Warum Martin Kaymer kein Puttproblem hat

Es passte perfekt ins Bild: Martin Kaymer verabschiedete sich in der letzten Woche von der World Match Play Championship mit einem verschobenen Putt aus einem Meter, der selbst seinen Gegner Richard Finch sprachlos machte. Die ersten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: In Foren wurde eine Rückkehr zu seinem alten Putter gefordert und vermeintliche Golfjournalisten verkündeten “zum wiederholten Mal in dieser Saison hat der Putter ein besseres Ergebnis verhindert.”

Wer konnte es ihnen verübeln, schließlich hatte Martin Kaymer dieser Argumentation bereitwillig Tür und Tor geöffnet als er völlig überraschend kurz vor dem Masters von seinem traditionellen Blade-Putter auf ein Two-Ball-Modell wechselte und nach der zweiten Runde verkündete “Mein langes Spiel war extrem gut, aber auf dem Grün läuft es einfach nicht.” Es ist ein Mantra, dass sich hartnäckig durch Kaymers Interviews in 2012 zieht. Immer wieder klagte er, dass er sein exzellentes langes Spiel nicht in Birdies umwandeln könne, und auch in seiner Pressekonferenz vor der BMW PGA Championship verkündete der Deutsche wieder sein großes Defizit sei auf dem Grün: “Wenn ich andere Top-Spieler betrachte, dann putten einige besser als ich.” Und um seine völlige Verunsicherung noch einmal deutlich zu machen, wechselte er anschließend wieder auf seinen alten Blade-Putter zurück.

Nun wird Martin Kaymer sein Spiel besser kennen als jeder andere, trotzdem wage ich es einfach mal die These aufzustellen, dass er sich selber belügt. Kaymer ist nach wie vor einer der besten Putter der Welt und der Grund, dass er in dieser Saison bisher noch nicht die gewohnten Ergebnisse einfahren konnte, liegt nicht auf den Grüns sondern 100-200 Meter davor. Eine Theorie, die ich das erste Mal während des Masters hatte als man bei den wenigen Bildern, die man von Kaymer sah, immer wieder erkennen konnte, dass er sich mit Eisenschlägen auf den undankbarsten Stellen des Grüns platziert hatte und so in 3-Putt-Gefahr geriet. Eine Bestätigung dafür fand sich auch in den Statistiken wie es in einer unmittelbaren Nachbetrachtung des Masters auf diesem Blog bereits zu lesen war.

Masters Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 61,11 83,33 50 50 61,10% 29
Fwy 78,57 92,86 71,43 78,57 80,36% 9
Putts 26 37 30 28 30,25 41
GIR Putts 1,753


Man sieht deutlich: Kaymer hatte in der zweiten Runde – in deren Nachklapp seine Aussagen entstanden – einen katastrophalen Tag auf den Grüns erwischt. Vier Drei-Putts sind für einen Profi, egal auf welchem Platz der Welt, einfach inakzeptabel. Doch ein einziger Tag macht noch keinen schlechten Putter, und wenn man sich die anderen drei Runden anschaut, lagen Kaymers Probleme eher darin, dass er trotz vieler Fairwaytreffer kaum Grüns erreichte und für das Wochenende sogar ganz am Ende der Greens-in-Regulation-Statistik anzutreffen war. Könnte es vielleicht sein, dass er eher ein Problem mit den Schlägen ins Grün hat und 3-Putts sowie verpasste Pars nur ein Resultat einer schlechten Ausgangslage sind? Um das zu hinterfragen schauen wir uns einfach mal Kaymers European-Tour-Statistiken an.

2007 2008 2009 2010 2011 2012
Fairwaytreffer 61,85% (76) 57,94% (135) 62,11% (74) 65,99% (35) 60,90% (91) 61,9% (78)
Greens in Regulation 69,34% (44) 71,06% (22) 71,86% (26) 70,34% (37) 72,94% (22) 68,7% (106)
Putts / Runde 30,04 (110) 29,76 (73) 28,50 (2) 29,07 (28) 29,24 (31) 29,2 (32)
Putts / GiR 1,81 (112) 1,79 (70) 1,72 (2) 1,76 (14) 1,74 (7) 1,775 (57)

Die Saisonstatistiken scheinen zuerst einmal die These zu bestätigen. Noch nie in seiner Karriere – nicht einmal in seiner Rookie-Saison – war Martin Kaymer bei den Greens in Regulation auf einem so niedrigen Rang anzutreffen und erstmals seit 2007 befindet er sich bei unter 70% getroffener Grüns. Bei den Putts pro Runde hingegen bleibt er stabil. Das sagt allerdings nichts, denn wer weniger Grüns trifft, braucht automatisch auch weniger Putts pro Runde weil er in der Regel einen Chip-Putt macht. Die Putts pro Greens in Regulation hingegen sprechen dafür, dass er auch mit dem Putter schwächer geworden ist.

