Alles begann mit einem Foto. Als ich das Bild von Loch 2 des Lofoten Golf Links in diversen Golfzeitschriften sah, wusste ich, dass ich da hin muss. Und da der Reisegolfer den gleichen Traum hatte, machten wir einfach unser jährliches Strategietreffen daraus. Es gab nur eine Frage zu klären: Polarlichter oder Mitternachtssonne? Da wir allerdings auch noch was vom Land sehen wollten und das besser geht, wenn die Sonne 24h und nicht nur 11h scheint, war die Antwort schnell gefunden. Wir würden im Sommer fahren und um Mitternacht Golf spielen. Alleine diese Möglichkeit macht den Lofoten Golf Links zu einem einzigartigen Fleckchen für Golf. Doch reicht das auch aus, um ihn zu einem guten Platz zu machen? Der Reisegolfer und ich haben zwei Wochen nach unserer Rückkehr darüber diskutiert.
Linksgolfer: Von all deinen Runden, die Du schon gespielt hast. Wo rangiert die Runde im Lofoten Golf Links unter deinen bemerkenswertesten Erlebnissen?
Reisegolfer: Relativ weit oben. Allein deswegen, weil der Platz so weit im Norden gelegen ist. Auch wenn es nicht der nördlichste 18 Loch Platz der Erde ist. Da gibt es noch 2 oder 3 etwas nördlicher. Aber die Startzeit um 22.00 Uhr, die Lage am Nordmeer und die nie untergehende Sonne machen die Runde schon zu einer besonderen Erfahrung.
Wir unterhalten uns ja oft darüber, ob man einen Golfplatz ganz neutral bewerten kann, ohne die Umgebung und die Atmosphäre zu berücksichtigen also rein nach Architektur der Löcher. Ich muss spätestens nach dieser Runde sagen, dass das nicht möglich ist. Oder wie siehst Du das?
Guter Punkt. Ehrlicherweise gibt es natürlich immer subjektive Einflüsse während der ersten Runde auf einem Platz. Um dann wirklich einigermassen neutral zu bleiben, lasse ich immer gerne ein paar Tage vergehen, bis ich mir meine endgültige Meinung gebildet habe. Und in diesem Fall geht die wundervolle Umgebung auch in meine Wertung hinein. Denn eine schöne Umgebung ist natürlich auch wichtig für einen guten Golfplatz.
Bei mir war es lustigerweise genau anders herum. Ich habe während der Runde versucht alles auszublenden und den Platz völlig neutral zu bewerten. Aber dann habe ich nach ein paar Tagen festgestellt, dass das überhaupt keinen Sinn macht. Wer zum Lofoten Golf Links kommt, der macht dies in aller Regel aus genau den gleichen Gründen wie wir: um einmal mitten in der Nacht oder sogar rund um die Uhr Golf zu spielen. Und aus diesem Grund wäre es völlig fehlgeleitet, das komplett auszublenden. Aber mal angenommen wir würden es tun: Was würdest Du über den Platz sagen, wenn wir ihn um 12 Uhr mittags gespielt hätten?
Ich meine, der Lofoten Golf Links ist auch um 12.00 Uhr gar nicht mal so schlecht. Es sind zwar auch ein paar nicht so gute Löcher dabei, aber die Erweiterung auf 18 Loch und der Umbau einiger alter Löcher durch Jeremy Turner ist gut gelungen. Die Gäste kommen zwar wegen des Mitternachtsgolfs, aber der Platz ist auch so ganz nett. Die 2 mit seinem quasi Inselgrün im Atlantik ist beispielsweise auch tagsüber ein nettes Loch, mit dem man vielen Golfern eine Herausforderung und Spaß bietet. Die 10, die 12 und die 16 brauchen sich auch nicht zu verstecken.
Das ist interessant. Normalerweise gehen wir bei den besten Löchern ja konform, aber in diesem Fall wohl nicht. Ich habe eine Schwäche für die 14, die direkt am Steinstrand entlang führt. Die 3 finde ich vom Abschlag ganz interessant obwohl die Landezone übertrieben klein ist. Und die 9 ist mit ihrem erhöhten Tee ein extrem reizvolles Loch, besonders da man bei einem guten Drive – den wir leider alle verpasst haben – einen Zusatz-Boost durch das zum Grün abfallende Fairway bekommt. Bei der 16, die direkt aufs Meer zuführt, stimme ich Dir zu – vielleicht ist sie sogar das beste Loch des Platzes. Die 10 finde ich hingegen ein ziemlich unspektakuläres Par 4 ohne bemerkenswerte Features. Die 12 ist mir als 222 Meter langes Par 3 von den Backtees zu extrem, da man die ersten 150 Meter und links vom Grün unter Garantie einen Ball verliert. Und obwohl die 2 natürlich spektakulär aussieht, erinnert sie mich ein wenig an ein Grün, in dessen Hintergrund ein Wasserfall runterrauscht: cool zum Anschauen, aber man sieht ihm die Künstlichkeit an. Ich glaube Du hast im Clubhaus ein altes Bild gefunden, das diesen Eindruck bestätigt, oder?
