Gestern platzte die Bombe: Vijay Singh nutzt das größte Event der PGA Tour, die Players Championship, um Rache zu nehmen. Der Fidschianer kündigte über seine Anwälte an, die PGA Tour vor dem Obersten Gerichtshof der USA zu verklagen um seinen guten Namen wieder reinzuwaschen. Seit Singh in einem Interview die Einnahme von Deer Antler Spray und damit des verbotenen Wachstumfaktors IGF-1 gestand, hatte die PGA Tour über eine mögliche Sperre des einstigen Weltranglisten-Ersten diskutiert. Nun will Singh Schadensersatz für die “öffentliche Erniedrigung und Lächerlichkeit”, die ihm durch die PGA Tour entstanden. Ihm, der höchstselbst im selben Interview zugab, sich Pyramidenhologramme auf den Körper zu kleben und andere obskure Trainingsmethoden zu nutzen.
Die Klageschrift zeichnet dabei ein rosarotes Bild von Singh, “einem der am härtesten arbeitenden und besten Golfer seiner Generation” und dem “Golfer mit den meisten Siegen nach dem 40. Lebensjahr” – ein Rekord, den man in einer Klage im Zusammenhang mit Doping vielleicht nicht so herausheben sollte. Nicht der einzige Klopfer der Klageschrift, die behauptet die PGA Tour sei Veranstalter der PGA Championship (das ist die PGA of America) und hervorhebt, dass Singh jeden Dopingtest mit Bravour bestanden hat. Dabei ist IGF-1 nur in Bluttests nachweisbar, die im Golfsport nicht durchgeführt werden. Und abseits von Wettkämpfen wird ohnehin nicht kontrolliert wie die New York Times jüngst berichtete. Aber das Absurdeste ist, wie sich Singh darum sorgt, dass sein guter Ruf durch diesen Vorfall Schaden genommen haben könnte. Warum? Unternehmen wir doch einmal eine kleine Reise durch die Zeit.
Akt I: Der Zechpreller, 1982
Die erste Karrierestation des Mannes aus Fiji war Australien. Die Erfolge blieben aus, dennoch machte sich Singh einen Namen – als Zechpreller. Laut einem Bericht des Scotsman nahm sich Singh bei Offiziellen Kredite auf und ließ in Pro Shops hohe Telefonrechnungen auflaufen, die ebenfalls nicht abbezahlt wurden. Zudem legte er laut Ray Graham, Chef der South Pacific PGA, eine enorme Gleichgültigkeit gegenüber seinen Kreditoren an den Tag. Als Folge erhielt Singh Spielverbot auf der Australasian Tour bis er seine Schulden zurückzahlte – zehn Jahre später.
Akt II: Der Zahlendreher, 1985
Die Spielmöglichkeiten in Australien genommen, zog Singh weiter nach Asien. Tatsächlich fand er dort seinen ersten Erfolg als er 1984 die Malaysian PGA Championship gewann. Doch ein Jahr später kam es bei der Indonesian Open zu einem Zwischenfall, dessen Makel Singh bis heute nicht mehr los wird. In der zweiten Runde spielte Singh mit dem Kanadier Jim Rutledge und dem indonesischen Amateur Ruswin Ali als er in Gefahr geriet, den Cut zu verpassen. Als Singh seine Scorekarte abgab, lag er im Cut – sehr zur Verwunderung seines Zählers Ali. Nach Untersuchung durch die Turnierleitung wurde festgestellt, dass Singh vor Abgabe der Karte sein Ergebnis an einem Loch um einen Schlag, von 5 auf 4, geschönt hatte. Die fällige Disqualifikation mündete in eine unbegrenzte Turniersperre durch die Southeast Asia Golf Federation. Bis heute beteuert Singh, dass alles nur ein Missverständnis gewesen sei, doch gegenüber Sports-Illustrated-Autor John Garrity hielten alle Beteiligten an ihrer Geschichte fest und beteuerten Singhs Schuld.
