Chambers Bay: Die Kritik in der Kritik

Selten hat ein Golfplatz soviel Kritik bekommen wie Chambers Bay in dieser Woche. Was am Donnerstag mit ein paar sanften Ohrfeigen begann, artete spätestens am Sonntag zu einer regelrechten Schulhofschlägerei aus. Sicher hatte Chambers Bay seine Probleme, aber dank Twitter hatte sich die Kritik irgendwann verselbstständigt. Es ist ja auch leichter, sich einem Lynchmob anzuschließen, als beim Blick in den Spiegel zu erkennen, dass man vielleicht auch mal vor der eigenen Haustür kehren müsste. Höchste Zeit einmal die Jammerspreu vom durchaus berechtigten Kritikweizen zu trennen.

Henrik Stenson und Rory McIlroy


Ernstzunehmen: 90% Es kann keiner leugnen, dass die Grüns problematisch waren. Und bei einem impulsiven und explosiven Typen wie Henrik Stenson muss der Frust natürlich raus. Immerhin hat er es dieses Mal mit Humor statt Gewalt genommen, ebenso wie Rory McIlroy.

Chris Kirk


Ernstzunehmen: 0% Chris Kirk scheint der Typ zu sein, der erst abschreibt und dann den anderen verpetzt, wenn er erwischt wird. Die ganze Woche über sagte er kein Wort, aber dann kommt die volle Breitseite – rein zufällig 5 Stunden nachdem er zu doof war aus einem Fehler zu lernen.

https://www.youtube.com/watch?v=Rrfs-QJYCw4

Camilo Villegas


Ernstzunehmen: 15% Hier lässt offenbar auch jemand einfach nur seinen Frust über eine richtig miese Woche raus. Der Vorletzte unter den Spielern im Cut lederte einfach mal los. Dabei lag seine 80 in Runde drei vor allem an seinem unterirdischen langen Spiel. Und nach der Proberunde am Dienstag fand er noch alles Sahne.

Ian Poulter


Ernstzunehmen: 25% Der Engländer nimmt für gewöhnlich via Twitter kein Blatt vor den Mund. Er zählt andere Spieler an und beschwert sich über First World Problems, wenn etwa seine Nanny keinen Platz in der Business Class bekommen hat. Man sollte also erwarten, dass er als allererster Probleme mit den Grüns anspricht. Aber nein, der feine Herr Poulter wartet damit bis Gary Player mit seiner Attacke allen anderen quasi einen Freibrief erteilt hat. Das Foto aus der Froschperspektive ist dabei natürlich ziemlicher Blödsinn. Wer einfach mal das Smartphone auf das Sofa stellt und den Stoff entlang fotografiert, wundert sich auch warum er keine Striemen auf dem Allerwertesten hat. Poulters Rundumschlag liefert uns aber eine schöne Sache: Einen Einblick in das Seelenleben der verwöhnten Tourspieler. Denn die Aussage, dass viele Spieler am Mittwoch zurückgezogen hätten, wenn es kein Major wäre, ist nicht nur ein Armutszeugnis sondern leider auch wahr. Wenn irgendwas nicht nach ihrer Fasson ist, ziehen die Diven zurück. Und wer ist immer ganz vorne dabei? Poulter.

Gary Player


Ernstzunehmen: 50% Die Kernaussage von Gary Player ist vollkommen korrekt: der Golfsport ist in einer ernsten Krise, weil USGA und R&A es versäumt haben, der Technik – insbesondere dem Ballflug – Herr zu werden. Resultat sind immer längerer Plätze, immer mehr Kosten, immer mehr Zeitbedarf und höhere Frustration bei Amateuren. Der Rest seiner Aussagen sind bestenfalls scheinheilig, schlechtestenfalls einfach nur Müll. Da wäre zum Einen das Gerede vom 7900 Yard Platz. Dies wäre die Maximallänge für die US Open gewesen – die übrigens an keinem Tag erreicht wurde. Regulär liegt die Championshiplänge bei 7585 Yards – und weil der Platz auf Sand gebaut und knochenhart ist, spielt er sich viel viel kürzer. Anders als beispielsweise der südafrikanische Fancourt Links, der von den Backtees nahezu genauso lang ist. Architekt: Gary Player. Dass Player ein ernstes Gesicht bewahren kann, während er (das im Hintergrund gut gebräunte) Chambers Bay als Wasserschlucker verdammt, während er selber in der Wüste von Abu Dhabi mit Saadiyat Beach einen 7800 Yards langen Wasserfresser gebaut hat, ist eine bemerkenswerte Leistung. Dass er dann auch noch Bethpage Black mit seinem Slope-Rating von 152 (Chambers Bay hat 146) als tolles Beispiel für Amateure anführt, ist einfach nur armselig. Zumal er anschließend auch noch sagt ein Platz braucht breite Fairways und keine Bunker – etwas, was Bethpage Black nun mal so gar nicht erfüllt. Dass heute nun herauskommt, dass Player als Co-Designer einen Platz in The Greenbrier mit der Aussicht auf eine US Open bauen will, ist dann die größte Ironie. Denn jede Wette, dass er dort kein 6500 Yards kurzen Platz baut sondern ein richtiges Brett. Das Verlogendste an der Kritik von Player ist jedoch das hier: er hat selber um Chambers Bay mitgeboten und ist leer ausgegangen. Das klingt alles ein wenig nach schlechter Verlierer.

