Der Sand Belt von Melbourne, Sand Valley in Wisconsin, Sand Hills in Nebraska oder Budersand. Fast immer, wenn ein Club mit Sand in Verbindung steht, lecken sich Golfer voller Freude die Lippen. Es gehört also Mut dazu, im Golf-Entwicklungsland Polen einen Club hinzustellen und ihn kackfrech Sand Valley Golf Resort zu nennen. 2009 eröffnete CEO Antti Pohjonen den Club im südöstlich von Danzig gelegenen Paslek. Zuvor verbrachte der in Deutschland ansässige Architekt Toni Ristola mehr als 450 Tage auf den 80 Hektar Land und verfeinerte die massive Bunkerlandschaft und die fast noch massiveren und ondulierten Grünkomplexe.
Zehn Jahre später ist das minimalistische Design auch weiterhin ein Geheimtipp geblieben. Doch wer sich hierhin auf den Weg macht (von Hamburg ist es ein etwa zehnstündiger Autotrip, wer nach Danzig fliegt, kann vom Club einen Transport ordern), wird mit einem der besten Preis-Leistungs-Verhältnisse Europas belohnt. Gerade für Gruppen ist das Angebot kaum zu überbieten. Zwei Übernachtungen in einer der mehr als 20 Villen mit Frühstück, einem Dinner und unbegrenztem Golf schlägt mit 319 Euro pro Person zu Buche. Jede weitere Nacht oben drauf kostet 70 Euro mehr. Und wenn hier Unlimited Golf steht, dann ist das auch wirklich so. Denn der Status als Geheimtipp führt dazu, dass nicht zu viel auf den Fairways los ist. Selbst Ende September, als die kürzeren Tage nur zehn Stunden Golf erlauben, war es problemlos möglich, 50 Löcher zu spielen.
Ein Platz im Dauertest
Doch was nützt das beste Schnäppchen, wenn der Platz nichts taugt? Um zu überprüfen, ob neben dem Preis auch die Leistung stimmt, habe ich Sand Valley dank Corona ausgiebig getestet. Und nach einem Dutzend Runden an zwei verschiedenen Wochenenden kann ich guten Gewissens sagen: Sand Valley ist absolut eine Reise wert. Allerdings muss man ein bestimmer Typ Golfer sein. Denn hier sind Spieler gefragt, die vor jedem Schlag nachdenken und gerne strategisch spielen. Aufgrund der Größe der Grüns (die 18 ist 68 Meter lang) ist es essenziell, sich am Tee eine Strategie für die jeweilige Fahnenposition zurechtzulegen. Ein Beispiel: auf Bahn 2 gibt es links einen vorgelagerten Bunker. Wenn die Fahne rechts steht, macht es Sinn, sich mit dem Drive links zu halten, um den Fairwaybunkern aus dem Weg zu gehen. Steckt die Fahne links, ist hingegen ein Bogey fast sicher, wenn der Drive nicht rechts im Fairway landet.
Oft ist es sogar klug, den eigenen Instinkt auszuschalten und das Grün völlig zu vergessen. Wenn auf einem extrem ondulierten Grün die Fahne am Rand steckt, ist es oft besser, nicht drauf zu landen. Werdas nicht mag, sollte zu Hause bleiben und weiter Targetgolf aufs Inselgrün spielen. Aus diesem Grund ist das “All You Can Golf”-Angebot von Sand Valley auch so reizvoll. Denn die Finessen des Designs lernt man erst nach ein paar Runden schätzen. Je öfter man spielt, desto deutlicher wird, dass kein Bunker und keine Bodenwelle ohne Grund platziert sind. Und umso klarer wird, welche Tees man spielen sollte: Rot (6529 Meter), Blau (5945 Meter), Grün (5552 Meter) oder Weiß (4742 Meter). Aufgrund des harten, sandigen Untergrundes spielt sich der Platz kürzer, dennoch sollte man auch die äußeren Bedingungen beachten. An windigen Tagen sind von den blauen Tees einige Grüns für 90% der Golfer nicht in Regulation erreichbar.
