Neuer Tag, neuer Rekord
Auch am zweiten Tag purzelten in Royal Lytham die Rekorde. Dieses Mal war es jedoch nicht Adam Scott, sondern Brandt Snedeker, der das gesamte Feld in Staunen versetzte. Der Amerikaner, der bisher bei jedem seiner Open-Starts den Cut verpasste, folgte seiner 66 aus der ersten Runde nicht nur mit der Einstellung von Adam Scotts Platzrekord, er stellte auch noch den ewigen Open-Rekord für die besten 36 Loch ein, den bis dato Sir Nick Faldo hielt. Um sich auch den 54-Loch-Rekord zu schnappen ist jedoch noch ein wenig Arbeit erforderlich. Den hält derzeit Tom Lehman mit 198 Schlägen, aufgestellt in – Royal Lytham.
Bester 36-Loch-Score bei der Open
130 Brandt Snedeker, 2012 in Royal Lytham
130 Nick Faldo, 1992 in Muirfield
131 Adam Scott, 2012 in Royal Lytham
132 Henry Cotton, 1934 in Royal St. George’s
132 Nick Faldo, 1990 in St. Andrews
132 Greg Norman, 1990 in St. Andrews
132 Nick Faldo, 1993 in Royal St. George’s
132 Tiger Woods, 2006 in Royal Liverpool
132 Louis Oosthuizen, 2010 in St. Andrews
(Re-)Born in the USA
Erinnert Ihr Euch noch daran wie vor wenigen Monaten (fast) alle von der großen Wachabläsung im Golf schwadroniert haben und wie die Europäer die Amerikaner als führenden Golf-Kontinent abgelöst hätten? Das war wohl nichts. Nach zwei Runden der Open Championship liegen unter den ersten 9 gleich vier US-Amerikaner. Sollte einer von ihnen am Sonntag die Claret Jug küssen, wären alle vier Major-Trophäen wieder im Besitz der USA. Zuletzt gab es dies nach dem Masters 2004 als Phil Mickelson (Masters), Shaun Micheel (PGA), Ben Curtis (Open) und Jim Furyk (U.S. Open) Titelträger waren.
Die wilden 60er
Es sollten die schwierigsten Open seit Jahren werden, doch da hat die R&A die Rechnung ohne Petrus gemacht. Auch in der zweiten Runde waren die Bedingungen optimal zum scoren und wieder machten die Profis regen Gebrauch davon. Obwohl die R&A sich Fahnenpositionen ausdachte, die dem eigentlich besonnenen Steve Stricker auf der Pressekonferenz Kritik entlockten (viele von ihnen seien auf ganz schmalen Anhöhen gesteckt wesen) liegen auch nach zwei Runden noch 27 Spieler unter Par. Zwar stieg der Schlagdurchschnitt in der zweiten auf 72 Schläge an, dennoch blieben auch am Freitag 30 Spieler unter 70. Insgesamt sind damit bereits 66 Runden in den 60ern erzielt worden. Doch die Verantwortlichen von Lytham können beruhigt schlafen: einem Eintrag in den Geschichtsbüchern werden sie wohl entgehen. 1994 in Turnberry wurden insgesamt 148 Runden unter 70 gespielt.
Fehlerlos und Fehlerhaft
Nach zwei Runden der Open Championship gibt es zwei Spieler, die sich vom Feld abgesetzt haben. Da wäre zum Einen Brandt Snedeker, der auch nach 36 Löchern noch immer kein Bogey auf der Scorekarte hat. Damit ist er erst der dritte Spieler in den letzten 20 Jahren dem dies in einem Major gelang, nach Tiger Woods 2000 in St. Andrews und Hale Irwin bei der PGA Championship 1993.
Doch es gibt auch den anderen Fall. Martin Kaymer hat bei seiner 69 zwar seinen Birdie-Fluch abgelegt und gleich drei von ihnen verwandelt, dem englischen EuroPro-Tour-Spieler Ian Keenan war dies allerding nicht vergönnt. Mit einem Triple-, zwei Doppel- und zwölf regulären Bogeys aber ohne ein einziges Birdie verabschiedet sich der 36-Jährige als Letzter von der Open Championship 2010. Ob das seinem Sälar schadet?
Tiger Tracker
Wie es schon gute Tradition an dieser Stelle ist, spielen wir auch dieses Mal wieder “Wie sehen Tigers Chancen aus?” Wenig überraschend lautet die Antwort: Gar nicht schlecht. Sieben Mal ging er bei einem Major als erster oder zweiter Verfolger ins Wochenende, immerhin vier Mal konnte er den Sieg einfahren. Noch besser sieht es aus wenn man seine Rundenergebnisse heranzieht. Insgesamt sieben Mal in seiner Karriere hatte Woods bisher ein Major mit zwei Runden in den 60ern eröffnet – alle sieben Mal trug er am Ende den Sieg davon. Es sieht also alles nach einem 15. Major aus – wenn da nicht eine unschöne, neuere Statistik wäre. Von seinen letzten 10 Major-Runden am Samstag und Sonntag hat Woods nur eine unter Par gespielt – angesichts der weiter guten Wettervorhersage dürfte das nicht reichen.
