Seit Anfang des Jahres 2012 habe ich mit der Alternativen Golf-Rangliste einen Gegenentwurf zur offiziellen Weltrangliste entwickelt, der geschenkte Punkte herausfiltert, Matchplay realistischer bewertet und den Bewertungszeitraum von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert. Ein Rückblick auf das erste Jahr zeigt, dass das System seine erste Bewährungsprobe bestanden hat.
Der beste Beleg dafür ist der Blick auf die Weltranglistenersten. Man könnte meinen, dass ein kürzerer Berechnungszeitraum anfälliger für Veränderungen ist, aber das Gegenteil war der Fall. Am 7. Februar übernahm Rory McIlroy die Führung in der AlGoRa, Anfang Juli setzte sich Tiger Woods nach seinem zweiten Sieg in vier Wochen für eineinhalb Monate an die Spitze, bevor Rory McIlroy Mitte August die Führung bis zum Ende übernahm. Das war auch in der offiziellen Weltrangliste der Fall, doch davor gab es sechs (!) weitere Führungswechsel zwischen McIlroy und Luke Donald, der in der AlGoRa keine Rolle mehr im Kampf um die Spitze spielte und bereits im Februar statt im März seine Führung abtreten musste. Es ist schwer ein Argument für Luke Donald als weltbester Spieler im Jahr 2012 zu finden. Ja, er hat wie Tiger Woods drei Turniere gewonnen. Aber während Woods drei fair bewertete Turniere gewann, siegt Donald bei einem traditionell zu hoch eingeschätzten Turnier in Japan und beim Flagship-Event der European Tour, das ihm 64 Punkte brachte obwohl das Feld eigentlich nur gut genug für 52 Punkte war. Diese Überbewertung erklärt auch warum Donald im OWGR so lange an der Spitze rumwuselte.
Ein anderes Erfolgs-Beispiel ist die Frühprognose. Anfang des vergangenen Jahres war laut AlGoRa Gonzalo Fernandez-Castano einer der unterschätztesten Spieler in der offiziellen Weltrangliste. Nun, Ende 2012, ist Gonzo im OWGR auf Platz 33 in etwa da wo die AlGoRa ihn ein halbes Jahr vorher gelistet hatte – und ironischerweise mittlerweile einer der überschätztesten Spieler. Versuchen wir also einmal anhand eines Vergleichs der Durchschnittspunkte von AlGoRa und OWGR (im Folgenden Faktor genannt) die Spieler herauszufiltern, die 2013 das größte Potenzial haben sich in der Weltrangliste zu verbessern oder das größte Risiko haben, nach hinten durchgereicht zu werden. Und nein, liebe Kaymer-Fans. Dies ist keine Prognose, dass Martin Kaymer 2013 abstürzt. Es heißt lediglich, dass Kaymer und die 12 genannten Kollegen deutlich mehr leisten müssen als der Rest um sich auf ihrer Position zu halten oder weiter nach vorne zu spielen, während die unterbewerteten Spieler eine ideale Ausgangslage haben um sich abzusetzen.
13 von der Weltrangliste UNTERbewertete Spieler
#12 Ian Poulter: (Faktor 1,35)
Obwohl seine phänomenale Leistung beim Ryder Cup nocht nicht einmal einen Einfluss hat, ist Ian Poulter aktuell der unterschätzteste Spieler der Weltrangliste. In den letzten 20 Wochen hat der Engländer so viele Punkte gesammelt wie im gesamten Jahr 2011. Alleine das ist schon ein Zeichen dafür, in welche Richtung es für Poulter 2013 gehen könnte: die schwachen Ergebnisse fallen raus, die guten bleiben ihm das ganze Jahr.
#91 Tim Clark: (Faktor 1,35)
Der Südafrikaner leidet in der Weltrangliste unter seinem von Verletzungen geplagten 2011. Nur vier Ergebnisse hat er aus dem Jahr in der Wertung. Das bedeutet er hat 15 Freeshots bei denen er 2013 Punkte sammeln kann ohne dass sich sein Divisor erhöht. Denn rein nach Leistung ist Clark schon wieder Top 50.
