier-Pressekonferenzen anzureichern. Und diejenigen, die ihn dann doch für kurze Zeit befragen dürfen, bekommen nur Phrasen geliefert.
Dass Kaymer durchaus anders kann, zeigt sein Umgang mit den Medien in den USA. Man muss sich nur mal anschauen wie locker sein Auftritt in der Golfchannel-Show “The Morning Drive” war oder wie herzlich er dort hinter den Kulissen den US-amerikanischen Golfreporter Tim Rosaforte begrüßte.
Der deutsche Markt samt Presse scheint Kaymer also egal. Im besten Fall steckt hinter dieser Misere sein schwedischer Manager Johann Elliot, der unter anderen auch Adam Scott, Alvaro Quiros, Henrik Stenson und Robert Karlsson betreut. Der Mann fährt eine internationale und keine nationale Strategie. Deutschland ist in diesem Fall nicht wichtig.
Kaymer kann also unser Land nicht für Golf begeistern, weil er hier abseits der Claquere der hiesigen Fachpresse nicht stattfindet. Seine Werbepartner sind so edel und langweilig, dass sich jeder Nicht-Golfer in seinem Klischeedenken bestätigt fühlt. So wird das nichts mit der Kaymermania.
Das Schlimme ist: Man kann Kaymer nicht wirklich einen Vorwurf machen. Er ist Profisportler. Der Mann will Geld verdienen und Titel gewinnen. Das gelingt ihm. Er ist auf Deutschland nicht angewiesen. Auch nicht auf die Presse. Und schon gar nicht auf meine Wenigkeit.
Kaymer kann es am Arsch vorbeigehen, ob er meine Erwartungen erfüllt oder nicht. Schade eigentlich.