Das 500-Einwohner-Städtchen Waterville im County Kerry hat eine besondere Beziehung zu den USA. Nicht nur, weil die irische Westküste für Amerikaner einer der nahegelegensten Punkte Europas ist. Zahlreiche Berühmtheiten machten Waterville international bekannt. Walt Disney recherchierte hier 1946 für seinen zwölf Jahre später veröffentlichten Film “Das Geheimnis der verwunschenen Höhle”. Er war so verzaubert von dem Städtchen, dass er es seinem Freund Charlie Chaplin empfahl. Der Tramp stand eines Tages an der Rezeption des Butler Arms Hotels – und wurde abgewiesen. Das Hotel war ausgebucht, der Concierge erkannte Chaplin nicht. Nur, weil der Besitzer Chaplin hinterherraste und für die Prominenz seine Familie aus ihren Räumen warf, kam Chaplin immer wieder und wird heute noch im Ort mit einer Statue geehrt.
Auch im Waterville Golf Links stehen zwei Statuen eines Amerikaners: Payne Stewart. 1998 und 1999 bereitete sich Stewart hier auf die Open Championship vor und widerlegte sein Image einer launischen Diva. Er mischte sich im Pub unter die Einheimischen, sang und zapfte Bier. Stewart, der u.a. Mark O’Meara und Tiger Woods nach Waterville brachte, wurde so verehrt, dass der Club ihn zum Ehrenkapitän für das Jahr 2000 ernannte. Doch bevor er sein Amt antreten konnte, starb er bei einem Flugzeugabsturz. Zur Erinnerung stellte der Waterville Golf Links stattdessen zwei Statuen um die Übungsgrüns auf, zu deren Enthüllung Stewarts Witwe, Woods, O’Meara und weitere Golfstars kamen.
In der Bar der Clubhauses gibt es sogar einen regelrechten Stewart-Schrein mit Fotos und anderen Memorabilien. Von hier hat man auch den perfekten Überblick über eine Anlage, die man durchaus zu den besten Plätzen Irlands zählen darf. Das 6718 Meter lange Par 72 wirkt so natürlich, als würde es schon hunderte Jahre hier liegen. Tatsächlich eröffnete der von Claude Harmon und Eddie Hackett gestaltete Platz aber erst 1973. Gleich das erste Loch hat typische Linkselemente. Nicht wegen des Grabens, der rechts an der Bahn entlang führt und verzichtbar ist. Sondern weil die Bahn mit optischer Täuschung arbeitet (die drei Bunker links sind 80 Meter entfernt, wirken vom Tee aber auf einer Höhe), Ondulationen bietet und strategische Anforderungen. Die rechte Hälfte des Grüns ist von Hügeln und einem Bunker geschützt. Steht die Fahne rechts, muss man mit dem Drive in Richtung Fairwaybunker zielen, um eine Chance aufs Par zu haben.
Bahn zwei ist dann gleich das schwierigste Loch des Platzes. Schließlich spielt sich das von den Backtees 424 Meter lange Par 4 in der Regel in den Wind. Der “Christy’s Choice” getaufte Brecher wurde 1980 von Christy O’Connor (zusammen mit der ähnlich schweren 14) als einer der 18 besten Golflöcher Irlands gekürt. Es spricht für Waterville, dass man darüber streiten kann. Denn mindestens fünf Löcher würde ich noch höher ansiedeln. Das erste kommt – nach einem am Wasser entlang führenden Par 5 – bereits an Loch 4. Das 182 Meter lange Par 3 führt visuell aufregend zwischen zwei Dünen hindurch. Ebenfalls ein Genuss ist das zweite Par 3. Von einem erhöhten Tee spielt es sich 177 Meter in Richtung Flussdelta. Auch die 7 und die 9, mit ihrem erhöhten Grün am Clubhaus, bleiben in positiver Erinnerung.
Doch danach geht es erst richtig los. Nach der langen, aber unspektakulären 10 (434 Meter, Par 4) kommt mit der 11 das absolute Highlight des Platzes. Das 455 Meter lange Par 5 sieht vom Tee unheimlich eng aus, da eine Düne den Blick verengt. Tatsächlich ist die Landezone allerdings recht großzügig. Nicht die einzige Überraschung. Denn nach 260 Metern tut sich ein riesiges Loch auf, bevor es zum Grün wieder nach oben geht. Es ist ein spektakuläres Loch, das wieder einmal beweist, dass die besten Bahnen immer noch Mutter Natur erschafft. Loch 12 erschuf hingegen der Glaube. Eigentlich sollte das Grün des Par 3s in die Senke kommen. Doch dort hatten die Einheimischen früher verbotene Messen abgehalten und wollten nicht, dass der für sie heilige Boden gestört wird. Also errichteten die Designer das Loch oben auf einer Düne.
Ich könnte jetzt noch jedes weitere Loch auf den Back 9 erwähnen, denn alle sind bemerkenswert. Das mit dem zweiten Schlag erreichbare Par 5 an der 13. Die 14 mit ihrem fantastischen, zurückgelagerten Grün. Die 15 mit ihrem langgezogenen, in Dünen eingebetteten Grün und dem davor liegenden Tal. Die vom erhöhten Tee auf ein erhöhtes Grün spielende 17. Und die am Wasser entlangführende 18. Aber in Erinnerung bleibt vor allem die 16, genannt “Liam’s Ace”. Bei seinem Platzrekord im Jahr 1979 lochte der lokale Golfprofi Liam Higgins hier seinen Ball mit dem Abschlag ein. Das bemerkenswerte daran? Es handelt sich um ein Par 4. Dank Rückenwind lag ich hier auch mit dem (zweiten) Drive 40 Meter vor dem am Wasser gelegenen Grün, das so auch im Indischen Ozean liegen könnte.
Lässt man im Clubhaus die Runde Revue passieren, wird klar, warum sich Payne Stewart hier so wohl gefühlt hat. Der Platz macht unheimlich viel Spaß, ist nie unfair und gleichzeitig ein Test für jede Spielstärke. Obwohl ich einen Tag mit wenig Wind erwischte, brachte ich nur eine 89 ins Clubhaus (netto 74). Und das obwohl ich keinen Ball verloren habe und auf den Back Nine lediglich elf Putts benötigte. Waterville liegt sicher nicht mal eben auf dem Weg einer Reise nach Irland. Aber selbst für einen 200 Kilometer langen Umweg sollte man hier einmal aufgeteet haben.
Gespielt am:2.5.2018
Disclaimer: Der Platz wurde im Rahmen einer Einladung gespielt.