#94 Ross Fisher: (Faktor 1,3)
Ross Fisher hat 2012 seine Auftritte zurückgeschraubt. Brachte er 2011 noch 27 Turniere ein, waren es 2012 nur 20. Entsprechend werden viele Turniere 2013 aus der Wertung fallen, was für ihn zum Vorteil wird. Und dabei ist noch nicht einmal dem Umstand Rechnung getragen, dass er höherwertige Turniere bestreiten wird, da er sich die Karte für die PGA Tour sicherte.
#40 Ryan Moore: (Faktor 1,29)
Moore beendete das Jahr mit vier Top-Ten-Platzierungen in Folge, darunter ein Sieg bei der Shriners Hospitals for Children Open. Entsprechend hat er Rückenwind für das Jahr 2013, da diese Ergebnisse noch lange in der Wertung bleiben.
#74 Jonas Blixt: (Faktor 1,23)
Wie Moore siegte auch Blixt in den letzten Wochen des Jahres. Hinzu kommt, dass er das Jahr 2011 auf der Nationwide Tour verbrachte wo er gesamt weniger Punkte sammeln konnte als in den letzten zehn Wochen 2012, was ihm ein gutes Fundament für die kommende Saison beschert.
#10 Brandt Snedeker: (Faktor 1,22)
Ein herausragendes Jahr 2012 und dabei die besten Ergebnisse zum Saisonende, das sind die besten Voraussetzungen dafür, dass der beste Putter der PGA Tour sich endgültig unter den Top 10 der Welt festsetzt.
#24 Ernie Els: (Faktor 1,20)
Vermutlich wird der Südafrikaner nicht noch mal viel weiter nach vorne kommen, da es fraglich ist, ob er in seinem Alter auch nur annähernd noch mal eine Leistung wie 2012 hinlegen kann. Tatsache ist aber auch, dass alleine sein Open-Sieg doppelt so viele Punkte wert war wie sein gesamtes Jahr 2011, und mit der HSBC Champions brachte er sogar noch mal ein gutes, spätes Ergebnis ins Ziel. Els muss also nicht immens viele Punkte sammeln um sich vorne zu halten.
#27 Jim Furyk: (Faktor 1,20)
Für Furyk war 2012 wohl das bitterste Jahr seiner Karriere. Er verspielte den Ryder Cup und warf ein Major und eine World Golf Championship auf der Zielgeraden weg. Fakt ist aber auch, dass er überhaupt in der Situation war zu gewinnen – etwas was ihm 2011 verwehrt war als er kein einziges Top-5-Ergebnis erzielte. Entsprechend kann Furyk mit einem normalen 2013 einen großen Satz nach vorne machen.
#1 Rory McIlroy: (Faktor 1,19)
Schon ironisch, dass der Weltranglistenerste noch einer der unterbewertetsten Spieler ist. Aber das zeigt nur, wie herausragend das Jahr 2012 von Rory McIlroy war – und belegt wie schwierig es für die Spieler dahinter sein wird, ihn zu entthronen.
#41 Scott Piercy: (Faktor 1,19)
Gerade mal 19 Turniere brachte Piercy im letzten Jahr in die Weltrangliste ein – eins weniger als der Minimaldivisor und sechs weniger als 2011. Deswegen hat er auch trotz weniger gesammelter Punkte als 2011 gutes Verbesserungspotenzial in der kommenden Saison.
#39 Robert Garrigus: (Faktor 1,16)
Auch Garrigus gehört zu den Spielern, die spät in der Saison punkteten. Dazu kommt, dass er ein ganz schwaches Jahr 2011 hatte: Bei 16 der 24 Turniere, die bei ihm 2013 aus der Wertung fallen, schnitt er ohne einen einzigen Weltranglistenpunkt ab – eine gute Grundlage um sich wieder nach vorne zu arbeiten.
#4 Justin Rose: (Faktor 1,15)
Rose hat die Zahl der Top-5-Ergebnisse im Jahr 2012 mit sieben gegenüber 2011 mehr als verdoppelt, darunter ein Major, zwei WGCs, das Flagship-Event der European Tour und zwei zweite Plätze bei den Finalevents beider großer Touren: effektiver kann man seine gute Form kaum platzieren. Entsprechend gut ist das Polster, das Rose ins Jahr 2013 einbringt – und entsprechend groß seine Chance, sich zumindest als bester Golfer, der nicht McIlroy heißt, zu etablieren.
