Es gibt viele Gründe, im Urlaub einen Golfplatz zu spielen. Manch einen hat man im Fernsehen gesehen. Vom nächsten Fotos in einer Golfzeitschrift gefunden. Und der Dritte spricht einen an, weil man schon mal einen anderen Platz des Architekten gespielt hat. Im Falle von Stonewall Orchard reichten als Grund die berühmten Worte von George Mallory: “Weil er da ist”.
Weil mein Flug erst um 22 Uhr ging und ich noch Zeit totzuschlagen hatte, kam nur eine Golfrunde in Frage. Aufgrund der Verkehrssituation in Chicago musste ein Platz her, der möglichst nah am O’Hare Airport und abseits von Staus liegt. Stonewall Orchard erfüllte beide Kriterien. Dass der Platz zudem noch von Arthur Hills designt wurde, der sich mit Oitavos Dunes nahe Lissabon einen Namen gemacht hat, erfuhr ich erst, als ich die Scorekarte in der Hand hielt.
Die erste Assoziation, die während einer Runde in Stonewall Orchard in den Sinn kommt, ist Florida. An einem Ende des Platzes gibt es eine Siedlung, die an Retirement Communitys erinnert. Alle Golfer sind mit dem Cart unterwegs. Und immer wieder gibt es Forced Carrys über sumpfartige Gebiete. Der erste wartet bereits am zweiten Loch. Was auf der Scorekarte wie ein simples, kurzes Par 4 aussieht, ist in Wahrheit gar nicht so harmlos. Da es zuvor fünf Tage geregnet hatte, waren die Fairways überwässert und nahmen den Bällen sämtlichen Roll. Und mit einem 160-Meter-Schlag ins Grün, von dem 150 Meter carry sind, ist das Loch plötzlich nicht mehr so einfach.
Die größte Schwierigkeit von Stonewall Orchard ist es, die richtigen Tees auszusuchen. Zwar sind die silbernen (7124 Yards), goldenen (6506 Yards) und weißen Tees (6032 Yards) insgesamt gleichmäßig gestaffelt. An den einzelnen Löchern sind sie allerdings suboptimal verteilt. Bestes Beispiel ist die Bahn 6. Von Silber (447 Yards) und gold (435) ist das Par 4 ein echtes Monster, das einen mächtigen Drive über ein Wasserhindernis erfordert. Die Alternative sind die weißen Abschläge, die 100 Yards kürzer sind und den Teich komplett aus dem Spiel nehmen. Resultat ist ein Loch ohne Charakter. Diesem Problem eines fehlenden Mittelweges begegnet man auf der Runde immer wieder.
Es ist nicht das einzige Loch, wo eine Chance verpasst wird. Bahn 4 ist ein optisch reizvolles, kurzes Par 4 (340 Yards von den Backtees). Doch die Aufteilung des Loches ist katastrophal. Vom Tee muss man den Driver zücken, um das Wasser zu überwinden. Nur um anschließend ein Wedge in ein Grün zu spielen, das vom Spieler wegläuft. Gute, kurze Par 4s zeichnen sich durch strategische Optionen aus, dieses hier leider nicht.
An Bahn 5, einem Par 3 über Wasser, fehlt wie an der 6 ein mittlerer Abschlag. Von den Fronttees ist das Loch nur 80 Meter, vom zweiten Satz Tees über 150 Meter. Und die 10 könnte schließlich ein gutes Par 5 mit einem S-Verlauf sein, wenn nicht vorne rechts ein riesiger Baum stehen würde, der ein Abkürzen unmöglich locht und die Bahn zu einem monotonen Loch macht, auf der allen die gleichen Schläge vorgeschrieben werden.
Doch es sind alles gute Löcher im Vergleich zur 18, ein absurdes Par 5 mit bis zu 540 Metern Länge. Der Drive führt einen Anstieg hinauf, in dem sich zwei Bunker verbergen (und in meinem Fall sogar noch eine Schar Vögel). Anschließend geht es hinunter in Richtung eines durch Wasser geschützten Grüns, auf dessen rechter Seite eine künstliche Hügellandschaft mit zwei Bunkern platziert wurde. Obwohl die Bahn in den letzten Jahren entschärft wurde (wer früher den Hügel traf, musste mit ansehen, wie sein Ball ins Wasser katapultiert wurde), ist es auch weiterhin ein abstruses Loch.
So bleiben am Ende gerade einmal vier Löcher positiv in Erinnerung: die 8 – ein Par 5, bei dem die Abschläge sinnvoll platziert wurden. Von den Backtees spielt man in ein diagonal weglaufendes Fairway, während man von den vorderen Tees ein gut einsichtliches, aber immer noch herausforderndes Par 5 hat. Die 12 – ein kurzes Par 4 mit gut platzierten Fairwaybunkern in der Landezone. Die 13 – ein schickes Sumpf-Par 3 mit 135 Meter Forced Carry von weiß. Und die 15, auf der ein diagonal verlaufender Fairwaybunker jedem Spieler die Chance gibt, seine ganz persönliche Risk-Reward-Spiellinie zu wählen.
Doch am Ende reichen diese Löcher nicht aus, um den Gesamteindruck nach oben zu ziehen. Zu viele vermurkste Löcher drücken den Spielspaß. Dabei wäre es gar nicht schwierig, aus diesem Platz einen anspruchsvollen, aber dennoch fairen Parkland-Course zu machen. Alles was man tun müsste, ist ein paar neue Teeboxen zu bauen und die 18 in die Luft zu sprengen.
Gespielt am: 3.10.2016