Der Eindruck ist nur fast richtig. Ich habe nach unserem Urlaub mal den Architekten Jeremy Turner angeschrieben. Die meisten Felsen an der 2 waren schon da. Es war eine natürliche Insel. Sie sieht nur im derzeitigen Zustand etwas unnatürlich aus. Die spektakuläre Lage und der Aufbau des Loches machen es aber nun mal zu einem der wichtigsten Löcher für die meisten Besucher aus aller Herren Länder. Wobei es genau genommen gar nicht mal so schwer zu spielen ist, wenn man seinen Schlag gerade lässt. Und OK. Die 14 ist auch ein nettes Loch. Ich weiß, dass dies nicht unser Hauptkriterium ist, aber wie fandest Du denn den Zustand des Platzes. Da habe ich mich ja einige Male schon gewundert.
Sagen wir es mal so: Wenn Du einen solchen Platzzustand in Deutschland anbieten würdest, würden die Mitglieder mit Mistforken, einem Eimer Teer und einem Bottich Federn vor der Greenkeeperhütte stehen. Einige Grüns muss man so knallhart tot nennen, die Wege waren frisch aufgeschüttet, weshalb man besser Schlitten als Trolleys benutzt hätte und das Fairway auf der 18 war schlicht eine Frechheit. In Deutschland würde man das nicht einmal Semirough nennen, so hoch wie es war. Dass sie am nächsten morgen dann das Fairway vor unseren Augen gemäht haben, war wie ein kleiner Stinkefinger in unsere Richtung. Zwei entschuldigende Punkte kann man allerdings anführen: die Grüns waren auf allen Plätzen, die wir in Nordnorwegen gespielt haben, desaströs, weshalb wir das einmal auf die klimatischen Bedingungen schieben können. Und in der Mittsommernacht wächst das Gras nun mal schneller, da 24h am Tag die Sonne scheint. Und immerhin: die neu angelegten Löcher des Lofoten Golf Links sahen vom Zustand her auch deutlich besser aus. Hast Du von Herrn Turner auch eine Übersicht bekommen welche genau wann gebaut wurden?
Ja, und die ganze Geschichte der Entstehung macht den Golfplatz auch interessant. In den 90ern hat Frode Hov, dessen Familie schon seit 400 Jahren auf den Lofoten lebt, mehr oder weniger alleine die ersten 6 Löcher angelegt, um den Traum seines Vaters von einem Linkskurs hier am Ende der Welt erfüllen zu können. 1998 konnte erstmals gespielt werden. Jeremy Turner unterstützte 2004/2005, um auf 9 Loch zu erweitern. 2011 – 2014 wurden dann 10 neue Löcher gebaut. Die 2, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15. Dazu wurden die Löcher 1, 3, 16 und 18 umgebaut. Der Prozess ist auch noch nicht ganz abgeschlossen. Die ausstehenden Löcher werden auch noch etwas umgebaut, wenn Geld da ist.
Apropos Geld: Das Preis-Leistungsverhältnis ist schon ziemlich cool. Zumindest wenn man den Tagestarif wählt. Für 150 Euro kann man hier 24 Stunden lang golfen – und das ist in diesem Fall wortwörtlich zu nehmen. Andererseits: wenn man den Preis für verlorene Bälle hinzurechnet, sieht es dann schon etwas anders aus. Wieviele Deiner Bälle haben sich ins Nirgendwo verabschiedet und werden demnächst im Fass neben der Rezeption verkauft? Ich glaube bei mir waren es fünf – und dabei hatte ich gar nicht mal so schlecht gespielt.