#19 Peter Hanson: (Faktor 1,11)
Nur zwei Cuts hat der Schwede 2012 verpasst, 2011 waren es noch sieben. Und auch in punkto Siege behielt 2012 mit 2:0 locker die Oberhand. Beide Triumphe kamen auch noch im letzten Drittel der Saison, sind also für das Jahr 2013 noch besonders viel wert. Für Hanson sind die Top 10 also keine komplette Illusion.
13 von der Weltrangliste ÜBERbewertete Spieler
#90 Alvaro Quiros: (Faktor 0,12)
Abgesehen vom lange verletzten Paul Casey spielte unter den Top 140 der Welt kein Spieler weniger Punkte 2012 ein als Alvaro Quiros. Dass er sich dennoch unter den Top 100 hielt, zeigt wie lange er noch von seinen guten Vorjahren profitieren konnte. Diesen Luxus wird er 2013 nicht haben. Sollte sich Quiros, der elf Cuts verpasste, nicht deutlich steigern, fällt er nicht nur aus den ersten 100 sondern auch aus den ersten 200 und 300 heraus.
#109 Johnson Wagner: (Faktor 0,18)
Zwei gute Wochen Anfang 2012 sind der einzige Grund, dass sich Wagner noch auf Platz 109 hält. Sein Sieg bei der Sony Open und der zweite Platz bei der Humana Challenge waren so viel wert wie die anderen 50 Turniere zusammen (!) Und je weniger diese beiden Ausreißer wert sind, um so mehr fällt Wagner in die Bedeutungslosigkeit zurück.
#104 Robert Rock: (Faktor 0,24)
Anfang 2012 schien es als sollte Rock der Superstar werden. Als er im direkten Duell bei der Abu Dhabi Championship Tiger Woods niederrang, war er plötzlich sogar in den USA eine große Nummer. Danach kam allerdings nicht mehr viel. In der zweiten Jahreshälfte kam er gerade mal noch auf fünf Weltranglistenpunkte, ein Warnsignal für einen bevorstehenden Absturz in 2013.
#81 Ben Crane: (Faktor 0,41)
Zwei gute Ergebnisse Ende 2011 und Anfang 2012 sind der Grund dafür, dass sich Crane noch in den Top 100 hält. Wenn er sich nicht fängt, wird es rapide bergab gehen.
#63 Simon Dyson: (Faktor 0,42)
Aktuell wäre Simon Dyson noch für das Accenture Match Play qualifiziert, aber es fällt schwer zu glauben, dass er sich hält. Wie Ishikawa nutzt Dyson aus, dass er den Maximal-Divisor überschreitet. Dadurch fallen aber seine zwei großen Erfolge aus 2011 verhältnismäßig früh aus der Wertung, was einen starken Punkteverlust für Dyson bedeutet, der 2012 gerade einmal ein echtes Top-10-Ergebnis hatte.
#37 Jason Day: (Faktor 0,47)
Hätte Day nicht so ein außergewöhnlich gutes Jahr 2011 gehabt, man müsste lange blättern um ihn in der Weltrangliste zu finden. Stattdessen ist er immer noch in den Top 40. Eine Verletzung warf den Australier 2012 aus der Bahn, der so lediglich auf 20 Starts kam. Seit seinem Rückzug beim Masters gab es für Day kein einziges Mal Ergebnisse mit zweistelligen Weltranglistenpunkten. Wenn also seine beiden zweiten Major-Plätze aus der Wertung fallen und er bis dahin noch nicht zu seiner alten Form zurückfindet, kann er den Top 50 Lebewohl sagen.
#48 K.J. Choi: (Faktor 0,48)
Hätte Choi nicht sein eigenes Turnier auf der Asia Tour zum Abschluss seiner Saison gewonnen, wäre er nicht mehr in den Top 50. Ein Turnier, das – wie eigentlich alle in Asien – schwach besetzt und viel zu gut bewertet war. Davon abgesehen hat Choi in den letzten 52 Wochen gerade mal ein echtes Top-10-Ergebnis eingefahren.
