Vor einiger Zeit blitzte bei mir auf dem Handy eine Werbung auf, die mich aufhorchen ließ. Den genauen Wortlaut habe ich verdrängt, aber es war etwas in der Art von “20 Meter weiter schlagen in 5 Minuten”. Im ersten Moment hielt ich die Werbung für eine Anzeige im Stil der DGV-Aktion wunschhandicap.de – schließlich führte der Link auf eine Seite namens weiterschlagen.de (ich setze hier keinen Link, damit der Seite nicht noch ein besserer Google-Rank beschert wird). Doch dem war nicht so. Tatsächlich handelte es sich um eine kommerzielle Seite, auf der ein sogenannter Heavy Club vertrieben wird, der jedem im Nu dabei helfen soll, länger und gerader zu schlagen. Nun stehe ich solchen Wunderwaffen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Zumal es durchaus Untersuchungen gibt, die den gegenteiligen Effekt bezeugen.
Zudem sorgte die dilettantisch gestaltete Webseite nicht gerade für Vertrauen. Und dennoch blieb ich auf der Webseite hängen. Anfangs aus Amusement über die Fantasie des angeblichen Betreibers Sven Siegler. So behauptet er dort nicht nur, dass der Schläger von einem ehemaligen College Basketball Trainer namens Doug Erving erfunden wurde (dessen Namen man beim googlen nicht findet, obwohl in den USA College Basketball von den Medien so intensiv abgedeckt wird, dass man etwas über ihn finden müsste). Angeblich schlug Siegler nach Ausprobieren des Schlägers “plötzlich mit einer Genauigkeit, die nicht mal mancher Profi schafft!” Und er ist nicht der Einzige. Viele zufriedene Kunden berichten über ihre Erfolge.
Ein Horst Junker aus Hessen (geschätztes Alter auf dem Foto über 80, angebliches Handicap 20) sagt: “Nachdem ich 10 Minuten mit dem Heavy Club gespielt hatte, war mein Slice weg und ich hab mindestens 25 m gewonnen.” Jan Möller aus Berlin, Handicap 1.8 hat “den Heavy Club nur 5 Minuten verwendet, aber schon (…) rund 20m längere Schläge”. Und es geht so weiter. Michael Pohl aus Berlin hat 30-35 Meter gewonnen, Rolf Fuchs aus Hagen 35-40 Meter und Martin Lübeck aus Sachsen gewann gar 50 Meter dazu. Der Wahnsinn! Alle haben allerdings eine Gemeinsamkeit: Hinter ihren Aussagen steht ein Sternchen. Am Fuß der Seite wird schließlich erklärt:
*Das ist ein gutes Ergebnis, es kann aber nicht garantiert werden, dass Sie die gleichen Fortschritte machen.
Natürlich will sich hier jemand rechtlich unangreifbar machen, sollten beim Käufer die Erfolge nicht eintreten. Eine übliche Floskel, die angesichts der immensen Versprechungen jedoch misstrauisch macht. Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich wollte herausfinden, wer denn diese ganzen Testimonials sind. Der Erste, den ich ausfindig machen konnte, war Håkan Romlin. Der ehemalige schwedische Biathlon-Trainer erlitt vor einigen Jahren einen Schlaganfall. Bei seiner Rehabilitation setzte der begeisterte Golfer auf den Heavy Club und er ist “vollkommen überzeugt, dass es nur an diesem Schläger liegt, dass jetzt alle meine Schläge so viel besser geworden sind.” Ich habe Romlin kontaktiert, um herauszufinden, ob dem wirklich so ist. Und tatsächlich: Er bestätigte mir, dass alle Angaben über sein Training mit dem Heavy Club der Wahrheit entsprechen. Ich muss zugeben, dass ich über diese Antwort positiv überrascht war, denn die restlichen Testimonials sorgten nicht gerade für Vertrauen.