Ja. Das mit den Ballverlusten war schon heftig. Sobald Dein Ball nicht mehr auf dem Semirough war, war er eigentlich weg. Gegen das Rough hier ist das Rough der US Open ein Kindergarten. Sahen aber hübsch aus die dichtgewachsenen Blumenwiesen neben den Fairways. Man sollte schon gerade spielen können oder zumindest den Driver im Bag lassen. Ich habe ja als bekennender Shorthitter den Driver genutzt und 9 Bälle gespendet. Glücklicherweise hatte ich vor der Runde in dem Fass mit Fundbällen nachgeladen, nachdem ich das Rough gesehen hatte.
Ich denke das US Open Rough ist schon noch schlimmer. Aber es war teilweise schon absurd. Was ist Dir jetzt nach ein paar Wochen von der Mitternachtsrunde auf dem Lofoten Golf Links am meisten hängen geblieben?
Ganz einfach und schnell. Die nie untergehende Sonne, das Licht und Loch 2.
Hast Du etwa schon den Regenbogen um 23.34 Uhr vergessen? Tatsächlich hat sich bei mir etwas ganz anderes ins Gehirn eingebrannt – etwas, was überhaupt nicht visuell ist. Es war diese atemberaubende Stille um 1 Uhr nachts auf dem Golfplatz. Es war eine ganz spezielle Stille, die man mit keiner Stille vergleichen kann, die ich zuvor erlebt habe. Es war, als seien wir – zusammen mit dem Fuchs und dem Fuchsjungen, die über die 13 strollten – die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten.
Der Regenbogen war natürlich auch cool, aber das hat mich nicht so stark beeindruckt, wie das Licht im allgemeinen. Die Stille hat mich nicht so stark berührt wie Dich. Ähnliches habe ich woanders auch schon erlebt. Aber das ganze Paket der Runde Golf dort um Mitternacht herum war eine nachhaltige Erfahrung für mich, die ich wohl nie vergessen werde.
Apropos Paket. Wir müssten vielleicht noch mal ein Wort über die Unterkunft verlieren. Wir hatten ja das „Golf in the Midnight Sun Paket“ gebucht, das zwei Übernachtungen, Frühstück und Lunch beinhaltete. Und das war…nunja…wie würdest Du es bezeichnen?
Ich würde sagen, “einfache Unterkunft” trifft wohl am besten zu. Reisende, die ein 5 Sterne All-Inclusive Haus aus ihrem letzten Golfurlaub im Kopf haben, sollten ihre Erwartungen etwas zurückschrauben. Aber da ist ja sonst auch nichts in der Nähe. Und wenn Frode Hov wieder etwas Geld hat, möchte er ja noch ein “richtiges” Hotel bauen. Für Reisende mit einem Wohnmobil gibt es übrigens nebenan einen Campingplatz, der natürlich auch der Familie Hov gehört.
Ich bin da nicht so gnädig wie Du. Ich habe kein Problem mit einfachen Unterkünften, aber wenn man ankommt und alles irgendwie schmuddelig aussieht, die Heizung im Badezimmer auf Hochtouren läuft weil sie defekt ist, die Möbel durchgesessen sind und die technischen Gerätschaften vom ersten Mondflug zu stammen scheinen, muss man schon fragen, ob das nicht auch wenigstens auf Normalniveau anzuheben ist. Es gibt tatsächlich ein paar Häuser in Hovsund oder Gimsoystrand, die man per Airbnb mieten kann. Oder man nimmt sich gleich ein Zimmer im beschaulichen Henningsvaer und nimmt die 30-45 Minuten Autofahrt auf sich. Damit ist man sicherlich besser bedient, zumal es da auch gute Restaurants gibt und sich beim Essen im Lofoten Golf Links selbst Pub Food beleidigt fühlt, wenn man es damit vergleicht. Also mein Tipp wäre: irgendwo anders einmieten und auf Greenfee spielen, statt Pakete zu buchen. Wie findest Du übrigens den Slogan, den sich der Lofoten Golf Links selbst gesetzt hat? “Challenge Accepted…”
Ich kann mit solchen Marketing Slogans nicht viel anfangen. Und welche Challenge meinen die überhaupt? Herausfordernde Golfplätze gibt es auch überall woanders. Die größte Challenge war für mich, dass es dort oben in Nordnorwegen nie dunkel wurde, wenn man Schlaf brauchte.
Ich bin auch kein Freund des Slogans. Dabei hätte es doch einen gegeben, der sowohl die nächtliche Herausforderung betont als auch mit einem Augenzwinkern die besondere Schwierigkeit des Platzes. Frei nach Olli Kahn: „Have you got the balls?“.
Gespielt am: 30.6.2016 / 1.7.2016