Man sieht also: Ein Blick auf die Saisonstatistik ist nicht wirklich repräsentativ. Zu wenige Turniere hat Kaymer 2012 auf der European Tour gespielt – und das auch noch auf ganz anderen, anspruchsvolleren, Plätzen als die meisten Konkurrenten. Oder will jemand ernsthaft behaupten, Victor Dubuisson sei einer der besten Eisenspieler der European Tour nur weil er in der Statistik weit vorne liegt? Natürlich nicht. Um ein realistischeres Ergebnis zu bekommen, muss man daher Kaymers Turniere isoliert betrachten und seine Leistung dort direkt den Konkurrenten gegenüber stellen. Findet man dort eine durchgängige Tendenz, kann man repräsentativere Rückschlüsse ziehen. Beginnen wir mit den reinen European-Tour-Events:

Abu Dhabi CC Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 61,1 61,1 61,10% 58
Fwy 57,1 35,7 46,40% 47
Putts 33 29 31 67
GIR Putts 2 1,91 1,954 70

Qatar Masters Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 66,67 72,22 83,33 74,10% 22
Fwy 42,9 64,3 50 52,40% 26
Putts 29 29 29 29 17
GIR Putts 1,67 1,92 1,73 1,774 30

Dubai Desert C. Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 83,33 77,77 77,77 66,67 76,40% 18
Fwy 78,57 64,29 64,29 42,9 62,50% 34
Putts 29 27 29 31 29 24
GIR Putts 1,667 1,643 1,786 1,917 1,753 32

Malaysian Open Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 72,2 72,2 61,1 50 63,90% 56
Fwy 78,6 71,4 64,3 42,9 64,30% 22
Putts 27 27 30 27 27,8 4
GIR Putts 1,538 1,615 1,818 1,555 1,632 4

BMW PGA Championship Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 72,2 83,3 66,7 55,6 69,40% 14
Fwy 78,6 64,3 50 64,3 64,30% 18
Putts 29 31 24 29 29,8 30
GIR Putts 1,85 1,8 2 1,6 1,82 48

BMW Open Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 61,1 55,6 58,30% 41
Fwy 64,3 35,8 50% 58
Putts 28 28 28 6
GIR Putts 1,909 1,7 1,809 51

Open de France Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 66,7 61,1 50 61,1 59,70% 52
Fwy 71,4 72,9 50 78,6 60,7% 29
Putts 29 29 28 32 29,5 34
GIR Putts 1,833 1,818 1,667 1,909 1,813 51

Scottish Open Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 83,3 61,1 94,4 77,8 79,20% 28
Fwy 92,9 71,4 78,6 71,4 78,6% 22
Putts 30 24 34 32 30 31
GIR Putts 1,733 1,363 1,941 1,929 1,771 25

Die Abu Dhabi Championship kann man erst einmal so gut wie vergessen. Hier ging so gut wie nichts bei Kaymer zusammen, egal ob am Abschlag, beim Spiel ins Grün oder auf der Puttoberfläche selber. Der verpasste Cut lässt sich daher nicht an einem einzelnen Problem festmachen, wobei fast zwei Putts pro getroffenem Grün für einen Profi eine absolute Katastrophe sind. Auch 61% getroffene Grüns ist nicht berauschend, was aber auch darin begründet lag, dass Kaymer sehr wenige Fairways getroffen hat und von daher von vornherein schlechte Karten hatte.

Die beiden darauffolgenden Wochen fing sich Kaymer wieder, erst beim Qatar Masters mit Platz 9 und auch bei der Dubai Desert Classic mit Platz 13. Die Verbesserung in allen Kategorien der Statistik sind auffällig, vor allem der Sprung, den er in den Greens in Regulation machte. Die größte Schwäche – falls man dies so nennen kann – war in diesem Fall tatsächlich das Putten, wo Kaymer rein nach der Platzierung im Feld am Schlechtesten abschnitt. Interessant ist, dass es dennoch zu einer Spitzenplatzierung reichte – was einmal mehr beweist, dass die getroffenen Grüns der wohl wichtigste Faktor für eine Spitzenrunde sind (es sei denn man heißt Phil Mickelson und besitzt das beste Kurzspiel der Welt).

Auf jeden Fall lässt sich an diesen Zahlen erkennen, warum Martin Kaymer das Gefühl hatte, er müsste einen Putterwechsel durchführen um weiter nach vorne zu kommen. Zwar besitzen auch die Putts/GiR nur eine bedingte Aussagekraft (es ist schließlich wichtig wie weit man mit den Eisen von der Fahne entfernt war), doch kombiniert man die Zahlen mit Kaymers eigenem Bauchgefühl machte der Putterwechsel durchaus Sinn – besonders wenn man schaut was danach herauskam.