Von den 15 restlichen Spielern, die von ihren Fabel-Resultaten mit dem Heavy Club berichten, ließ sich keiner verifizieren. Nun könnte das alles ein großer Zufall sein. Doch dann entdeckte ich etwas, was mich fassungslos vor Wut machte. Während der Recherche stieß ich auf nahezu identische Webseiten in verschiedenen europäischen Ländern. Weiterschlagen.de gibt es noch diverse Male: ein zweites Mal in Deutschland (straightlinegolf.de), in Schweden (straightlinegolf.se), in den Niederlanden (straightlinegolf.nl), in Dänemark (straightlinegolf.dk) und in Großbritannien (straightlinegolf.co.uk). In Frankreich nennt es sich frapperplusloin.fr, in Finnland paremmingolf.se und in Spanien pegarmaslargo.es. Und auf all diesen Seiten wird mit zufriedenen Kunden um den Käufer geworben. Und siehe da: einige weisen eine frappierende Ähnlichkeit auf.
So hat der 51-jährige Jens Lang aus Essen (Hcp 16.) offenbar gleich drei Brüder in drei verschiedenen Ländern, die ganz genau wie er aussehen, Golf spielen und die gleichen Erfolge wie er hatten. (das Bild habe ich verpixelt, weil ich nicht weiß, ob Persönlichkeitsrechte verletzt werden).
Und Jens/Lennart/Pietr/Philippe ist nicht der einzige Mehrling. Hier haben wir angeblich drei Männer aus England, Frankreich und Schottland, die identisch aussehen:
Und hier einen Franzosen sowie zwei Männer von der Costa del Sol mit unterschiedlichen Namen und unterschiedlichen Handicaps.
Alleine schon aufgrund dieser irreführenden Kundenmeinungen würde ich mir drei Mal überlegen, mit dieser Firma Geschäfte zu tätigen. Doch das waren längst noch nicht alle vorgespiegelten Tatsachen. So behauptet weiterschlagen.de, der Besitzer würde Sven Siegler aus dem österreichischen Salzburg sein. Schreibt man der Firma jedoch eine mail, antwortete in meinem Fall vorgeblich ein Alexander Ahl mit Sätzen, die wirken, als stammen sie von Google Translation. Und verfolgt man die angegebene Telefonnummer der vermeintlichen Salzburger Filiale, findet man heraus, dass die Vorwahl 0720 “ortsunabhängige Rufnummern [kennzeichnet], die es dem Inhaber ermöglichen, sie an wechselnden Standorten zu verwenden.” Eine Rückwärtssuche dieser Nummer ergibt, dass sie einem Brüsseler Telefonvermittlungsdienst namens Voxbone SA gehört, einem Vertreiber von DID Numbers (oder auf deutsch: virtuellen Nummern). Schaut man sich die anderen, angeblichen europäischen Standorte auf, fällt eine Gemeinsamkeit auf. Sowohl in Dänemark, als auch in Holland, Frankreich, Schweden, Spanien und Großbritannien gehören die Adressen zu Firmen, die virtual offices anbieten.
Als ich die Person, die mindestens die Anrufe und mails für die deutschen und schwedischen Kontaktdaten beantwortet, auf diese fragwürdige Praxis anprach, gab er zu, dass man sie – anders als auf der Webseite angegeben – in der Kreuzbergpromande in Salzburg nicht besuchen kann. Zudem begründete er die irreführende Werbung mit erfundenen Kunden damit, dass sie die Identität der realen Kunden schützen wollen. Eine Aussage, die sich natürlich nicht überprüfen lässt. Aber da es sich hier lediglich um einen Golfschläger handelt, der Hacker zum Clubmeister macht und nicht um die Yelp-Review für einen Profikiller, erschließt sich mir nicht, warum man nicht seinen echten Namen preisgeben möchte.