Sand Valley: ein ballsparendes Design
Das Schöne an Sand Valley ist, dass man gute Chancen hat, mit dem Ball ins Clubhaus zu kommen, den man an Loch 1 aufgeteet hat. Die Auftaktbahn ist ein guter Indikator für das, was kommt. Da das 1. und 10. Tee auf dem höchsten Punkt der Anlage liegen, führt der erste Drive bergab auf ein sehr breites und welliges Fairway. Von hier wird das für Sand Valley typische Grün – erhöht und onduliert – angespielt. Um den Einstieg zu erleichtern, gibt es lediglich einen Grünbunker, der nicht wirklich ins Spiel kommt. Doch danach lässt Ristola seine wunderbar natürlichen Bunker und Desert Areas durchblitzen. An Bahn 4 – ein Par 5, das um eine Sumpffläche führt, sitzt ein tückischer, kleiner Bunker in der Fairwaymitte. An der 5 – ein kurzes Par 4 – wartet rechts ein Bunker auf aggressive Spieler, die das Grün angreifen. Doch die echten Bunkerfestspiele gehen danach los.
So ist Bahn 6 ein echter Härtetest für jeden Golfer. Wer kein Longhitter ist, sollte das lange Par 4 (430/418/375/295 Meter) auf Bogey spielen. Denn wer in der Kraterlandschaft 60-80 Meter vor dem Grün landet, ist aufgeschmissen. Auch die 7, die im Birdiebook fast quadratisch wirkt, hält Tücken parat. Das Par 4 (406/336/336/286 Meter) wird kürzer, wenn man den rechten Fairwaybunker attackiert. Das strategisch klügere Spiel ist jedoch, geradeaus zu spielen und den Zweiten links neben dem Grün zu platzieren. Denn die kleinen und großen Bunker vor des Grün sind tödlich für den Score. Was folgt, ist der vielleicht beste Abschnitt des Platzes. Die 8 ist ein langes Par 5 (528/528/482/388) bergauf, das besser auf dem langen Weg gespielt wird. Dank eines Hügels sieht man nur von rechts die Fahne, deren Position essentiell ist, um einen 3-Putt auf diesem extrem ondulierten Grün zu verhindern.
Härtetest auf den Back 9
Bahn 9 ist schließlich mein persönlicher Everest. In zehn Runden ist mir auf dem kurzen Par 4 (368/317/317/270 Meter) noch nicht ein Par gelungen – und das trotz Traumausgangslagen nach dem Drive. Mal war der Baum im Fairway im Weg, dann wiederum fiel die Annäherung in die Schlucht vor dem Grün. Ob es nun Windverwirbelungen oder andere externe Einflüsse sind: Aus irgendeinem Grund spielt sich dieses Loch länger als es aussieht. Nach einem coolem, bergab führenden Par 3 beginnt der härteste Teil des Platzes. Die 11 (451/415/415/384 Meter) ist ein wahres Monster, das man auf Bogey spielen muss. Die 12 (495/476/457/374 Meter) braucht einen perfekten Drive auf das schräg weglaufende, schmale Fairway um das Par 5 in Regulation zu erreichen. Und nach einem kurzen Par 4, dessen größte Herausforderung das von rechts nach links abfallende Grün ist, wartet mit der 14 ein langes Par 3 als harter Test.
Die anschließende 15 (556/506/454/362) ist das beste und toughste Par 5, da es gleich ein doppeltes Risk-Reward bietet. Beim Drive kann man zwischen dem langen Weg rechts und dem gut verteidigten Weg links wählen. Und beim zweiten Schlag muss man entscheiden, ob und wie weit man über den Fluss abkürzt, um einen kurzen Schlag ins Grün zu haben. Ist Sand Valley perfekt? Bei weitem nicht. Die 17 ist ein Par 3, das sich absurd lang spielt. Bahn 3 dürften viele aufgrund des kleinen und extrem erhöhten Grüns zurecht als Micky Maus Loch abtun. Und Grünkomplexe wie die 16 werden viele kopfschüttelnd verlassen. Aber genau das ist der Reiz von Sand Valley. Mit jeder Runde versteht man den Platz und wie die einzelnen Löcher attackiert werden müssen, mehr. Kombiniert mit den immensen Variationsmöglichkeiten durch die Fahnenpositionen ist dies ein Platz, den man immer wieder spielen kann ohne dass es langweilig wird.
Gespielt am: 2.-5.7.2020 und 19.-21.9.2020