Pünktlich zum Start der Olympischen Spiele von London kann man schon mal es wagen, einen Blick in die Zukunft zu wagen auf Rio 2016 – den Zeitpunkt an dem Golf wieder olympisch sein wird. Das hat auch der Golfchannel getan und vier Spieler gefragt, was es für sie bedeuten würde, bei den Olympischen Spielen dabei zu sein: Keegan Bradley, Trevor Immelman, Paula Creamer und Belen Mozo. Das Bizarre dabei: Wenn heute die Olympischen Spiele beginnen würden, wären drei von den vier Befragten überhaupt nicht dabei.
Der Grund dafür sind die Qualifikationskriterien, über die ich mich bei Ihrer Bekanntgabe 2009 bereits einmal ausgelassen habe. Gegenüber der damaligen Weltranglistensituation hat sich was das Teilnehmerfeld bei den Männern betrifft, ein wenig was zum Positiven gewendet. Statt 15 Spieler jenseits des Weltranglistenplatzes 200 wären heute nur noch 10 dabei. Der Grund dafür liegt in der zurückgekehrten Dominanz der US-Amerikaner. Denn die 15 besten Spieler der Welt sind unabhängig von ihrer Nationalität automatisch qualifiziert, die verbleibenden 45 Plätze werden anschließend nach der Weltranglistenplatzierung unter der Vorgabe aufgefüllt, dass die Nation des Spielers noch keine zwei Plätze stellt. Da aus den Top 15 der Welt aktuell acht aus den USA stammen und fünf – vorausgesetzt Rory McIlroy und Graeme McDowell starten nicht für Irland – aus Großbritannien, fallen weniger gute Spieler unter den Tisch als wenn die Top 15 aus sieben verschiedenen Nationen mit je zwei Spielern bestehen würden.
Die Grundbedenken bleiben dennoch bestehen: Wie kann ein Starterfeld, das nur halb so viele Spieler wie reguläre Golfturniere umfasst und das nach dem wie oben beschrieben günstigen heutigen Stand 64% (!) der Top 100 der Welt ausschließt in den Augen der Spieler und des Publikums auch nur annähernd eine so hohe Wertigkeit erreichen wie ein Major oder von mir aus auch eine World Golf Championship? Man muss doch nur zum Tennis schauen: Wer weiß heute noch, wer 2008 Gold bei den Olympischen Spielen gewann? Ich zumindest musste erst einmal nachschauen. Um die relative Bedeutungslosigkeit eines Olympischen Golfturniers etwas besser zu illustrieren habe ich einmal ausgerechnet wieviele Weltranglistenpunkte dieses Turnier bekommen würde – den Home Tour Bonus einmal herausgerechnet. Die Antwort lautet: 60 Punkte. Damit ist das Turnier niedriger bewertet als diese Events:
- 100: Masters
- 100: U.S. Open
- 100: The Open
- 100: PGA Championship
- 80: The Players Championship
- 76: Accenture Match Play
- 74: Cadillac Championship
- 72: Bridgestone Invitational
- 66: Deutsche Bank Championship
- 66: The Barclays
- 64: The Memorial
- 62: BMW Championship
*Die mit 64 Punkten bewertete BMW PGA Championship habe ich rausgelassen, weil sie diese nur durch die garantierten Punkte erhielt.
Wer also Gold bei den Olympischen Spielen gewinnt, kann mit stolzgeschwellter Brust sagen: Ich habe das 13. wichtigste Turnier des Jahres für mich entschieden – und sich damit in eine Reihe stellen mit dem Gewinner der HSBC Champions und der Northern Trust Open. Beim olympischen Tennisturnier kann man zumindest noch sagen, dass es nach den Grand Slam Events zu einem der absoluten Top-Turniere gehört, beim Golf geht dies nach dem bisher angedachten Auswahlverfahren nicht.
Doch wie genau sähe das Olympische Feld denn heute aus?
- USA: Tiger Woods, Webb Simpson, Bubba Watson, Jason Dufner, Matt Kuchar, Zach Johnson, Hunter Mahan, Steve Stricker
- Großbritannien: Luke Donald, (Rory McIlroy), Lee Westwood, Justin Rose, (Graeme McDowell)
- Australien: Adam Scott, Jason Day
- Südafrika: Ernie Els, Louis Oosthuizen
- Deutschland: Martin Kaymer, Marcel Siem
- Italien: Francesco Molinari, Matteo Manassero
- Spanien: Sergio Garcia, Gonzalo Fernandez-Castano
- Schweden: Peter Hanson, Carl Pettersson
- Belgien: Nicolas Colsaerts
- Südkorea: K.J. Choi, Sang-Moon Bae
- Dänemark: Thomas Björn, Anders Hansen
- Irland: Padraig Harrington (?), Darren Clarke (?)