Registriert sind die Webseiten straightlinegolf.de und straightlinegolf.dk auf Joakim Cullin aus dem schwedischen Ahus. Die Seite weiterschlagen.de ist derweil auf eine Firma Straight Line Golf in Tallinn registriert. Schaut man sich die anderen europäischen Seiten an, ist es dem Inhaber bei den meisten gelungen, den Besitzer zu verschleiern. Einzig die britische Adresse gehört einem Lars Cullin, angeblich wohnhaft in Edinburgh. Allerdings konnte Straight Line Golf nicht alle Spuren verwischen. In Estland, wo ja weiterschlagen.de registriert ist, und in Großbritannien finden wir Treffer, die sich mit den bisherigen Erkenntnissen decken. Die Firma gehört demnach einem Lars Joakim Cullin aus Schweden, der neben straightlinegolf auch noch die Far East Logistics Ltd., Medi Slim Health Ltd. und Mondsteiger Ltd. (Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln) betreibt und bei allen dreien als Director geführt wird. Ein wahres Wunderkind. Joakim Cullin gehört darüber hinaus auch noch die Webseite weiterdrives.de. Die ist nahezu eine 1:1-Kopie von weiterschlagen.de, mit zwei Unterschieden: zwischendurch sind interne Anmerkungen zu lesen wie “Re-do this one” oder “THIS NEEDS TRANSLATION. (Started selling last year, already sold 6000 etc).” Und hier heißt der Basketballtrainer, der angeblich die Idee für den Schläger hatte, plötzlich Jerrick Adams.
Es ist also offensichtlich, dass der Kunde hier nach Strich und Faden belogen (und nach der einzigen Review bei Trustpilot zu urteilen möglicherweise auch betrogen) wird. Noch deutlicher wird dies in Dänemark. Denn dort hat man (genau wie in Deutschland dummerweise vergessen, eine alte Unterseite vom Server zu entfernen. Die sieht nahezu genauso aus wie der Rest der Seite, hat aber einen entscheidenden Unterschied: das Logo.
Damals hieß die Firma, die den Heavy Club vertrieb, noch TonyQ Golf. Und wenn man nach diesem Namen sucht, öffnet sich gleich ein ganz neuer Abgrund. Denn laut unbestätigten Interneteinträgen soll diese Firma reihenweise die Kunden über den Tisch gezogen haben. So wurde 2015 in einem schwedischen Internetforum eine Warnung vor tonyq.se und – ich zitiere – “Betrüger Joakim Cullin” ausgesprochen. Ich habe den Eintrag einmal durch den Google-Translator laufen lassen, damit sich jeder ein Bild davon machen kann.
Er ist nicht der einzige, der über Unregelmäßigkeiten bei TonyQGolf berichtet.
In einem schwedischen Blogeintrag wird ebenfalls vor der Firma tonyqgolf gewarnt – auch wenn man den Namen nur noch im Permalink des Eintrags finden kann. Im Beitrag und in den Kommentaren wurden alle Hinweise auf die Firma entfernt. Ich fragte die Betreiberin, was es mit dem Eintrag auf sich hat und sie erzählte mir die ganze Geschichte.
Im Juni 2014 hatte sie eine Anzeige von TonyQGolf gesehen und sich einen Heavy Club bestellt. Sie bekam den Schläger auch, doch der erwies sich als zu schwer für sie, da es für Frauen und Männer das gleiche Modell gibt. Als sie von der versprochenen Rückgabegarantie Gebrauch machen wollte, begann eine regelrechte Odyssee. Sie wartete monatelang auf die Rückerstattung. Als weder mails, noch Anrufe zu einem Ergebnis führten, verfasste sie einen Blogeintrag, um andere vor dem Gebahren der Firma zu warnen – und bekam jede Menge Kommentare von Leuten, die ebenfalls von TonyQGolf geschädigt wurden.
