Chicago ist ein Mekka des amerikanischen Golfsports. Mit dem Chicago Golf Club (#14), Medinah (#39), Butler National (#46), Olympia Fields (#66), Rich Harvest Farms (#81) und Shoreacres (#99) befinden sich gleich sechs der besten 100 US-Plätze von Golf Digest im Stadtgebiet der Windy City. Sie alle haben eines gemeinsam: Normalsterbliche wie wir werden sie niemals spielen können. Ein Umstand, der schon vor 60 Jahren Joe Jemsek ein Dorn im Auge war.
Der Sohn ukrainischer Einwanderer arbeitete seit seinem sechsten Jahr als Caddie und fand 1928, mit 15 Jahren, eine Anstellung in dem von den Coghill-Brüdern John, Martin und Bert gegründeten Cog Hill Golf Club. 23 Jahre später gehörte Jemsek durch seine Ehe mit der Tochter eines Golfplatzbesitzers zur Golf-Elite und erhielt ein verlockendes Angebot. Nach dem Tod zweier Coghill-Brüder bot man ihm den Club für 400.000 Dollar zum Kauf an – unter der Prämisse den Namen Cog Hill beizubehalten. Jemsek willigte ein und schwor sich, aus Cog Hill einen Club zu machen, der die gleichen Qualitätsstandards wie die elitären Privatclubs hält, aber für alle zugänglich bleibt.
Mit diesem Ziel im Hinterkopf heuerte Jemsek 1963 den Architekten Dick Wilson an, zwei weitere Plätze zu bauen. Nummer 4, aufgrund seines Anspruchs Dubsdread genannt, sollte das Kronjuwel werden. Und tatsächlich: Weil Butler National weiter Frauen verbannte, zog die PGA Tour mit der prestigeträchtigen Western Open nach Cog Hill. Von 1991 bis 2011 (die letzten vier Jahre als BMW Championship) traten die Besten der Besten hier an. Tiger Woods gewann fünf Mal, und auch Dustin Johnson, Jim Furyk und Justin Rose trugen sich in die Siegerlisten ein.
Im Clubhaus erinnert wenig an diese stargespickte Vergangenheit. Stattdessen steht das Signet des Clubs im Fokus. Zurecht, denn das sehr traditionell gehaltene Logo von Cog Hill ist so gelungen, dass ich kurzerhand den Schlussverkauf im Pro-Shop ausnutzte, mein altes Golfbag in den Müll schmiss und mir ein neues mit Logo-Bestickung zulegte. Direkt nach dem Impuls-Kauf begann das Grübeln. Was wenn der Platz gar nichts taugt? Doch bereits vom ersten Loch an wurde klar, dass das Bag kein Fehlkauf war.
Das Auftaktloch ist ein Par 4, in dessen leichtem Dogleg nach links eine Konstellation an tiefen, elegant aussehenden Bunkern liegt, die das Markenzeichen des Platzes sind. Auch wenn der Pflegezustand so exzellent ist, dass sich sowohl aus den Fairway- als auch den Grünbunkern gut herausspielen lässt, ist vom ersten Moment klar, dass man um sie einen großen Bogen machen sollte. Die Bunker und die – größtenteils erhöhten – Grüns existieren in dieser Form erst seit 2009. Damals heuerte der Club US-Open-Doktor Rees Jones an, um den Platz für die Profis schwieriger zu machen. Der Schuss ging nach hinten los: die Profis verrissen das Redesign und Cog Hill scheiterte nicht nur mit dem Versuch eine U.S. Open zu landen, man verlor auch noch die BMW Championship.
Für jemanden, der den Platz im alten Zustand nicht kennt, ist es schwierig, ein Urteil über die Renovierung zu fällen. Cog Hill #4 ist auf jeden Fall ein extrem harter Test. Von den Backtees misst der Platz heute 6907 Meter. Selbst von den blauen Tees, dem dritten Satz, ist Cog Hill #4 mit 6172 Meter noch länger als die meisten Plätze, die man in Deutschland spielt. Allerdings gibt es eine clevere Alternative, der man in Illinois und Wisconsin vielerorts begegnet: Combo Tees. Je nach Loch ist entweder blau oder weiß markiert für Spieler, denen blau noch zu lang ist, die aber an einigen Löchern von weiß unterfordert sein könnten. Resultat ist ein vernünftig spielbares Par 72 mit exakt 6000 Metern Länge.