Akt III: Der Frauenversteher, 2003
Im Jahr 2003 war die Schwedin Annika Sörenstam die alles dominierende Frau auf der LPGA Tour. Um sich einer neuen Herausforderung zu stellen, nahm sie eine Einladung des Colonial an, als erste Frau seit Babe Zaharias im Jahr 1945 auf der PGA Tour anzutreten. Die Reaktion der Herren der Schöpfung war sehr unterschiedlich. Während Tiger Woods und Padraig Harrington sich darüber freuten, nahm Vijay Singh die extremste Position auf der anderen Seite ein. Gegenüber der Associated Press kommentierte Singh, dass Sörenstam auf der PGA Tour nichts zu suchen habe. Und obwohl er wusste, dass dieser Fall nicht eintreten konnte, fügte er als Druckmittel hinzu: “Falls ich mit ihr zusammen in eine Gruppe gelost werde, werde ich nicht antreten.” Nachdem er für die Bemerkungen unter Feuer geriet, entschuldigte sich Singh für das Missverständnis – zog aber seine Teilnahme am Turnier zurück.
Akt IV: Der Finanzjongleur 2009
Im Jahr 2009 griff die Finanzkrise um sich. Zwei Namen erregten dabei den größten Volkszorn: Bernie Madoff und Robert Allen Stanford, die u.a. mit einem Schneeballsystem Anleger um Milliardenbeträge gebracht hatten. Der Betrug, der u.a. auch mit Geldwäsche mexikanischer Drogenbarone in Verbindung gebracht wurde, war so groß, dass Stanford im Jahr 2012 zu 110 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Was Vijay Singh damit zu tun hat? Er warb für Stanford. Ein Umstand, dem man ihm nicht vorwerfen kann, schließlich wurden tausende Menschen von Stanford getäuscht. Singh allerdings wollte das nicht wahr haben. Erst verteidigte er Stanford vehement, dann bot er sogar an, dessen Kaution aufzubringen. Noch mehr als vier Monate nachdem Stanford verhaftet war und bekannt wurde wieviele Menschen er um ihre Existenz gebracht hatte, lief Singh noch weiter für dessen Firma Werbung.
Akt V: Der Choleriker, 2012
Es gehört schon einiges dazu, um Rory Sabbatini wie einen Sympathieträger aussehen zu lassen, aber Vijay Singh hat es geschafft. Bei der Sony Open 2012 verschob Vijay Singh in der dritten Runde einen kurzen Putt. Als Schuldigen für seinen Fehler hatte er Sabbatinis Caddie Mick Doran ausgemacht, der sich angeblich bewegt und ihn damit gestört hatte. Nachdem Singh den Caddie mit wüsten Beschimpfungen überhäufte, stellte sich Sabbatini für seinen Mann in die Schusslinie – und bekam ebenfalls eine Ladung Flüche ab. Ein freiwilliger Helfer sagte der New York Times er habe in zwei Jahrzehnten aus der Tour noch nie so etwas gesehen. Für Vijay Singh hingegen war es – mal wieder – nur ein Missverständnis.
Akt VI: Der Jammerlappen, 2013
Dass ausgerechnet Vijay Singh jetzt glaubt sein guter Ruf würde von der PGA Tour zerstört entbehrt also nicht einer gewissen Ironie. Das Bizarrste an der Klage (die, wie wir das US-Rechtssystem kennen vermutlich Erfolg haben wird) ist, dass Singh ernsthaft behauptet die PGA Tour hätte ihn an den Pranger gestellt. Tatsächlich hat der dreifache Majorsieger mit seinem Interview das Unheil über sich selbst gebracht und die PGA Tour hat nach außen hin nie etwas anderes gesagt als “Kein Kommentar”. Dennoch will Singh nun Schadensersatz weil der psychologische Druck seitens der PGA Tour ihn daran hinderte in den letzten Monaten sein wahres Leistungspotenzial abzurufen. Nur 99.000 Dollar hat er 2013 verdient. Dabei wissen wir doch alle, dass er – ein 50-Jähriger, der seit viereinhalb Jahren kein Turnier mehr gewonnen hat – normalerweise jetzt schon locker im siebenstelligen Bereich gelegen hätte. So zumindest wirkt die Klageschrift, die den Obersten Gerichtshof bittet, Singh die entgangenen Einkünfte zu ersetzen. Ihm, der dank der PGA Tour ein Karriere-Preisgeld von 67,5 Millionen Dollar erspielt hat. Und ihm, dem – dank des Vorsorgesystems der PGA Tour – eine Pensionszahlung bevorsteht, von der 99% seiner Kollegen nur träumen können. Die wären übrigens bei einer erfolgreichen Klage die Gelackmeierten, da die PGA Tour ein gemeinnütziger Verein ist und der Schadensersatz aus den Rücklagen für Pensionen, Preisgelder etc. gezahlt würde. Aber wenn man ohnehin schon genügend verbrannte Erde in seiner Karriere hinterlassen hat, kommt es darauf auch nicht mehr an.