Das wahre Problem der PGA Tour

Die PGA Tour hat ein Problem. Wenn es nach dem Willen der englischen, deutschen und resteuropäischen Golfpresse geht, lässt es sich in zwei Worten zusammenfassen: European Tour. Weil mit Lee Westwood, Martin Kaymer und Rory McIlroy drei der elf besten Spieler der Welt dem amerikanischen Golfzirkus eine Absage erteilt haben, bekommt PGA-Tour-Chef Tim Finchem die Götterdämmerung zu spüren. Eine Aussage, die jeglicher Grundlage entbehrt. Sowenig wie Finchem über die Zusage von Robert Karlsson, Graeme McDowell und Louis Oosthuizen in Jubel ausbricht, sowenig kümmert ihn die Europa-Affinität der drei anderen.
Denn weder wird ein Graeme McDowell sein gesamtes Jahr in den USA verbringen, noch wird ein Martin Kaymer keinen Fuß in die neue Welt setzen. Der Unterschied im Turnierkalender wird vermutlich in 3-5 Starts liegen. Kaymer und Westwood spielen mindestens 11 mal in den USA während McDowell nicht viel mehr als die Mindestanforderung von 15 Starts plant. In erster Linie werden wohl die Playoffs um den FedEx-Cup die Differenz ausmachen. Das Ganze ist ohnehin keine neue Entwicklung. Bereits Severiano Ballesteros und Colin Montgomerie zeigten, als sie zu den besten Spielern der Welt gehörten, den USA die kalte Schulter. Gestört hat es die PGA Tour nicht – und das obwohl Seve und Monty bei weitem weniger Starts in den USA hatten als die aktuelle Generation europäischer Spitzengolfer.
Vor allem aber ist es für den Erfolg der PGA Tour vollkommen unerheblich ob Lee Westwood oder Martin Kaymer in den Startlisten stehen. Denn was viele Kommentatoren vergessen, ist, dass die PGA Tour kein lustiger Hobbyverein ist, dem es darum geht, die sportlich besten Starterfelder auf die Beine zu stellen. Die PGA Tour ist in erster Linie ein knallhartes Wirtschaftsunternehmen. Und aus diesem Grund gibt es nur zwei Dinge, die Tim Finchem interessieren: das Generieren von Sponsoren und deren Zufriedenheit sowie der Abschluss von möglichst lukrativen TV-Verträgen. Und deren Höhe hängt nicht etwa von den zehn besten Golfern Europas ab, sondern nur von zwei Spielern: Phil Mickelson und vor allem Tiger Woods.
Um das zu illustrieren, schauen wir uns einmal die von Sports Media Watch ermittelten Einschaltquoten der Turniere seit 2008 an. Grundlage dabei sind die Einschaltquoten am Finaltag der Turniere. Die angegebenen Zahlen sind die in den USA üblichen Rating-Punkte, die derzeit pro Punkt in etwa 1,16 Millionen Haushalten entsprechen. Für die Zusammenfassung am Ende habe ich daraus vier Durchschnittswerte ermittelt:

  • sämtliche Turniere
  • Turniere in denen Tiger am Sonntag gespielt hat
  • Turniere in denen er “in contention” war und in den Top 20 landete
  • Nicht-Major-Turniere ohne Tiger

Turnier Quote
2008
Quote
2009
Quote
2010
Farmers Insurance Open 4.6 2.1 2.2
Northern Trust Open 2.7 3.5 1.7
AT&T Pebble Beach 3.0 Rainout 1.6
Accenture Match Play 3.5 2.0 2.1
Honda Classic 2.5 1.8 1.6
CA Championship 3.4 3.3 1.9
Transitions Championship 1.9 1.9 1.7
Arnold Palmer Invitational 4.2 4.9 1.5
Shell Houston Open 1.9 2.7 2.0
Masters 8.6 8.3 10.7
Verizon Heritage 1.6 1.7 1.9
Zurich Classic 1.6 1.5 1.3
Quail Hollow Championship 1.6 3.7 2.2
The Players Championship 3.1 3.6 3.0
Valero Texas Open N/A 1.7 1.3
Byron Nelson Championship 1.8 1.2 1.5
Crowne Plaza Invitational 1.7 1.5 0.9
The Memorial 1.6 3.2 2.8
St. Jude Classic 1.9 1.8 1.7
U.S. Open 7.5 4.7 5.8
Travelers Championship 1.7 1.7 1.8
AT&T National 1.5 4.2 1.8
John Deere Classic 1.7 1.6 1.2
Open Championship 3.3 3.8 2.1
Canadian Open 1.7 1.4 1.2
The Greenbrier / Buick Open 1.3 3.7 1.2
Bridgestone Invitational 2.1 4.3 2.1
PGA Championship 2.8 6.6 4.3
Wyndham Championship 0.9 1.6 1.4
The Barclays 1.7 3.2 2.1
Deutsche Bank Championship 1.5 2.4 2.1
BMW Championship 1.2 2.3 1.3
Tour Championship 1.6 3.0 1.0
Durchschnitt 2.55 2.97 2.21
Schnitt Tiger-Events 5.44 4.09 3.51
Tiger in Contention 5.44 4.09 4.13
Non-Majors ohne Tiger 1.93 1.99 1.93