#45 Thomas Björn: (Faktor 0,50)
Der große alte Däne wird immer noch von seinem außergewöhnlichen Jahr 2011 in den Top 50 gehalten, wo er gleich drei Mal siegreich war. 2012 konnte er mit 82 Punkten jedoch nicht mal mehr die Hälfte der 2011er Punkte einspielen. Entsprechend groß ist das Risiko eines Absturzes in 2013.
#28 Martin Kaymer: (Faktor 0,52)
Spät in der Saison zu punkten ist eigentlich ein Vorteil. Genau das hat Martin Kaymer getan. Dass er dennoch auf dieser Liste auftaucht, zeigt nur umso deutlicher wie schwach sein Jahr 2012 war. 2011 hatte Kaymer noch bei sieben Turnieren zweistellige Weltranglistenpunkte, 2012 bei zweien – einem Witzturnier (die Nedbank Challenge) und ein um fast 100% zu hoch bewertetes Turnier (die South African Open). Da beides Ende der Saison passierte, steht ihm in der Weltrangliste für 2013 anfangs kaum etwas zu befürchten. Gut aus deutscher Sicht, dass die hohen Herren der OWGR solche Schlupflöcher lassen – ansonsten müsste Kaymer 2013 um die Top 50 der Welt kämpfen.
#75 Ryo Ishikawa: (Faktor 0,55)
Dass der Japaner sich immer noch unter den Top 100 der Welt hält, hat zwei Gründe: Da wäre zum Einen sein unermüdlicher Einsatz. Ishikawa spielt soviel, dass alle Turniere vor September (!) 2011 überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden, da er den Maximaldivisor überschreitet. Sage und schreibe 39 Turniere hat er 2012 eingebracht – da kommen manche nicht mal in zwei Jahren hin. Resultat ist, dass alle seine Ergebnisse noch sehr hohes Gewicht haben. Kombiniert man dies damit, dass er auf der Japan Tour ständig in hemmungslos überbewerteten Turnieren spielt, hat Ishikawa das perfekte Rezept gefunden um die Schwäche der OWGR auszunutzen. 2013 wird er aber als vollwertiges Mitglied der PGA Tour antreten, wo er bisher nur bei zweitklassigen Turnieren ab und an gut aussah, ansonsten aber meist am Wochenende frei hatte oder jenseits von Platz 40 landete.
#64 Greg Chalmers: (Faktor 0,66)
Der Australier lebt noch immer von seinem Doppelschlag in der Heimat als er die Australian Open und die Australian PGA Championship gewann, die dank des Presidents Cups mit zahlreichen US-Stars gespickt war. Hinzu kommt, dass er seine maximalen Starts mehr als ausgereizt hat (alleine 2012 hatte er 30 Turniere auf dem Plan) und so eine höhere Gewichtung pro Start einbringen kann. Umso mehr wird es einschlagen wenn in 20 Starts diese beiden Siege aus der Wertung fallen.
#58 Rafael Cabrera-Bello: (Faktor 0,66)
Das Glück des Spaniers ist, dass bei ihm 2013 erst einmal nur Katastrophen-Starts aus der Wertung fallen: Bei 13 seiner 18 zunächst fälligen Starts fuhr er keine Weltranglistenpunkte ein. Allerdings sah es bei Cabrera-Bello in der zweiten Jahreshälfte 2012 nicht viel besser aus. Seine gute Zeit lag Ende 2011 und Anfang 2012 und je geringer deren Gewichtung wird, umso tiefer wird es mit den Spanier gehen, solange er nicht wieder gute Ergebnisse einfährt.
#26 Hunter Mahan: (Faktor 0,67)
Mahans größter Erfolg war das Accenture Match Play bei dem er vor dem Finale gegen McIlroy fast nur schwache Gegner wie Y.E. Yang oder Mark Wilson hatte. Entsprechend geringer war die Wertigkeit dieses Sieges auch in der AlGoRa. Mahan legte kurz darauf einen zweiten Sieg bei der Houston Open nach, danach stürzte er aber ab. So weit, dass er sogar den Sprung ins US-Ryder-Cup-Team verpasste. Statt eine Trotzreaktion zu zeigen ging es danach noch weiter bergab, so dass Mahans gute Weltranglistenposition auf wackligen Beinen steht.