These shoes are made for golfing

Meine Golfschuhe gehören eigentlich auf den Müll. Manch ein Flightpartner hat angesichts dieser ausgelatschten und eingerissenen Teile die Nase gerümpft. Die Sohlen lösen sich allmählich vom Rest der Schuhe ab. Wasserdicht sind diese schon lange nicht mehr, dafür aber gut belüftet. Trotzdem kann ich die Latschen in Größe 45 niemals zu meinen Lebzeiten wegwerfen. Und Schuld daran ist der derzeit beste Golfer der Welt.

Im August 2006 fuhr ich als Autor für das Golfmagazin PLOCK! nach Odense (ein PDF des Artikels gibt es hier zum Download), Dänemark. Ich sollte dort ein Portrait über einen jungen deutschen Nachwuchsgolfer schreiben. Der Kerl hatte jüngst eine 59er-Runde gespielt, den ersten Platz bei einem Challenge-Tour-Event in Düsseldorf gemacht und war gerade frisch bei der drittklassigen EPD-Tour eingestiegen. Im Hamburger Golfclub Am Hockenberg hatte ich ihn kurze Zeit nach seinem Turniererfolg für ein schnelles Interview getroffen, einen Tag später spielte er dort einen neuen Platzrekord. Der schüchterne Lulatsch hieß Martin Kaymer.

Dank eines kleinen Gemauschels mit dem Turniersponsor ECCO hatte man meine golferische Nichtigkeit dem jungen Herrn Kaymer zusammen mit zwei Dänen als Partner für das Pro-Am in Odense zugeteilt. Ich war ziemlich aufgeregt, denn mein Spiel war zu diesem Zeitpunkt auf dem absoluten Tiefpunkt. Der Slice war mein bester Freund. Doch schon nach drei Löchern merkte ich, dass ich mir keine Sorgen machen musste. Kaymer spielte wie von einem anderen Stern. Ultralange Drives, zielsichere Eisen, ein kurzes Spiel wie aus dem Bilderbuch und das Putten schien auch kein Problem. Dazu war der Junge aus Mettmann komplett tiefenentspannt und ertrug mein Gehacke nicht nur mit stoischer Ruhe, sondern auch mit Humor.

Nicht nur ich war begeistert von Kaymer. Zwei britischen Challenge-Tour-Pros, die eigentlich nur den Platz begehen wollten, fielen angesichts des Traumschwungs des ihnen völlig unbekannten Deutschen die Kinnladen auf den Abschlag. Drei Löcher folgten sie uns staunend. Dann blieben sie ratlos irgendwo auf dem Fairway stehen. Wahrscheinlich überlegten sie, ihren Beruf an den Nagel zu hängen.

Nur ein einziges Mal spielte Kaymer Murks. Am schwierigsten Loch, einem relativ langen Par-5, fabrizierte er ausnahmsweise kein Par oder Birdie. Die anderen beiden Mitstreiter patzten auch. Dafür schlug meine Sternstunde. Die einzige an diesem Tag. Mit fünf Schlägen lochte ich ein. Die dafüf eingesackten Stableford-Punkte lagen gefühlt im zweistelligen Bereich.

Letztendlich gewannen wir das Turnier überlegen. Kaymer freute sich wie ein Schneekönig. Es war der allererste Pro-Am-Sieg seiner Karriere. Als letztes hatte er eines in Polen gespielt und da waren ihm leider nur die vielen schönen Mädels in positiver Erinnerung geblieben.

Kaymer war an diesem Nachmittag ein extrem angenehmer Zeitgenosse. Er erzählte offen von den Problemen als frischgebackener Profi. Die viele Schmutzwäsche, die sonst immer von Mutter vernichtet wurde, nervte ihn gewaltig. Genauso wie die einsamen Stunden im Hotelzimmer irgendwo in der europäischen Fremde. Und die Mietwagen gingen ihm ebenfalls auf den Geist. Das Navigationsgerät hatte ihn doch gestern tatsächlich nicht nach Dänemark, sondern nach Schweden geführt. Zum Glück fand Kaymer noch auf den richtigen Weg zurück.

Ich würde gerne schreiben, dass wir an diesem Tag Freunde geworden sind. Sind wir leider nicht. Dafür durfte ich einen Profigolfer kennenlernen, der schon damals aus der Masse der Talente wie ein Leuchtturm hervorstach: Mit seiner Bodenständigkeit, einem gesunden Ehrgeiz, einer unglaublichen Selbstdisziplin und seiner erfrischenden Unbedarftheit der Presse gegenüber, die er spätestens nach einem nicht ganz so schmeichelhaften Artikel im DER SPIEGEL zu Recht abgelegt hat.

Was das alles mit meinen zerlumpten Schuhen zu tun hat? Nun ja, die Teile gab es zusammen mit anderem Klimbim (Wein, Schlägerfittings etc.) als Preis für den Sieg beim Pro-Am, das ich zusammen mit dem derzeit besten Golfer der Welt gewonnen habe. Braucht es mehr als diesen Grund, um dieses Paar Schuhe selbst dann stolz zu tragen, wenn nur noch die Schnürsenkel es an meinen Füßen hält? Ich denke nicht.

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