Die Front 9 haben einen guten Flow, aber wenige herausragende Löcher. Eines der besseren Löcher ist die 464 (Backtees) bzw. 438 Meter (Combotees) lange 5. Auf der Scorekarte ist sie als Par 4 / Par 5 angegeben, wobei ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, welcher Par-Wert für welchen Abschlag gilt. Als Par 4 ist das Loch ein echter Brecher und für Amateure unerreichbar. Als Par 5 wäre es hingegen ein gutes Loch. Ultralange Hitter können mit dem zweiten angreifen, müssen dabei aber den Grünbunker aus dem Spiel nehmen. Für alle anderen würde es mit einem guten Wedge ins Grün zu den wenigen Birdiechancen gehören.
Das zweite Highlight der Front 9 ist die Bahn 7. Das 394/352 Meter lange Par 4 hat im Dogleg nach rechts einen prominenten Teich, der den Drive für jeden, der den kürzesten Weg zum Grün sucht, zur Herausforderung macht. Der Teich ist eine Zugabe von Rees Jones, vor dessen Renovierung das Dogleg voller Büsche war. Nach allem was man so hört, hat zumindest dieses Loch optisch und von der Spielbarkeit gewonnen. Nicht, dass es dadurch leicht ist. Ein leichtes Loch gibt es hier nicht. Allerdings ist es nicht mal annähernd so schwer, wie die brutale 9. Das 560/503 Meter lange Par 5 ist ein echter Killer. Der Drive wird durch eine enge Schneise zur Präzisionsarbeit und dann braucht es noch zwei weitere exzellente Hiebe, um das gut verteidigte Grün zu erreichen. Ein Bogey ist hier schon ein Erfolg.
Die Back 9 eröffnen mit der größten Birdiechance des Platzes. Das 350/323 Meter kurze Par 4 macht kurz vor dem Grün einen Knick nach links. Zwar wird der direkte Angriff aufs Grün durch einige Bäume verhindert. Aber selbst diese sind so licht gepflanzt, dass man selbst von dort mit einem Wedge noch das Grün erreichen kann, wenn man nicht gerade hinter einem Stamm liegt. Die Stärke des Platzes liegt, wie es sich für einen Turnierplatz gehört, allerdings in seinem Finish. Da die letzten Löcher in TV-Übertragungen im Fokus liegen, lockt man mit ihnen besonders zahlende Gäste an.
Der Spaß beginnt an der 13. Das 439/339 Meter lange Par 4 hat vor seinem Grün eine Senke mit Graben und rechts eine Ausgrenze. Das anschließende Par 3, dessen Abschlag neben einem Bauernhaus liegt und ebenfalls die Senke überspielt, ist das beste der Anlage. 197/159 Meter lang, beeindruckt eine enorme Bunkerlandschaft rund um das spektakulär ondulierte Grün. Das Signature Hole ist schließlich die 16. Das 417/348 Meter lange Dogleg nach links setzt mit seinem erhöhten Abschlag einen optischen Reiz. Der Schlag ins Grün erfolgt aus einer Schräglage, weil das Fairway von rechts nach links stark abfällt. Zwar gehört das Grün zu den wenigen Löcher mit Roll-On-Option, dennoch braucht es zwei präzise Schläge, um hier mit einem Par vom Grün zu gehen. Eine Aufgabe, die auf den letzten beiden Löchern noch schwieriger ist.
Alles in allem könnte der Look der Löcher vielleicht etwas abwechslungsreicher sein. Wer vom einem Golfplatz in allen Facetten seines Spiels getestet werden will, kommt mit Cog Hill #4 jedoch voll auf die Kosten. Die sind mit 155 Dollar nicht gerade bescheiden, dafür ist der Platz allerdings auch immer in einem exzellenten Zustand.
Gespielt am: 25.9.2016