Wer Golfplätze bewertet, braucht ein Grundraster an Kriterien, um eine Vergleichbarkeit zu schaffen. Bei Golf Digest beispielsweise haben sie beschlossen, “Resistance to Scoring” als ein Kernkriterium zu nehmen – das heißt je schwerer ein Platz ist, desto besser ist er. Ein ziemlich schwachsinniger Vergleich. Ein anderes, populäres Kriterium ist der Pflegezustand einer Anlage. Hier ist die Sache nicht so eindeutig. Natürlich möchte jeder einen Platz spielen, der tiptop gepflegt ist. Doch von einem einzigen Besuch allgemeingültige Schlüsse zu ziehen, ist immer eine heikle Angelegenheit. Deshalb versuchen wir an dieser Stelle immer recht großzügig über kleine Schwächen hinwegzusehen. Doch wenn sich ein solches Desaster wie in Girona präsentiert, kann man irgendwann die Augen davor nicht mehr verschließen – zumal andere, ältere Bewertungen im Netz die gleichen Probleme ansprechen.
Dies fing bei den ungepflegten Teeboxen an, ging über die zugleich löchrigen, braunen und schlecht gemähten Fairways und endete bei den Grüns, die auf der 17 den absolut negativen Höhepunkt boten. Das hier:
Die angebliche Begründung für den Zustand des Platzes war ein extrem heißer Sommer, der den Platz in Mitleidenschaft und das 17. Grün komplett verbrannt haben soll. Dies wäre zu entschuldigen, wenn die Plätze in der Umgebung die gleichen Probleme gehabt hätten. Aber das war nicht der Fall. Und kleine Details, wie unkontrolliert und völlig sinnlos vor sich herspritzende Sprinkler und abgesoffene Stellen auf dem Fairway sprechen dann doch eher dafür, dass es hier starken Nachholbedarf in puncto Greenkeeping gibt.
Das alles wäre zu verzeihen, wenn der Platz eine Hammer-Bahn nach der anderen bieten würde, aber ehrlich gesagt, waren bereits nach sieben Tagen die Erinnerungen an die meisten Bahnen verblasst und ohne visuelle Erinnerungshilfe durch Fotos könnte ich maximal fünf Löcher rekapitulieren. Dabei hatte F.G. Hawtree ein wunderbares Stück Land mit vielen Bewegungen zur Verfügung. Entsprechend kommen Fans von erhöhten Abschlägen auf diesem Platz voll auf ihre Kosten. Ein Paradebeispiel für das, was auf diesem Platz möglich gewesen wäre, ist die Bahn 9. Das exzellente Par 5 geht eben los, fällt dann für den zweiten Schlag in eine mächtige Senke und bietet anschließend einen Schlag auf ein stark erhöhtes Grün. Dazu muss man idealerweise strategisch den Abschlag auf die linke Seite platzieren um den kürzesten Weg ins Grün zu haben, riskiert dabei aber den Verlust des Balls. Spielt man konservativer Mitte Fairway, wird das Loch richtig lang.
Weitere positive Beispiele sind die 290 Meter lange Bahn 12, die aufgrund des Höhenunterschieds nahezu drivebar ist, die 13 – ein Par 4, das in einem Dogleg nach rechts auf ein von Wasser verteidigtes Grün führt – und die 16: ein weiteres Dogleg nach rechts von einem erhöhten Abschlag, das noch attraktiver wäre, wenn man die am höchsten gelegene Teebox wieder reaktivieren würde. Doch mit erhöhten Abschlägen ist es wie mit Fast Food. Ab und an hat man einfach Lust drauf und stürzt sich drauf. Doch wenn man es jede dritte Mahlzeit bekommt, hängt es einem schnell zum Hals raus. Und hier bekommt man es nun mal bei jedem dritten Loch mit diesem Stilmittel zu tun wodurch der Reiz recht schnell verloren geht. Hinzu kommt, dass die Par-3-Löcher in ihrer Gestaltung recht uninspiriert sind. Abgesehen von der längeren 15 spielen sich die anderen drei One-Shooter relativ identisch und birgen auch keine großartigen visuellen Reize. Positiv ist allerdings anzumerken, dass Golf Girona mit einer exzellenten, zweistöckigen Driving Range aufwartet.
Nun gibt es für einen Resortplatz, der vielleicht nicht gerade den besten Pflegezustand hat, aber einige sehr gute Löcher und ansonsten solide Hausmannskost bietet, durchaus eine Verwendung – insbesondere, wenn er verkehrsgünstig in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Girona liegt und man mal eben kurz nach der Landung oder kurz vor dem Abflug noch eine schnelle Runde Golf spielen will. Das Problem an der Sache: der Club will etwas anderes sein. Mit einer Rack Rate von 83 Euro in der Hochsaison spielt man in einer Liga, die der Platz nicht halten kann. Selbst bei Greenfee-Anbietern wird noch ein Preis von um die 70 Euro aufgerufen. Zum Vergleich: Selbst der Stadium Course von PGA Catalunya kostet nur 30 Euro mehr.
Entsprechend schwer fällt es, zu identifizieren, für wen Girona der geeignete Golfplatz ist. Wer topgepflegte Golfplätze will, wer ein Schnäppchen will oder wer einfach nur ein wenig Spaß haben will, findet in der Umgebung deutlich bessere Angebote – dies ist das Dilemma in einer Region wie der Costa Brava, wo vieles auf Golftourismus ausgelegt ist. Es wäre zu wünschen, dass Golf Girona in den nächsten Jahren seine Identität findet und sich gegenüber der regen Konkurrenz in der Costa Brava ein wenig besser hervorstellen kann.
Gespielt am: 21.10.2015
Disclaimer: Dieser Bericht entstand im Rahmen einer Einladung. Greenfee, Anreise und Logie wurden gestellt.