Die 145. Open Championship ist passé – und ich denke jeder, der sie gesehen hat, wird unterschreiben, dass es das aufregendste Major-Turnier seit Jahren, vielleicht sogar seit Jahrzehnten war. Ein solch sensationelles Duell an der Spitze zweier haushoch überlegenen Spieler, die dann auch noch zusammenspielen hat es seit Tom Watsons und Jack Nicklaus’ “Duel in the Sun” in Turnberry wohl nicht mehr gegeben. Es war ein weiterer Beweis warum Matchplay eine viel zu selten genutzte Form ist und einem gewissen Turnier mit fünf Ringen und ohne vier Stars gut getan hätte. Kombiniert mit einer der besten TV-Übertragungen der letzten Jahre (Coverage nahezu vom Start der ersten Spieler bis Ende, Konzentration auf Mickelson/Stenson als es darauf ankam und ein überraschend talentierter Ian Poulter als Experte in den ersten zwei Tagen) war es ein unvergessliches Golf-Erlebnis. Zum Abschuss dieses perfekten Turniers daher nur ein paar kurze Observationen, die mir aufgefallen sind-
Eine historische Runde?
Gleich zwei 63er Runden gab es der 145. Open Championship, doch sie kamen unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen: Phil Mickelsons 63 spielte er ohne Druck in der ersten Runde bei idealen Wetterbedingungen. Henrik Stenson spielte seine bei deutlich schlechterem Wetter am Sonntag unter ständigem Druck von seinem Mitspieler. Während Mickelson bogeyfrei blieb, verkraftete Stenson sogar zwei. Die Unterschiede in der Runde zeigen sich auch im Vergleich zum Rest des Feldes. Stensons 63er Runde kam während das Feld im Schnitt 72,8 Schläge brauchte. Während Mickelsons Runde brauchten die für das Wochenende qualifizierten Spieler lediglich 70,1 Schläge. War es die beste Schlussrunde der Open-Geschichte? Sehr wahrscheinlich. Beim vergleichbaren Duel in the Sun in Turnberry 1977 lag Tom Watsons 65 nur 9,3 Schläge unter dem Rest des Feldes. Jodie Mudds 63 bei der Open 1991 kam in einem Feld, das aufgrund der 10-Schläge-Regel am Wochenende 113(!) Spieler stark war und 36 Spieler unter 70 hatte. Und Payne Stewarts 63 in der Schlussrunde der Open 1993 kam während einer der leichtesten Open-Schlussrunden überhaupt. Die beste Major-Schlussrunde aller Zeiten ist allerdings eine andere Sache. Die dürfte Johnny Miller mit seiner 63 bei der U.S. Open 1973 weiter sicher haben. Miller war auf dem vielleicht schwierigsten Platz der U.S.Open-Rotation 10,8 Schläge besser als der Schnitt des Feldes.
Deadline verpasst
Dass die Deadline zur Qualifikation für die Olympischen Spiele vor den letzten zwei Majors des Jahres gesetzt wurde und damit zwei der größten Ranking-Beeinflusser einfach ausgespart werden, war sehr fragwürdig. Und zumindest zwei Spieler hätte es betroffen, die Stand heute für Olympia qualifiziert wären, aber nicht dabei sein dürfen. Und angesichts Ihrer aktuellen Form ist dies ein Verlust für die olympischen Spiele
- Phil Mickelson hätte Matt Kuchar passiert
- Alex Noren wäre für David Lingmerth im Feld
Leading Amateur
Gerade mal zwei Amateure hatten sich in das Feld für die 145. Open Championship gespielt. Daher war es keine Überraschung, dass am Ende keiner den Cut schaffte und die Silver Medal für den Low Amateur damit bei der R&A blieb. Damit wurde die jüngste Zwei-Jahres-Tradition fortgesetzt. 2014 und 2012 schafften es ebenfalls keine Amateure ins Wochenende. 2011 gewann Tom Lewis die Siler Medal, 2013 Matthew Fitzpatrick und 2015 Jordan Niebrugge.
Johnny und die Muscle-Shirts
Rory McIlroy's ripped physique is stopping him from winning more Majors says Johnny Miller #TheGolfPA https://t.co/aFdCeu1kSe
— TheGolfPA.com (@TheGolfPA) July 19, 2016
In Deutschland zeigt Sky bei den Majors ja nicht mehr die Kommentare der Amerikaner sondern der britischen Kollegen von Sky Sports. Deshalb ist uns diese Perle von Johnny Miller durch die Lappen gegangen:
Ich denke er hat es im Kraftraum übertrieben. Das Gleiche ist Tiger Woods passiert. Sie sind zu beschäftigt damit enge Shirts zu tragen und ihre Muskeln zu zeigen.
Dumm nur, dass McIlroy direkt nach dieser Aussage die beste Runde des Tages (Non Stenson/Mickelson Division) spielte und sich noch auf den vierten Platz nach vorne schob. Und mal ehrlich: Sollte dieser Mann hier wirklich über Mode urteilen?
