Christina Kim: Swinging from My Heels

Christina Kim ist einer der kontroversesten Stars der LPGA Tour. Mit ihrer direkten, ungefilterten Art hat die Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln schon für so manchen „Skandal“ gesorgt, sei es weil sie politisch inkorrekte Schimpfwörter in laufende Kameras sagt, mit eigenwilligen Outfits rebelliert und gerne jede Party mitnimmt. Der weibliche John Daly ist sie vielleicht nicht ganz, aber es geht in die Richtung. Und wie Big John, hat sich sich jetzt unter die Buchautoren gegeben. Gemeinsam mit Sports-Illustrated-Autor Alan Shipnuck will sie in Swinging from My Heels dem Leser einen Blick hinter die Kulissen der LPGA Tour gewähren.

Wer sich großartige Enthüllungsgeschichten erhofft, welche Spielerinnen nicht nur auf dem Golfplatz Partner sind (schließlich kämpft die Tour seit jeher gegen das Vorurteil LPGA würde für Lesbian Professional Golfers Association stehen), kann das Buch getrost im Laden stehen lassen. Was Kim dagegen bietet ist ein sehr persönlicher Einblick in ihr Leben, eingebettet in den Kontext einer Saison auf der Tour. Der Zeitpunkt war gut gewählt, schließlich brachte das Jahr 2009 dort tiefgehende Einschnitte. Die Wirtschaftskrise drohte zeitweise die ganze Tour zu zerstören, an der Spitze gab es nach einer Spieler-Rebellion einen Führungswechsel und Kim selber versuchte sich an ihrem ganz persönlichen Ziel der Gewichtsreduktion (anders als Daly allerdings nicht durch OP sondern auf die altmodische, schweißintensive Art).

Das Buch beginnt mit dem ersten Turnier des Jahres – und Christinas Trennung von ihrem ersten langjährigen Freund. Oder anders gesagt: das Buch beginnt mit Tränen, Tränen und Tränen. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und auf die Dauer ein wenig nervt. Egal, ob es Probleme mit Jungs sind, Ärger über ihren Vater, Trauer über eine vergeigte Golfrunde oder der Anblick von kulturellen Meisterwerken: Christina Kim heult. Immerhin ist sie selbstironisch genug anzumerken, dass sie am Ende der Saison „Führende in der LPGA-Statistik für vergossene Tränen“ war. Dieser trockene Humor Kims gehört zu den Stärken des Buchs und sorgt immer wieder für erfrischende Momente. Beispielsweise wenn sie bedauert, dass notgeile PGA-Tour-Player immer schicke Mädels am Fairwayrand aufgabeln können, während sie nur die Wahl zwischen Senioren, pickligen Teenagers oder Natalie-Gulbis-Jüngern hat oder vor der Runde ihren Caddie warnt, dass sie heute etwa zickig sein könnte, weil sich mit ihrem Vater gezofft und ihre Tage hat – und dann unvermittelt anfügt „Ich wette diesen Satz hat er von seinem letzten Spieler Dean Wilson noch nie gehört“.

Was das Buch ein wenig hemmt, ist ihr Wille es allen Recht zu machen. In der Angst jemandem auf die Füße treten zu können, sind alle Kolleginnen, die sie namentlich erwähnt, das netteste Geschöpf auf Erden und unglaublich talentierte Spielerinnen. Wenn sie mit jemandem Probleme hat, verzichtet sie in der Regel darauf einen Namen zu nennen. Nur ein Mal macht sie eine Ausnahme, wenn sie sich über das langsame Spiel von Sandra Gal echauffiert. Was ist es nur mit uns Deutschen, dass wir überall (meist leider zu Recht) als Schnecken gelten?

Doch abgesehen von Klatsch, Tratsch und der Zusammenfassung ihrer Saison 2009, übrigens die schwächste seit ihrem Debüt 2003, gibt es auch für den allgemeinen Golf-Fan einige faszinierende Einblicke in das Leben als Golfprofessional. Wann immer die 26-Jährige die Logistik ihres Berufs thematisierte, war ich gefesselt und fasziniert zugleich. So spricht sie beispielsweise die laufenden Kosten aus Flug und Unterkunft an, die bei ihr durchschnittlich 160.000 US-Dollar im Jahr plus 130.000 Dollar für die Ausgaben ihres Caddies ausmachen. Wenn man bedenkt, dass sie 2009 gerade Mal 344.000 Dollar mit Preisgeldern verdiente – und das als Nr. 38 der Geldrangliste – sieht das Leben eines Professionals gar nicht mehr so glamourös und komfortabel aus. Auch die Verdienststruktur der Caddies spricht sie an, dort ist der gewöhnliche Satz 1000 Dollar festes Gehalt pro Woche plus einer gestaffelten Erfolgsprämie: 10% der Börse bei einem Sieg, 8% bei einem Ergebnis in den Top 10 und 6% für alles darunter. Und natürlich muss das Ganze noch versteuert werden. Das Spannende daran ist, dass sie aufgrund der unterschiedlichen Steuersysteme in den US-Bundesstaaten verpflichtet ist, in jedem Staat, in dem sie ein Turnier spielt, eine eigene Einkommenssteuererklärung abzugeben. Solche Kleinigkeiten sind es, die das Buch lesenswert machen und die vielleicht etwas zu vielen östrogenen Elemente wieder ausgleichen.

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