- Japan: Ryo Ishikawa, Hiroyuki Fujita
- Fiji: Vijay Singh
- Indien: Jeev Milka Singh, Anirban Lahiri
- Niederlande: Joost Luiten, Robert Jan Derksen
- Thailand: Thongchai Jaidee, Thaworn Wiratchant
- Frankreich: Raphael Jacquelin, Victor Dubuisson
- Argentinien: Andres Romero, Ricardo Gonzalez
- Österreich: Bernd Wiesberger
- Zimbabwe: Brendon de Jonge
- Venezuela: Jhonattan Vegas
- Philippinen: Javuc Pagunsan
- Kolumbien: Camilo Villegas
- Bangladesch: Siddikur Rahman
- Paraguay: Fabrizio Zanotti
- Neuseeland: Danny Lee
- Portugal: Ricardo Santos
- Kanada: David Hearn, Graham Delaet
- Chile: Felipe Aguilar
- Taiwan: Lu Wei-chih
- Singapur: Mardan Mahmat
- Norwegen: Efden Kofstad
Falls McIlroy und McDowell für Irland starten rücken nach: Finnland: Mikko Ilonen, Neuseeland: David Smail
33 Nationen würden also derzeit das olympische Herren-Feld ausmachen – bei den Damen wären zusätzlich noch China, Tschechien, Malaysia, Mexiko, Schweiz und die Slowakei dabei. Also würde Golf zumindest dem olympischen Gedanken einer weltvereinigenden Sportart gut tun. Doch etwas Besonderes ist das auch nicht. Bei der Ballantine’s Championship waren 30 verschiedene Nationen am Start, bei der Open de France und der BMW Open und sogar bei der Open Championship waren es immerhin noch 26. Wie das geht? Ganz einfach durch größere Felder, die natürlich auch bei Olympia machbar wären. Qualifizierte man die ersten 50 der Weltrangliste automatisch (meinetwegen auch mit maximal zehn Spielern pro Nation) und erhöht das Feld gleichzeitig auf 100 Spieler, hat man sowohl ein stärkeres Feld als auch eine hohe Diversifikation.
Doch ist das wirklich das Ziel der olympischen Spiele? Schaut man sich die einzelnen Entscheidungen an, hält sich die Anzahl der teilnehmenden Nationen in Grenzen. Ja, es gibt vielleicht 40-50 Nationen, die Teilnehmer an den Schwimmevents stellen und sicherlich noch ein Dutzend mehr bei den Leichtathletikentscheidungen. Doch dort gibt es auch deutlich mehr Disziplinen – für die Einzelentscheidungen hält sich die Anzahl der Nationen hingegen in Grenzen. Hinzu kommt, dass es bei vielen Sportarten Vorentscheidungen oder Gruppenphasen gibt in denen – ohne despektierlich klingen zu wollen – die Spreu vom Weizen getrennt wird. Warum also macht man nicht aus dem olympischen Golfturnier eine Olympic Open? Da der Golfplatz in den zwei Wochen ohnehin für nichts anderes genutzt wird (es sei denn Gil Hanse baut einen Riesen-Bunker, den man parallel für Beach Volleyball nutzen kann und ein Wanderhindernis, das zur Ruderarena umfunktioniert wird), spricht doch eigentlich nichts dagegen die Top XX der Welt automatisch für das Finale zu setzen und den Rest des Feldes über ein Qualifikationsturnier zu entscheiden zu dem jede interessierte Nation zwei-drei Spieler entsenden kann. Das würde nicht nur die Konkurrenz attraktiver machen, es hätte sogar noch einen Vorteil. Wir Freizeitgolfer könnten einfach die Nationalität eines Golf-Entwicklungslandes annehmen und uns so eine Olympia-Teilnahme erschleichen. Ich melde mich schon mal für St. Kitts und Nevis.
UPDATE vom 1.8.2012: Wie Geoff Shackelford berichtet, hat das IOC einen Antrag gestellt, dass innerhalb der Top 15 der Welt maximal vier Spieler pro Nation dabei sein dürfen: Sollte dieser Antrag durchgehen, wovon auszugehen ist, wären beim aktuellen Beispiel Matt Kuchar, Zach Johnson, Hunter Mahan und Steve Stricker sowie Darren Clarke aus dem Feld (ausgehend davon, dass G-Mac für Irland startet weil er für Großbritannien nicht ins Team käme). Stattdessen wären dann neben den Nachrückern Mikko Ilonen und David Smail noch der Kolumbianer Camilo Benedetti (#403), der Chinese Liang Wen-Chong (#425) und der Chilene Mark Tullo (#435) im Feld. Damit wäre die Weltranglistenbewertung nur noch 54 Punkte womit das Olympische Turnier sogar aus den Top 20 der stärksten Turniere fallen würde, u.a. hinter das Arnold Palmer Invitational, die Abu Dhabi Championship oder die Transitions Championship.