Als Herausgeber einer Sportvideospiel-Reihe hat man es nicht leicht. Jedes Jahr muss man sich etwas einfallen lassen, um dem Käufer einen neuen Kaufanreiz zu bieten. Bei Fußball, Football- und Baseball-Spielen tut es oft schon die Aussicht, den neuesten Star der eigenen Lieblingsmannschaft auch virtuell im Team zu haben. Bei einem Golf-Videospiel fällt diese Option flach. Was also tun? Nachdem man vor einigen Jahren erstmals den Ryder Cup integrierte und letztes Jahr endlich den seit Jahrzehnten von allen Spielern herbeigesehnten Masters-Austragungsort Augusta National ins Spiel eingegliedert hat, werden die Optionen immer weniger. Also hat man sich für die 15. Auflage des Spiels auf etwas völlig anderes konzentriert: eine Komplett-Überarbeitung der Schwung-Steuerung.
Ross Fisher ist dieses Jahr in animierter Form neu dabei.
Martin Kaymer findet sich weiterhin nicht einmal auf den Leaderboards
Total Swing Control nennt sich das neue Baby und gibt dem Videospieler so viele Schwungvariationen wie noch nie an die Hand. Man kann jetzt den Stand des virtuellen Spielers öffnen oder schließen um einen Fade oder Draw zu spielen und dazu die Position des Balls im Stand für einen höheren bzw. niedrigeren Ballflug verschieben. Eine tolle Spielerei, die es dem Spieler recht simpel macht, schwierige Fahnenpositionen zu attackieren – und sehr simpel zu lernen ist. Weitaus größere Probleme machen da schon die neuen Ansprüche an den Schwungrhythmus. Konnte man das System bisher dadurch austricksen, dass man ausholte und sich dann erst einmal eine Minute sammelte um den Stick möglichst gerade zurückzuschieben, so wird dies in der 13er-Version gnadenlos bestraft. Wie beim echten Golf ist jetzt ein harmonischer Schwungrhythmus gefragt, was den Spieler besonders bei Gefühlsschwüngen wie Pitches und Chips vor große Probleme stellt. Vor allem bei Schlägen aus Rough oder Bunker ist dabei Multitasking gefragt, denn zusätzlich zum Schwung mit dem linken Stick, muss man mit dem rechten auch noch den richtigen Treffpunkt aus (oder vor) dem Ball ansteuern.
Diese Total Swing Control ist dann auch der Grund, dass Tiger Woods PGA Tour 13 die realistischste Golf-Simulation ist, die es je gegeben hat. Nicht etwa, weil man fünf Jahre nach der ersten Version auf der Wii (die dieses Jahr übrigens nicht unterstützt wird) endlich eine realistische Umsetzung des Golfschwungs hinbekommen hat. Vielmehr gelingt es dem Spiel akkurat ein Gefühl zu transportieren, das jeder Golfer kennt: die unglaubliche Frustration mit zwei Schlägen 350 Meter überwunden zu haben – nur um danach noch vier weitere auf dem Grün zu brauchen.
Denn auch beim putten ist das A und O Rhythmus. Es reicht mittlerweile nicht mehr, bis zur richtigen Länge auszuholen und dann möglichst gerade zurückzusteuern: Geht der Stick dabei zu schnell nach vorne, rollt der Ball leicht mal 10 Meter über das Loch. Ist man zu zaghaft, bewegt er sich nur wenige Zentimeter. Die Schwierigkeit des Puttens variiert dabei je nachdem welche Version des Spiels, welchen Controller und welchen Schwierigkeitsgrad man benutzt. Am anspruchsvollsten ist es mit dem normalen Controller ab der Tour Pro Stufe, etwas leichter ist der Sony Move Controller und die simpelste Form des Spiels ist Kinect für die X-Box, das dieses Jahr zum ersten Mal unterstützt wird.
Gewöhnungsbedürftig ist bei der Kinect vor allem, dass man mit dem Gesicht zum Fernseher spielt und nicht wie der zu steuernde Golfer seitlich steht. Richtig problematisch ist es allerdings, die zahlreichen Menüs des Spiels per Handbewegung zu steuern. Das ist vermutlich auch der Grund, warum man bei der Kinect kein Steuergerät in der Hand hält: Man würde es nach kurzer Zeit frustriert durch den Raum pfeffern. Insgesamt ist die Kinect aber die perfekte Party-Variante des Spiels. Die Steuerung ist sehr fehlerverzeihend und gibt Nicht-Golfern und unkonventionellen Schwingern eine faire Chance.