Im Oktober 2014 erhielt sie plötzlich doch noch ihr Geld zurück. Acht Monate später landet schließlich eine e-mail des Firmenbesitzers in ihrem Postfach. Darin schrieb er, er habe die Firma verkauft. Sein Name? Joakim Cullin. Er bat sie zudem seinen Namen zu löschen, weil er noch jung sei, aus seinen Fehlern gelernt habe und nicht für den Rest seines Lebens mit dieser Geschichte belastet sein möchte. Sie stimmte zu falls in den nächsten 12 Monaten keine Beschwerden mehr über ihn auftreten. Ein Jahr später meldete sich Cullin erneut und erinnerte sie an die Abmachung. Sie änderte den Eintrag und die Überschrift.
Im Oktober/November 2015 hatte sich zudem der vermeintliche neue Besitzer der Firma bei ihr gemeldet. Er erzählte ihr, er habe die Firma in Straightlinegolf umbenannt und drohte mit anwaltlichen Schritten, wenn nicht alle Verweise auf die Firma gelöscht würden. Sie willigte ein, weil “die e-mail auf absurde Weise geschrieben war” und sie “realisierte, dass die Diskussion kein Ende genommen hätte”.
Offenbar war all das eine Lüge. Denn kaum war Gras über die Sache gewachsen, hat Cullin nicht nur noch einmal eine Firma gegründet. Er hat genau die gleiche Firma noch einmal gegründet, wie die Besitzeinträge in Estland und Großbritannien belegen. Und die Tatsache, dass der einstige Besitzer der Webseite tonyq.se heute Besitzer der Webseiten straightlinegolf.se und paremmingolf.se ist. Sogar in einer Stellenanzeige für ein Dienstmädchen in Tallinn taucht sein Name im Zusammenhang mit Straightlinegolf auf. Als ich den Mitarbeiter im Kundenservice fragte, ob Herr Cullin zu sprechen ist, leugnete er nicht einmal, ihn zu kennen. Er fragte lediglich, was ich von ihm will.
Vergleicht man die alten Webseiten mit den Neuen, fällt auf, dass sie sprachlich deutlich besser sind. Der Grund dafür findet sich in einem Internetforum, in dem Cullin im Oktober 2015 nach Übersetzern für Webseiten und e-mails suchte. Das Design hat sich allerdings nicht verändert. Und warum sollte es das auch? Schließlich hat er so viel Mühe und Arbeit in das alte gesteckt. All die Anstrengungen, die er über sich ergehen ließ. Er musste auf die Webseite howtobreak80.com gehen, den Quellcode öffnen, einige Male Ctrl-C drücken und dann sogar noch in seinem eigenen Editor auf Ctrl-V klicken. Ja, ihr lest richtig. Herr Cullin hat das Design seiner Seite von einer anderen Webseite geklaut. Es ist nicht mehr so offensichtlich wie vor einigen Wochen, weil howtobreak80.com vor kurzem das Layout geändert hat. Aber glücklicherweise gibt es ja die Way Back Machine. Hier findet man immer noch die frühere Version der Seite. Das Hintergrundbild ist identisch, die Schrift ist gleich, sogar die Testimonials sind identisch gestaltet. Die Liste geht weiter und weiter.
Er hat sogar die Dreistigkeit besessen, unter dem Usernamen stolpioni einen Faden in einem Forum zu eröffnen, um Feedback zu seinem fantastischen Design zu erhalten – und wurde von den anderen Usern offen für seinen Diebstahl angezählt. Cullins Antwort? Leugnen und Beleidigen. Also wer ist Lars Joakim Cullin? Zumindest wissen wir wie er aussieht, denn man kann sein Bild sogar auf seinen Webseiten (außerhalb der deutschen) finden. Woher ich das weiß?
Das Bild dieses Wundergolfers mit einem angeblichen Handicap von 3,8 findet man auch auf Facebook. Es gehört Lars Cullin.
PS: Falls Herr Cullin das hier lesen sollte und bei mir das selbe versuchen will, was er mit dem schwedischen Blog versucht hat: Ich möchte Ihnen einfach eine Nachricht in Ihren eigenen Worten hinterlassen, nachdem Sie in obigem Forum für Ihre Lügen zur Rechenschaft gezogen wurden: Try sue me bitches and see what happens. Nothing.