Heute nachmittag ging ich aus einer Laune heraus auf die Facebook-Seite der “Golf Time”. Ganz oben klebte ein frisch veröffentlichter Artikel über Tiger Woods’ Nichte Cheyenne Woods, die ein Cover-Shooting für das Magazin “So, Scottsdale” gemacht hatte. Aus Neugier klickte ich den Link an und kam auf eine kurze Geschichte, die scheinbar das Essentielle der Coverstory zusammenfasste. Das ist zwar journalistisch keine Meisterleistung, doch das Übersetzen und dann einfach auf deutsch veröffentlichen ist ja mittlerweile leider zum Standard auf Golfseiten geworden. Immerhin hatte die Golf Time den Anstand die Original-Quelle zu erwähnen und die Übersetzung damit einzuleiten, dass Cheyenne Woods “in der Coverstory des Magazins ganz offen über ihr Leben” erzählt. Das Einzige, was man kritisieren könnte war, dass kein Link zu der online verfügbaren Quelle gesetzt wurde.
Schaut man jedoch näher hin, gibt es wohl einen Grund, warum der Link fehlte: denn dann hätte jeder feststellen können, dass ein Großteil der Zitate gar nicht aus der Geschichte stammt und bestenfalls anderweitig geklaut, schlechtestenfalls erfunden wurden. Ein wenig stutzig geworden, setzte ich einen Facebook-Kommentar unter den Artikel in der Hoffnung, die Redaktion würde das Missverständnis aufklären.
Doch die Social Media Abteilung der “Golf Time”, die normalerweise jedem Kommentar auf ihrer Seite innerhalb von Sekunden ein “Gefällt Mir” verpasst, um populärer zu werden, antwortete nicht etwa. Sie löschte den Link kurzerhand von Facebook. Und siehe da: wenige Minuten später war auch der Artikel selbst von der Homepage des Magazins verschwunden. Für gewöhnliche poste ich aus Copyright-Gründen keine kompletten Artikel anderer Seiten, aber da die Original-Quelle nicht mehr vorhanden ist, um die Korrektheit der Zitate zu belegen, bleibt mir in diesem Fall keine Alternative zum Screenshot von dieser nicht mehr erreichbaren Seite.
Versucht man die drei verwendeten Zitate aus der Golf Time im Original-Artikel zu finden, kann man schnell ein Muster erkennen. Beginnen wir einmal mit diesem hier:
“Sobald ich frei habe, setze ich mich sofort in Flugzeug und fliege zu meiner Familie nach Arizona. Hier kann ich perfekt entspannen und den ganzen Tag mit meinen engsten Freunden verbringen. Dann ist es so, als wäre ich nie weg gewesen.”
Hierzu findet sich im Original-Artikel kein passendes Zitat – allerdings gibt es zwei Abschnitte, die nahezu das Gleiche aussagen.
“Woods says even to this day, when she comes back to Scottsdale (where she currently resides) after traveling and gets some down time, hiking the mountains and trails around North Scottsdale and Phoenix is one of her favorite things to do.” (…) “After being on the road, the golfing ace adds that she still loves to come home to Scottsdale whenever she does get a chance, enjoying the moments she gets to spend in the Valley with family and friends. And any trip back home does include visits with her considerate friends and family.”
Man sieht: Der gesamte Abschnitt ist im Original-Artikel in indirekter Rede gehalten. Tatsächlich findet sich aber auch ein relativ ähnliches Original-Zitat – allerdings nicht im angeblich zitierten Artikel, sondern in einem ganz zufällig heute veröffentlichten Artikel von Bunkered Magazin. Nirgends jedoch findet sich der letzte von Golf Time zitierte Satz: “Dann ist es so, als wäre ich nie weg gewesen.”
Eine Auffälligkeit, die sich auch im zweiten Zitat der Golf Time findet:
“Ganz wichtig für das Leben auf der Tour ist sicher meine Mum. Sie sucht für mich günstige Flüge raus, bucht mir gute Hotels und kümmert sich auch darum, wenn ich mich unterwegs mal etwas einsam fühle. Auch die Idee mit dem Fotoshoot fand sie gut und hat mich unterstützt, das zu machen. Und dafür bin ich sehr dankbar”.
Dieses Zitat ist tatsächlich im oben verlinkten Artikel von “So Scottsdale” zu finden – zumindest der Mittelteil. Den ersten und den letzten Satz hat die Golf Time dann wieder hinzugedichtet, den letzten Satz vielleicht aus diesem Podcast der LPGA-Tour, der erste ist hingegen allem Anschein nach ebenso kreative Freiheit wie das Kompliment über das Fotoshooting, das im gesamten “So Scottsdale”-Artikel nicht erwähnt wird.
Und natürlich ist auch das dritte und letzte Zitat von der Golf Time nicht korrekt übernommen:
“Ich habe zwar einen berühmten Verwandten, ich bin aber ein ganz anderer Mensch und möchte als Cheyenne wahr genommen werden. Alles, was ich mir erarbeitet habe, ist mein eigenes [sic!] Verdienst.”
Hier findet sich wieder der Fall, wo eine indirekte Passage aus “So Scottsdale” einfach mal so in ein direktes Zitat umgewandelt wurde. Ein journalistisches No-Go. Und nicht nur das, erneut lässt sich der letzte Satz nicht im angeblich zitierten Artikel finden, sondern am ehesten noch in einem von Cheyenne Woods geschriebenen Artikel aus der Players Tribune.
Offensichtlich wollte man bei der “Golf Time” nicht den Eindruck erwecken, dass alles abgeschrieben ist und hat einfach in diversen Fällen die Original-Quelle nicht genannt. Etwas, was man dort gerne einmal bei einzelnen Artikeln vergisst. Nur auf eines kann man sich immer hundertprozentig verlassen: dass unter jedem der abgeschriebenen Artikel der Copyrightvermerk der Golf Time steht.
Disclaimer: Ich habe als freier Mitarbeiter Beiträge für die im gleichen Segment wie “Golf Time” tätige Zeitschrift “Golf Punk” verfasst.