Die Zahlen für das Masters sind oben bereits analysiert, aber noch interessanter sind vielleicht die der Malaysian Open als Kaymer plötzlich in den Putt-Kategorien an vierter Stelle auftaucht. Ein Alarmsignal waren jedoch die Greens in Regulation, die die Tendenz vom Masters-Wochenende fortsetzten. Platz 56 von nur 72 Spielern ist ein desaströses Ergebnis. Dass er im Gesamtergebnis dennoch Siebter wurde beweist, dass Kaymers kurzes Spiel sich mehr als sehen lassen kann.

In den Wochen danach sank die Qualität seines Spiels auf den Grüns zwar ab, doch das Kernproblem blieb gleich: die Greens in Regulations sind einfach zu wenig. Im Endeffekt führt dies dazu, dass Kaymer in Wochen wo der Putter heiß läuft die Top 20 erreicht und in Wochen wo er kalt bleibt, den Cut verpasst. Das ist der Hauptunterschied zu 2010 wo er mit gutem putten die Turniere gewann und bei schlechtem putten in der Regel noch im Mittelfeld landete.

Es scheint also so zu sein, dass der von vielen Fans verteufelte Putterwechsel eine gute Entscheidung war und dass die schwächeren Ergebnisse tatsächlich am schwachen Eisenspiel lagen. Doch wie schon mehrfach erwähnt, liefern die Zahlen der European Tour nur unzureichendes Material um das putten richtig beurteilen zu können. Doch glücklicherweise hat Kaymer auch drei Mal in den USA gespielt, wo man durch die neugeschaffene Kategorie “Strokes Gained Putting” ein objektives Bild über die Puttleistung bekommt. Wer noch nicht weiß, wie dies funktioniert: grob zusammengefasst kann man sagen, dass ein Computer für jede Puttdistanz ausrechnet, wieviele Schläge das Feld im Durchschnitt braucht, um den Ball von dort ins Loch zu bekommen und das Ergebnis jedes einzelnen Spielers damit vergleicht. Am Ende kommt eine Zahl heraus, die aussagt wieviele Schläge man im Vergleich zum Feld auf den Grüns gewonnen oder liegengelassen hat.

Die ersten Zahlen stammen von der Cadillac Championship, wo Kaymer noch mit seinem Ping-Putter unterwegs war, ab der Players Championship steckte dann der Odyssey-Putter im Bag.

Cadillac CC Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 50 78 67 33 56,90% 47
Fwy 50 79 64 43 58,90% 11
Putts 28 25 29 23 26,3 6
GIR Putts 1,778 1,429 1,667 1,833 1,634 9
Strokes Gained -0,144 2,275 -1,889 1,931 0,543 19

The Players Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 67 61 61 56 61,10% 64
Fwy 71 86 64 79 75,00% 3
Putts 31 26 28 26 27,8 7
GIR Putts 2 1,545 1,636 1,8 1,75 28
Strokes Gained -2,732 0,988 2,213 2,074 0,636 24

Bridgestone Invtl. Runde 1 Runde 2 Runde 3 Runde 4 Gesamt Platz
GIR 56 50 67 61 58,30% 48
Fwy 57 57 57 64 58,90% 10
Putts 27 29 30 28 28,5 24
GIR Putts 1,7 1,778 1,750 1,636 1,714 14
Strokes Gained 2,044 0,078 -0,964 1,006 0,541 19

Was auffällt, sind die Gemeinsamkeiten in den Zahlen. Da wäre zum Einen die überragende Platzierung bei den Fairwaytreffern, die Kaymer eigentlich eine perfekte Ausgangsbasis für viele Greens in Regulation geben sollte. Doch was hat der Deutsche daraus gemacht? Zwölf Runden in denen er im Schnitt weniger als 60% der Grüns traf und sich damit nur um Platz 50-60 eingefunden hat. Warum er am Ende dennoch zwei Top-20-Platzierungen eingefahren hat? Sein gutes Putten. Von den zwölf Runden hat er nur in dreien schlecht geputtet (Runde 3 der Cadillac und der Auftakt der Players), in zwei mäßig und in den restlichen sieben herausragend. In gleich fünf Runden holte er mehr als zwei Schläge pro Runde heraus und dabei war es völlig egal welchen Putter er benutzt hat.

Es ist also keinesfalls alarmierend wie Kaymer puttet – ganz im Gegenteil. Alarmierend ist nur, dass er mit seinen Putterwechseln sein Selbstbewusstsein auf den Grüns unterminiert. Ein Umstand, der schon viele Karrieren ins Stocken gebracht hat – man denke nur an Mark “Ich wechsle meinen Putter öfter als meine Unterwäsche” Calcavecchia. Und Kaymer tut dies, wenn man den Statistiken glauben darf, ganz ohne Grund. Denn die suggerieren eher, dass er einfach wieder ein wenig an seinem Eisenspiel feilen muss, um zurück in die Erfolgsspur zu kommen.

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