Die Schwungebene ist in diesem Jahr wichtigstes visuelles Hilfsmittel zur Kontrolle des Schwungs
Die Move-Version dagegen bietet das bisher realistischste Abbild eines Golfschwungs, das man in einem Videospiel bekam. Das heißt aufgrund der mangelnden Qualität früherer Versionen allerdings nicht viel. Wer wie bei einem echten Golfschwung die Handgelenke einsetzt, wird vom Spiel gnadenlos mit einem üblen Hook bestraft. Lässt man hingegen das Handgelenk steif, sind zumindest volle Schläge kein Problem. Ein echter Horror mit der Move sind dagegen Bunkerschläge, Pitches, Chips und natürlich auch die Putts.
Wer jedoch das Spiel ernsthaft bestreiten möchte, kommt am konventionellen Controller nicht vorbei. Doch auch hier braucht man vor allem eines: viel Geduld. Im vergangenen Jahr konnte man nach nur wenigen Wochen spielen auf jedem Platz der Welt eine Runde in den 50ern spielen. Das kann man sich in der 13er-Variante erst einmal abschminken. Das ist erst einmal frustrierend, fördert aber natürlich den Langzeit-Spielspaß. So schön es im wahren Leben auch ist, den Rest in Grund und Boden zu spielen. Wenn bei Videospielen die Herausforderung fehlt, verliert es schnell seinen Reiz.
Ein kleiner Tiger. Oh wie süüüüüüß… Aber leider auch zum zzzzzzzzzzz
So revolutionär die Spielsteuerung ist, so konventionell ist dagegen der Rest des Spiels. Als zweiten Trumpf werfen die Entwickler von EA Sports ein Feature namens “Legacy Challenge” ins Feld, die den Spieler in verschiedenen Mini-Games das Leben von Tiger Woods nachspielen lässt. Allen, die sich jetzt schon die Hände reiben und auf einen Mix aus “Leisure Suit Larry” und “Grand Theft Auto” hoffen, soll jedoch schon mal gesagt sein, dass es sich dabei nur um eine Ansammlung von Mini-Games handelt, die den Spieler von Tigers erstem Putt im Fernsehen bis – in einem Anflug von Science-fiction – zur Verbesserung von Jack Nicklaus’ Major-Rekord führt. Leider ist dieser Modus so unfassbar monoton und langweilig, dass man ihn am Besten schnell wieder in die Tonne haut.
Neue Plätze | Plätze aus TW PGA 12 | Entfallene Plätze |
---|---|---|
Bethpage Black | Augusta National | Atlanta Athletic Club |
Crooked Stick | Celtic Manor | Augusta National Par 3 |
Kiawah Island | East Lake Golf Club | Costa Navarino |
Royal Birkdale | Pebble Beach | Liberty National |
Royal County Down | Royal Melbourne | TPC San Antonio |
The Els Club | St. Andrews Old | The Old White TPC |
Torrey Pines South | TPC Sawgrass | Waialae |
Valhalla | TPC Scottdale | Whistling Straits |
So bleibt der größte Spaß auch in diesem Jahr weiterhin der Karriere-Modus, in dem man einen eigenen Golfer kreieren und sich auf diversen Turnieren vom Amateur zum multiplen Major-Sieger hocharbeiten kann. Wie gehabt werden dafür 16 Plätze – darunter wieder Augusta National – mitgeliefert, weitere können kostenpflichtig hinzugekauft werden, bzw. sollen erstmals auch mit großer Hartnäckigkeit nach langer Spielzeit freigespielt werden können. Die Grafik ist dabei wie in jedem Jahr atemberaubend. Als besonderes grafisches Leckerbissen erweist sich dabei ein Debütant: der irische Traumplatz Royal County Down. Die Dünen, der blühende Ginster und die im Hintergrund an den Strand rauschenden Wellen sind dabei so gut realisiert worden, dass man sofort in den Flieger nach Dublin steigen und den Platz in der Realität nachspielen möchte. Was will man mehr von einem Golf-Videospiel verlangen?
Royal County Down: Das Schmuckstück der neuen Plätze