Landeskunde
Als John Daly in der ersten Runde der Open Championship mit einer norwegischen Flagge als Hose auflief, fragten sich viele was diese fragwürdige Modeentscheidung sollte. Wenn man den Kommentatoren des Open Radios glauben kann, war ein vexillologisches Defizit Grund dafür. Angeblich wollte Daly den Union Jack tragen, verwechselte ihn aber mit den norwegischen Landesfarben. Ein Versehen, das er am Freitag korrigierte und die britische Fahne als Beinkleid auftrug. Da Daly sich gerade noch so in den Cut rettete, warten wir gespannt welche Nation er als nächstes durch Lytham trägt: Schaut man sich die Kollektion seines Ausstatters an stehen die Chancen gut, dass er am Samstag als Australier und am Sonntag in Stars and Stripes zu sehen sein wird.
Opa ist der Beste
Nächste Woche kehrt Tom Watson für die Senior Open Championship an den Ort seiner größten Triumphe zurück: Turnberry. Mit einer Standing Ovation auf der 18 wollte das Publikum von Royal Lytham dem 62-Jährigen, der zwei Tage lang Ryo Ishikawa und Martin Kaymer gezeigt hatte wie man Golf spielt, eine gute Reise wünschen. Doch Watson spielte nicht mit: er lochte einen langen Putt auf der 18 und schaffte damit zum 25. Mal den Cut bei einer British Open. Das ist zwar noch weit weg von Jack Nicklaus’ 32 Cuts, aber wenn jemand ab seinem 60. Lebensjahr drei von vier Cuts bei einem Major schafft, ist das eine bemerkenswerte Leistung – auch wenn es heute etwas glücklich war, wie Watson gestand: “Ich habe den Putt gepusht, aber der Ball brach mehr als ich gedacht hatte. Ich war so überrascht wie jeder andere.”
Notnagel?
Da hat Luke Donald den Caddies dieser Welt aber einen Bärendienst erwiesen. Denn die Argumentation, dass ein Caddy großen Anteil am Erfolg eines Spielers hat, kann man mit dem heutigen Tage sehr gut widerlegen. Weil Donalds regulärer Caddie John McLaren den Freitag frei bekam um der Geburt seines ersten Kindes beizuwohnen, sprang Gareth Lord ein. Lord selber war unfreiwillig arbeitslos geworden weil Robert Karlsson aufgrund eines Yips-Anfalls von der Open zurückzog. Bereits im letzten November sprang Lord einmal ein und sofort konnte Donald mit ihm an seiner Seite die Children’s Miracle Classic entscheiden. Und auch dieses Mal funktionierte die Notlösung hervorragend: Mit einer 68 schob sich Donald bis auf Platz 11 nach vorne. Ob er ab morgen jeden von ihnen 9 Loch tragen lässt?
Das Kleingedruckte
- Thorbjörn Olesen setzte seine Demolierung der Par 3s fort. Mit zwei Birdies und zwei Pars hat er die One-Shotter jetzt in -6 absolviert – fünf Schläge besser als sein morgiger Spielpartner Tiger Woods.
- Wie sehr sich die Taktik von Tiger Woods von seinem normalen Spiel unterscheidet wird sehr schön von zwei Zahlen illustriert: Auf der PGA Tour ist Woods aktuell 39. in Driving Distance und 46. in Drivegenauigkeit. Bei der Open Championship, während der er sein Eisen 2 zum Glühen bringt, belegt Woods mit 266,8 Yards gerade einmal Platz 127 in Driving Distance, hat dafür aber mit 26 von 28 die meisten Fairways des gesamten Feldes getroffen.
- “Mein Spiel ist Scheiße!” – so erfrischend ehrlich urteilte Phil Mickelson nach seiner desaströsen 78 über seine Form. Dass Mickelson vom Tee vogelwild spielt ist man gewohnt, aber dass er gerade einmal 42% der Grüns trifft, ist schon ungewöhnlich.
- Tom Watson mag sich mit einem Birdie an der 18 gerade noch so ins Wochenende gespielt haben, aber Greg Owen machte es noch eine Spur cooler: Er lochte vom Fairway, katapultierte sich mit dem Eagle zurück über die Cutlinie und hat weiterhin die Chance sein Ergebnis von 2001 noch zu verbessern, als er in Lytham einen beachtlichen 23. Platz erzielte
- Auf der anderen Seite verspielten natürlich auch wieder einige auf der 18 ihre Chance auf das große Geld: Koumei Oda, Marc Leishman und Raphael Jacquelin (Sacrebleu!) schossen sich mit einem Bogey raus, während Anders Hansen seine grandiose Ausgangslage nach der ersten Runde endgültig mit einem Doppelbogey an der 18 verspielte
- Im Gleichschritt aus dem Turnier ging es für die ehemaligen Champions von Royal Lytham: Sowohl 96-Sieger Tom Lehman als auch 2001-Gewinner David Duval verabschiedeten sich mit +5 bereits am Freitag von der Stätte ihres Triumphs