Es ist schon erstaunlich. Egal wie großartig eine Geschichte ist, für Hollywood ist sie meistens dennoch nicht spektakulär genug. Wenn irgendwann einmal die US Open 2008 verfilmt werden sollten, wird Tiger Woods vermutlich nicht nur einen läppischen doppelten Ermüdungsbruch im Schienbein und eine Bänderverletzung haben, sondern vorher von einem irren Kettensägen-Mörder angegriffen werden und mit einer Prothese über den Kurs von Torrey Pines laufen. Denn auch bei “Das größte Spiel seines Lebens” nehmen es die Disney-Filmemacher nicht ganz so genau mit der Geschichte.
Es reichte ihnen nicht, dass mit Francis Ouimet (Shia LaBeouf, hier mal ohne Roboter) ein 20-jähriger Caddie 1913 die U.S. Open gegen die britischen Ausnahmespieler Harry Vardon (grandios: Stephen Dillane) und Ted Ray (Stephen Marcus) gewann und damit den Golfsport in den USA erst populär machte. Oder dass ein 10-jähriger Pöks namens Eddie Lowery (Josh Flitter) dabei seine Tasche trug. Oder dass die U.S. Open erst in einem 18-Loch-Playoff entschieden wurden. Nein, Regisseur Bill Paxton entschied sich dafür, im Playoff erst auf dem Grün des 18. Lochs einen Sieger zu finden. Dabei gewann Ouimet in Wirklichkeit souverän mit fünf Schlägen Vorsprung. Für Golffans sind solche historischen Ungenauigkeiten etwas ärgerlich, allerdings nimmt dies dem Film nichts von seiner Qualität.
Gemeinhin gelten Filme über Golf – besonders bei Außenstehenden – als sterbenslangweilig. Nicht ohne Grund fallen bei der Frage nach den besten Golf-Filmen meist Namen von Komödien wie “Caddyshack” oder “Tin Cup”, da der Fokus weniger auf dem Sport liegt. Man kann es also Bill Paxton nicht hoch genug anrechnen, dass er geschafft hat, einen ernsten Golf-Film zu drehen, der gleichzeitig Nicht-Golfer unterhält und Puristen fesselt. Mit einem Leaderboard, das sich dreht wie eine Flughafen-Anzeigetafel und cleveren visuellen Stilmitteln wie übereinander gelegten Schwüngen oder von unten durch eine Glasplatte gefilmten Schlägen, gelingt es ihm den sportlichen Teil abwechslungsreich zu gestalten. Doch daneben schafft er es auch noch etwas in den Film zu schmuggeln, was man normalerweise nicht auf der Leinwand sieht: die mentale Komponente unseres schönen Sports. Seien es die inneren Dämonen, die Harry Vardon seit seiner Kindheit verfolgen oder das plötzliche Fracksausen, das Ouimet widerfährt, als er hört, dass er mit seinem Idol Vardon geteilt auf dem zweiten Platz liegt. Die psychologischen Abgründe, die an jeder Ecke des Platzes lauern sind auch hier ständig präsent.
Dabei ist bemerkenswert, dass der Film keine simpel gestrickte Variation des amerikanischen Traums mit klar definierten Rollen ist: auf der einen Seite der heldenhafte US-Teenager auf der anderen Seite die bösartigen britischen Imperialisten. Denn das auf einem Bestseller von Mark Frost (“Twin Peaks”, “Akte X”) basierende Drama ist gleichermaßen eine Biographie von Harry Vardon wie von Francis Ouimet. Eine Generation auseinander geboren, teilen sie den gleichen Lebensweg. Beide stammen aus armen Verhältnissen und versuchen von einer Gesellschaft akzeptiert zu werden, die sie lediglich als eine billige Möglichkeit für ihr Amusement sieht: moderne Gladiatoren mit Golfschlägern.
Wer so gar nichts mit Golf anfangen kann, kann “Das größte Spiel seines Lebens” daher auch als gelungenes Gesellschaftsporträt betrachten – auch wenn es natürlich mehr Spaß macht, wenn man eine gewisse Liebe für das Spiel mit der kleinen weißen Kugel empfindet. Das sah 1913 übrigens noch recht anders aus als heute, und so ist der Film zugleich noch eine kleine golferische Geschichtsstunde über Stymies und eine Ära in der man den Ball wirklich noch so spielte wie er liegt. Wer diesen Film gesehen hat, muss davon ausgehen, dass in Bethpage Black vor wenigen Wochen nur Memmen aufgeteet haben. Denn auch wenn das, was Tiger Woods und Rocco Mediate im Jahr 2008 abgezogen haben, recht beeindruckend war. Dieser Film und die Ereignisse, die ihn inspirierten, tragen völlig zu Recht den (Original-)Titel “The Greatest Game Ever Played”