Wenn die Open die Olympischen Spiele wären
Vielleicht noch ein letzter Gedanke zu Golf bei den Olympischen Spielen. Angenommen kein einziger der qualifizierten Spieler hätte abgesagt und alle hätten gespielt wie bei der Open: Henrik Stenson hätte mit 16(!) Schlägen Vorsprung gewonnen und es wäre das langweiligste Turnier aller Zeiten gewesen. Weil Golf (in der vorgeschlagenen Form) eben nicht ein Duell Mann gegen Mann sondern Mann gegen den Platz ist, braucht es für die richtige Spannung einfach große Felder, weil unter den Top 100 jede Woche jeder gewinnen kann.
Alles ist relativ
Solid 85 today. Apart from the 7th, 8th,11th,11th,11th,11th15th,16th,17th and 18th I played pretty nice😝
— Greg Chalmers (@GregChalmersPGA) July 17, 2016
Martin Kaymers Formkrise
Es ist immer wieder spannend zu lesen wie die Form von Martin Kaymer beurteilt wird. Wenn man sich so anschaut, was der gemeine Fan in Facebook, Foren und Co. meint, könnte man meinen er sei in der größten Krise seines Lebens. Doch nur weil er zwei Jahre lang kein Turnier mehr gewonnen hat, ist das kein Argument. Phil Mickelson hat beispielsweise drei Jahre nicht mehr gewonnen. Tatsächlich hat sich Kaymer in den letzten Wochen beständig nach oben gearbeitet. Sein letzter verpasster Cut ist vier Monate her. Von den letzten neun Starts endeten vier mit Top-7-Resultaten. Und wenn man sich die erspielten Weltranglistenpunkte der letzten neun Wochen anschaut – darunter zwei Majors, ein WGC und das Flagshio-Event der European Tour – haben nur 26 Spieler weltweit mehr Weltranglistenpunkte erspielt als der Mettmanner.
A Tale of two Nines
In jeder Vorschau auf die Open wurde betont wie schwierig die Back 9 von Royal Troon sind. Das hat sich auch in diesem Jahr wieder deutlich gezeigt. Die sechs schwierigsten Bahnen des Turniers befanden sich allesamt auf den Back 9, wo sich acht der neun Löcher über Par spielten. Auf den Front 9 hingegen waren es nur fünf. Insgesamt spielten sich die Löcher 1-9 pro Runde nur 0.155 Schläge über Par. Auf den Löcher 10-18 lag das Feld hingegen exakt zwei Schläge über Par.
Steve Stricker und die Open
Die letzten Jahre hat Steve Stricker während der Open Championship lieber Zeit mit der Familie verbracht als beim dritten Major des Jahres anzutreten. Eine Strategie, die er im Rückblick auf seine Karriere vielleicht einmal bereuen wird. Denn Stricker, der immer noch ohne Majorsieg geblieben ist, hat bei der Open eigentlich eine sehr ordentliche Bilanz.
Seit 2003 hat er nur sieben Mal gespielt. Dabei hat er nie den Cut verpasst und drei Top-10-Resultate eingefahren. Das sind mehr als in der gleichen Zeit bei neun Masters-Starts (eine), zehn U.S.Open Starts (zwei) und genauso viele wie bei zehn PGA Championship Starts.
Phil Vizekusen
Wieder mal Zweiter. Phil Mickelson musste sich zum elften Mal in einem Major mit dem Rang des besten Verfolgers begnügen. Der ewige Zweite, wie er bis zu seinem ersten Masters-Sieg genannt wurde, hat eine unheimliche Serie an “Fast”-Erfolgen in seiner Karriere hingelegt. Mal warf er die Siege weg, ma traf er auf jemanden, der an diesem Wochenende wie ein Mann von einem anderen Stern spielte. Ist Phil damit also der Spieler mit den meisten Beinahe-Siegen aller Zeiten? Leider nicht. Auch hier reicht es nur zum zweiten Platz
Meiste zweite Plätze bei Majors
19 Jack Nicklaus
11 Phil Mickelson
10 Arnold Palmer
8 Greg Norman
8 Sam Snead
8 Tom Watson
7 J.H. Taylor
6 Tiger Woods
6 Ernie Els
6 Ben Hogan
6 Byron Nelson
6 Gary Player
6 Harry Vardon
Zitat der Woche
Ich glaube die R&A richtet den Platz so fair wie möglich her, damit sie den besten Spieler identifizieren kann – unabhängig davon welches Ergebnis am Ende steht. Manchmal ist es eben 20 unter Par. Manchmal wollen die Leute nicht, dass jemand so weit unter Par ist. Aber Tatsache ist wenn jemand unglaubliches Golf spielt, dann sollte es das. Man sollte nicht am Platz herumexperimentieren um das Ergebnis zu kontrollieren. Die USGA hat in ihrem Hinterkopf, dass das Siegerergebnis Par sein soll. Egal was für Grenzen sie dabei überschreiten müssen, das ist das Ziel. Aber das ignoriert in gewisser Weise welch hohes Talent die Spieler in der heutigen Zeit haben. Ich bevorzuge das hier. Ich denke es ist fairer. Ich denke uns allen gefällt ist. Aber ich bin auch nicht neutral weil ich dieses Turnier schon gewonnen haben und das andere nicht.