Billy Horschel


Ernstzunehmen: 30% Der Punkt mit der Zuschauerführung ist ein völlig valider Kritikpunkt von Horschel. Die meisten Zuschauer waren auf die Tribünen beschränkt. Die Spieler zu begleiten war schwierig und zudem sehr anstrengend. Auch die Grüns waren wie erwähnt zu Recht in der Kritik, jedoch hat sich Horschel sowohl im Ton als auch in der Gestik vergriffen.

Die größte Diskreditierung an seiner Kritik kommt aber von einem Mann, den er sehr gut kennt: Billy Horschel. Der twitterte nämlich noch nach intensivem Studium der Grüns am Turniertag Folgendes:

Colin Montgomerie

Ernstzunehmen: 100% Der gerne als weinerlich verschrieene Monti kritisierte in einem Interview die Qualität der Grüns. Sehr ruhig, sehr sachlich und vor allen Dingen vor Turnierbeginn.

Sergio Garcia


Ernstzunehmen: 50% Auch der Spanier fällt in die Kategorie “Was stört mich mein Geschwätz von vor drei Tagen”. Denn da hatte Garcia noch wenig bis gar nichts auszusetzen.

Geoff Ogilvy


Ernstzunehmen: 100% Machen wir uns nichts vor, die meisten Golfer drücken sich nicht sonderlich eloquent aus. Anders Geoff Ogilvy. Wenn seine Kollegen Lothar Matthäus sind, ist er Philipp Lahm. Dies beweist er auch in seiner Stellungnahme nach der Schlussrunde, in der er sowohl berechtigte Kritik übt, als auch seine weinerlichen Kollegen vorführt. Ein paar Auszüge aus seiner Analyse, der absolut nichts hinzuzufügen ist.

“Logistisch hat der Platz seine Probleme, aber ich muss mich natürlich nicht selber begleiten. Das scheint allerdings sehr schwierig zu sein”.

“Man muss auf dem Platz den Ball in beide Richtungen bewegen. Man muss sein Gehirn benutzen, was im modernen Golf eine Seltenheit ist und worin wir nicht besonders gut sind. Es braucht einen hervorragenden Spieler um hier zu gewinnen und das ist alles, was man will. Manchmal bei einer U.S. Open hat man das Gefühl als ob es nicht so ist, aber hier wird derjenige, der am besten spielt, auch gewinnen”.

“Es gibt einige fragwürdige Grüns, auf jeden Fall. Ich habe überhaupt keine Ahnung von Pflanzenbau. (…) Aber ich bin mir sicher, wenn sie vier oder fünf Jahre zurückgehen könnten, würden sie vieles ein wenig anders machen. (…) Ich bin mir sicher sie sind selber nicht glücklich darüber. Es gibt definitiv Probleme. Aber meiner Meinung nach putten gute Putter auch auf hoppeligen Grüns gut. Es ist nicht das, was man von einer US Open will, aber ich glaube nicht, dass es eine Auswirkung auf das Ergebnis hat.”

“Es ist frustrierend, eine US Open zu spielen. Und es ist schwierig fünf Minuten nach der Runde hier vor Euch zu stehen und nicht frustriert zu sein. Und wenn man auf den letzten Löchern ein paar schlechte Putts hat, dann ist man davon ein wenig genervt. Wir sind so verwöhnt. Wir bekommen perfekte Verhältnisse wo immer wir spielen. Wir sind so etwas einfach nicht gewohnt. Der durchschnittliche Golfer spielt vermutlich immer auf solchen Grüns.”

  1. Ein super Artikel der auch die andere Richtung aufzeigt.
    Mir hat der Platz als Zuschauer super gefallen, das kommt auch daher – weil er Züge von Crossgolf hat. Denn man musste dort viel mit Köpfchen spielen und nicht einfach den Ball 300 yards nach vorn prügeln. Die Probleme die man damit bekommen konnte, waren auf diesem Platz viel größer und anscheinend haben das viele nicht bemerkt.
    Die Grüns haben wirklich Crossgolf style gehabt ;) die sehen hier bei uns ähnlich aus. :D
    Ich würde den Platz liebend gern öfter sehen wollen. Eine wohltuende Andersartigkeit, die sich von den Alleen wo sonst immer gespielt wird unterscheidet.

    Bis denne
    rebwl

  2. Die schlechteste US-Open, die ich gesehen habe, seit ich Golf spiele.
    Bälle im Fernsehen kaum zu verfolgen; Es ist nur zu raten, wo die Grüns genau liegen.
    Immer mal wieder Schüsse 50 Meter hinters Grün, die dann den Berg wieder runterrollen;
    Oder manchmal auch nicht. => reines Flummi-Golf.
    Möglicherweise fragt man sich bei der USGA, ob der beste oder der glücklichste Spieler gewonnen hat.
    galaktische Grüsse
    Captain Kirk

    1. Die Frage muss man sich beim Sieger Jordan Spieth ganz sicher nicht stellen. Und dass man die Bälle nicht gesehen hat, lag in erster Linie daran, dass man zu Fox Sports gewechselt ist, deren Kameraleute augenscheinlich keine große Erfahrung damit haben wie man Golf einfängt

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