Ich bin gerade schwer am rotieren um das zweite Masters-Heft fertigzustellen, aber manche Dinge kann man einfach nicht unkommentiert lassen. Jeden Montag lädt die Golf Post einige Experten zu einem Google-Hangout zu diversen Themen ein. In dieser Woche stand die Kausa Martin Kaymer auf der Agenda und wieder einmal wurden dabei Phrasen gedroschen, die man normalerweise nur von irgendwelchen unqualifizierten Facebook-Kommentaren kennt. Den Anstoß dazu gab Ex-Bundestrainer Frank Adamowicz, als er angesprochen auf die aktuelle Form von Kaymer konstatierte
Für mich spielt er definitiv zu wenig Turniere.
Da Sky-Kommentatoren es von Natur aus nicht leiden können, wenn ihnen jemand bei der Blödsinns-Quote den Rang ablaufen, stieg der am Mikrofon normalerweise sehr erträgliche Gregor Biernath gleich ein und legte nach.
“Ich habe es letztes Jahr schon genauso gesehen, da hat er vor dem Masters glaube ich vier Wochen kein Turnier gespielt. Dieses Trainieren ist ja gut und schön, (…) er müsste nur einfach vielleicht mal Turniere spielen. Er spielt wenig. Dass er oben nicht mitspielt, liegt in meinen Augen zu mindestens 80% daran, dass er nie in einen richtigen Turnier-Run kommt.”
Und weil niemand ihn in seiner unqualifizierten Rage stoppte, legte er gleich noch einen Klopfer hinterher:
“Wenn man sich anschaut wie wenig Turniere er spielt, das ist Tiger-Woods-Niveau glaube ich was die Turnieranzahl angeht”
Dass solche sogenannten Experten Blödsinn, den sie vermutlich irgendwo in Social-Media-Kommentaren von frustrierten Golf-Fans aufgeschnappt haben, einfach so weiter in die Welt setzen, ist eine Schande. Ich denke es gibt viele Dinge, für die man Martin Kaymer zu Recht kritisieren kann – sei es sein Verhalten gegenüber den Medien, seine Wischi-Waschi-Aussagen und seine Personalpolitik in den letzten Jahren. Da braucht es nicht noch irgendwelche haltlosen Behauptungen über seine Turnierplanung.
Beginnen wir einfach mal mit der am einfachsten zu widerlegenden These: Dem Tiger-Woods-Vergleich.
Tiger Woods | Martin Kaymer | |
---|---|---|
2014 | 4 | 6 |
2013 | 19 | 29 |
2012 | 22 | 26 |
Und auch Biernaths These zur langen Pause vor dem Masters hält keiner kritischen Überprüfung stand. Vor dem Masters 2013 setzte Kaymer nicht vier sondern drei Wochen aus – wohlgemerkt nachdem er zuvor vier Wochen in Folge Turniere gespielt hat. Wenn man nicht gerade Ryo Ishikawa heißt, ist das ein ganz normaler Spielplan. Und gerade bei der Vorbereitung vor Majors unterscheiden sich die Profis ganz extrem. Die einen wollen unbedingt in der Woche vor dem Major Turnierpraxis haben, die anderen legen eine Pause ein um sich gezielt auf den Höhepunkt vorbereiten zu können. Es gibt kein richtig und kein falsch in diesem Fall.
Beweis gefällig? Während Phil Mickelson in der Woche vor seinem Open-Erfolg die Scottish Open gewann und Jason Dufner vor der PGA ein WGC-Turnier spielte, setzte Justin Rose die Woche vor der U.S. Open aus. Und Adam Scott spielte vor seinem Masters-Sieg das letzte Mal bei der Tampa Bay Championship. Das Turnier, das – welch Zufall – auch Martin Kaymers letztes Turnier vor dem Masters war. Ja, Herr Kaymer. Wie konnten sie nur so eine dümmliche Turnierplanung machen?
Aber wie sieht es denn mit den allgemeineren Behauptungen von Herrn Adamowicz aus? Spielt Kaymer insgesamt zu wenig? Und kann er nie in einen Run kommen, weil er zu lange Pausen einlegt wie Herr Biernath suggeriert? Die Antwort auf beide Thesen ist ein ganz fettes Nein! Um sich davon überzeugen würde bereits ein ganz kurzer Blick auf das Official World Golf Ranking reichen. Von den Top 50 der Welt haben lediglich 20 Spieler den maximalen Divisor von 52 Turnieren, die Mehrheit liegt darunter. Martin Kaymer hingegen hat die Maximalzahl an Turnieren voll ausgeschöpft. Kaymer hat in den letzten zwei Jahren so viele Turniere gespielt, dass sein letztes Turnier in der Wertung die BMW PGA Championship ist. Das heißt vier Turniere, die innerhalb des Zweijahres-Zeitraums liegen, sind überhaupt nicht mehr in der Wertung weil Kaymer ZUVIEL spielt.
Schaut man sich die 59 Spieler, die in der Weltrangliste vor Kaymer liegen, genauer an, fallen nur bei 9 (!) Spielern mehr Wochen aus der Wertung als bei Kaymer: Henrik Stenson, Charl Schwartzel, Ernie Els, Gonzalo Fernandez Castano, Billy Horschel, Russell Henley, Thongchai Jaidee, Branden Grace und John Senden. Und auch dafür gibt es Gründe, denn die Südafrikaner und Senden spielen Turniere in ihrer Heimat, die bei anderen Spielern in der Winterpause liegen, wodurch ihr Spielrhythmus ein anderer ist. Und da sind wir auch schon beim Zauberwort: Spielrhythmus.
Denn, was die Herren Biernath und Adamowicz einfach mal so außer Acht lassen, ist das Kaymer eine doppelte Tourbürgerschaft besitzt. Während die Saison von reinen PGA-Tour-Spielern am 11.September zu Ende ist, geht Kaymers Saison – wenn alles optimal läuft – bis 20.November. Würde Kaymer jetzt so viel spielen wie die Ein-Tour-Spieler, würde ihm am Ende der Saison, da wo bekanntermaßen die Ente fett ist, die Luft ausgehen. Schaut man auf die Spieler, die sowohl European- als auch PGA-Tour spielen, sollte auch dem letzten Experten auffallen, dass Kaymers Turnierplan vollkommen im Rahmen liegt. Schließt man die Houston Open ein, haben die European-Tour-Spieler so viele Turniere in 2014 absolviert:
8
Gonzalo Fernandez-Castano
Henrik Stenson
Ernie Els
Lee Westwood
Matteo Manassero
7
Martin Kaymer
Ian Poulter
Jamie Donaldson
Thomas Björn
Stephen Gallagher
Luke Donald
6
Rory McIlroy
Sergio Garcia
Victor Dubuisson
Miguel-Angel Jimenez
Joost Luiten
Louis Oosthuizen
5
Justin Rose
Graeme McDowell
Francesco Molinari
Wer also behauptet, Martin Kaymer spielt zu wenig Turniere hat entweder – pardon – keine Ahnung von Golf oder ist zu faul, seine Stammtischparolen vernünftig zu recherchieren. Und falls das immer noch nicht reicht: Gerade heute hat Martin Kaymer via Facebook abgekündigt, dass er in den nächsten acht Wochen sieben Turniere spielt. Ich freue mich bereits auf den Golf-Post-Talk, in dem die Experten Kaymer unterstellen, er sei überspielt.