Das interessante Ergebnis dabei: 2010 hatte zwar die mit Abstand schlechtesten Quoten der letzten drei Jahre, sie lagen aber weder daran, dass das Interesse an Golf generell nachgelassen hat (illustriert an den Non-Majors ohne Tiger) noch daran, dass Tiger Woods nach seinem Skandal zur Persona Non Grata geworden wäre. Der größte Quoteneinbruch kam bei Turnieren an denen er teilgenommen hat, aber unter ferner liefen landete. Solange er vorne dabei war, lagen die Einschaltquoten im Rahmen des Vorjahres (der Wert von 2008 ist etwas inflationär, weil Woods fast nur große Turniere gespielt hat).
Das Problem: Im nächsten Jahr stehen nämlich die Verhandlungen über die Fernsehrechte ab der Saison 2013 an. Unglücklicherweise sind die Rechte an den vier Majors von diesem Paket ausgenommen und die Verhandlungsbasis der PGA Tour ist dementsprechend schlecht. Zwar ist die Basis an Golf-Fans nicht geschrumpft, aber die Bonus-Zuschauer, die der Grund für die exzellent dotierten TV-Verträge der Vergangenheit waren, kommen nur wenn Tiger Woods eine Chance auf den Sieg hat. Neben dem golfhistorischen Aspekt dürfte dabei sicherlich auch die Hautfarbe von Woods eine Rolle spielen. Wer einen Haufen Weißer um einen Pokal kämpfen sehen will, kann auch gleich zum Eishockey schalten. Es ist dieser Crossover-Appeal, der Woods so wertvoll macht und den Videospiel-Titel “Tiger Woods’ PGA Tour” eine pointierte Bedeutung verleiht.
Allerdings kommt der Woods-Faktor aufgrund seiner wenigen Auftritte zur selten zum Tragen. Gerade mal ein Dutzend Turniere spielt er abseits der Majors in den USA. Die größten Schmerzen wird Tim Finchem vermutlich verspüren, wenn er seine beiden Zugpferde Woods und Mickelson während des Desert-Swings der European Tour sieht – alles nur, weil es in den USA verboten ist, den Top-Stars Antrittgelder zu zahlen. Weil sich dieses Verbot so kurzfristig nicht aufheben lässt, bleibt Finchem – und sämtlichen US-Golfern – nur Daumendrücken. Denn wenn Woods 2011 nicht zu seiner Erfolgs-Form zurückfindet, wird dies deutliche finanzielle Einbußen bei den TV-Verhandlungen (und in der Folge bei den Preisgeldern) zur Folge haben – zumal dies aufgrund von Tigers Alter die letzten sein könnten, bei denen Finchem den Woods-Chip in die Mitte des Tisches werfen kann. Es wäre also nur fair, wenn Sean Foley seine Rechnung für die Trainerstunden direkt ins Hauptquartier der PGA Tour schicken würde.

  1. Zunächst freue ich mich, dass sich Martin Kaymer trotz amerikanischer Freundin und seinem tollen Wohnort in Scottsdale für die Europäische Tour entschieden hat. Die Reisewege auf der ET sind ja mit Südafrika, Indien und Dubai nicht gerade die kürzesten.
    Doch die Probleme der PGA sind hausgemacht – in Amerika kommen keine neuen, sprich jungen Golfer nach. Ich bin oft in den Staaten und auch schon vor der Wirtschaftskrise kriselten viele Golfclubs in den USA ob der fehlenden Neu-Mitglieder.
    Ganz offen bricht in den USA der Golfmarkt ein, eines der ersten Opfer war im Juli 2008 der seit 10 Jahren erfolgreiche Titel “Golf for Women” mit einer Auflage von 200.000 Exemplaren aus dem CondeNast-Verlag. Zeichen der Krise wirken sich als erstes bei den wirtschaftlich schwächeren Zielgruppen der Anzeigenkunden aus, zu denen Frauengolf nun mal zählt.
    Die amerikanischen Golfjournalistin Nancy Berkley führte anlässlich der LPGA Tour Championship in Orlando im Dezember 2010 ein Interview mit Michael Whan, dem [salopp übersetzten] Vorsitzenden (Commissioner of the LPGA), wie sich die LPGA für die Zukunft rüstet und was sie dem Mitgliederschwund in den USA entgegen setzt. Die Antworten darauf waren mehr als spärlich, eine Übersetzung des Interviews gibt es auf golfwomen.de

    1. Ich weiss jetzt nicht, was die sinkenden Mitgliederzahlen in den US-Golfclubs, die Einstellung einer Golfzeitschrift oder die LPGA mit den kommenden TV-Verhandlungen der PGA Tour zu tun hat – außer vielleicht um Werbung für einen Artikel zu machen (der auf Ihrer Webseite nicht mal abzurufen ist). Ein Nachwuchsproblem hat zumindest die PGA Tour nicht. Es gibt es viele Junge, die nachkommen: z.B, Rickie Fowler, Jamie Lovemark, Dustin Johnson, Anthony Kim. Aber es gibt natürlich niemanden, der eine ähnliche Dominanz ausüben kann wie Woods oder der das schwarze Publikum für Golf interessieren könnte.

  2. man sollte bei den hohen preisgelder der pgatour auch daran denken, dass mit diesen bei jedem turnier eine beachtliche summe in die jeweilige charity organisation der stadt fließt, allein daher sollte man dem mr. finchem “good luck” wünschen.
    n.s. es wärean der zeit , dass die et sich in dieser richtung auch mal bewegt!!

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