Wie braucht man für eine Fußballübertragung? Bier, Chips und Trikot. Was braucht man für eine Golfübertragung? Ein Smartphone um Regelverstöße zu melden. So macht es zumindest nach drei Wochen Profigolf im Jahr 2011 den Eindruck. Nachdem beim Tournament of Champion Camilo Villegas nachträglich (indirekt) durch einen Fernsehzuschauer disqualifiziert wurde, hat es jetzt bei der Abu Dhabi Championship Padraig Harrington erwischt.
Der Ire hatte auf dem Grün seinen Ball versehentlich mit dem Finger bewegt, nachdem er die Marke bereits weggenommen hatte. Allerdings war sich Harrington sicher nicht die Lage des Balles verändert zu haben und schrieb sich an Loch 7 eine 3 gut. Die TV-Bilder sagten hingegen was anderes:
Ein, nennen wir ihn mal aufmerksamer, TV-Zuschauer bemerkte den Regelverstoß, der mit zwei Strafschlägen zu ahnden gewesen wäre und mailte die European Tour an, wie es Andy McPhee in der Pressekonferenz schilderte. Da die Mail jedoch erst um 18 Uhr eintraf und Harrington längst seine Runde beendet und die Scorekarte abgegeben hatte, konnte man das Ergebnis nicht mehr nachträglich korrigieren. Nach den Regeln des Golfs konnte es nur eine Konsequenz geben: Disqualifikation. Nicht etwa wegen des Bewegen des Balls, sondern weil Harrington für ein zu niedriges Ergebnis unterzeichnet hatte – exakt die gleiche Konsequenz wie vor zwei Wochen bei Camilo Villegas.
Nun kann man sicherlich ausgiebig über den Charakter von Zuschauern diskutieren, die solche Regelverstöße vom Fernsehsessel aus anzeigen. Harrington selber sagte anschließend, dass er sich einen Begriff wie “Petze” für so jemanden verbittet und dass er froh sei, dass der Golfsport solche Menschen hat, während LPGA-Spielerin Becky Brewerton ihn via Twitter als “Idiot” und “trauriges Individuum” bezeichnete. Irgendwo in diesem Spektrum wird sich jeder von uns wiederfinden und eine Diskussion darüber wer Recht hat, würde nie zu einem Ergebnis führen. Zumal in vorderster Front natürlich die Schuld bei den wenig regelfesten Golfern selber zu suchen ist. Was man aber diskutieren kann, ist die ultimative Konsequenz solcher Zuschauer-Anzeigen.
Für die Turnierveranstalter gibt es nach der derzeitigen Regellage keine andere Alternative als den Spieler disqualifizieren zu lassen. Doch ist das wirklich notwendig? Hätte man nicht einfach nachträglich Harrington die Strafschläge anrechnen können und ihn mit -5 statt -7 die zweite Runde starten lassen? Wer solche Vorschläge macht bekommt meistens zwei Einwände zu hören: 1. Was passiert, wenn dies in der Schlussrunde dem späteren Turniersieger passiert? Und 2. Gibt das den Profis nicht einen Freischein um Regelverstöße zu ignorieren, da ja die Chance besteht, dass man damit durch kommt?
Das Erste ließe sich ganz einfach dahingehend verhindern, dass man die Regel so formuliert, dass Regelverstöße, die während des laufenden Turniers entdeckt werden, nachträglich auf den Score angerechnet werden können. Wenn der letzte Flight seine Scorekarten unterschrieben abgegeben hat, ist das Turnier damit beendet und der Sieger steht fest. Der zweite Punkt ist tatsächlich etwas kritischer. Es gibt allerdings gute Gründe anzunehmen, dass die Folgen nicht so aussähen. Zum Einen ist der Golfsport, auch wenn man dies in den letzten Wochen kaum glauben mag, immer noch ein ehrenhafter Sport in dem die Spieler Regelverstöße gegen sich selbst melden. Bei den vorliegenden Fällen war es nie Vorsatz, sondern – was leider schon schlimm genug ist – schlichte Dummheit und/oder Regelunkenntnis von Spielern UND Mitspielern. Nichtsdestotrotz könnte sich ein Profi niemals erlauben, mutwillig die Regeln zu brechen, wie der Fall Elliot Saltman beweist.
Gerade in der heutigen Zeit ist bei den großen Turnieren die Möglichkeit beim Betrügen entdeckt zu werden, viel zu groß. Jedes Loch ist mit Kameras ausgestattet und jeder Profi muss damit rechnen, dass jede seiner Bewegungen und Taten gerade live in Millionen TV- und Internetaushalte ausgestrahlt werden. Ganz besonders die auf dem Leaderboard vorne stehenden Spieler. Und hier liegt das eigentliche Problem: Hätte sich Nick Dougherty bei +7 das gleiche Vergehen erlaubt, wie Harrington bei -7 – niemandem wäre es aufgefallen. Golfregeln müssen so formuliert werden, dass sie für alle Spieler gelten und angesichts der unterschiedlichen TV-Präsenz der Führenden und Hinterbänkler ist dies im Fall durch Zuschauer gemeldeter Regelverstöße nicht gegeben. Es gibt also nur zwei Konsequenzen: Entweder man ignoriert diese Eingaben von außen oder man bestraft sie auf faire Weise.
Würde man sie ignorieren, gäbe es unter den Fans einen Aufschrei der Entrüstung darüber, dass solche Verstöße nicht geahndet werden – und auch auf den betroffenen Spielern würde ein dunkler Fleck hängen bleiben. Daher wäre die beste Alternative die Strafen dem Score einfach anzurechnen und vom ultimativen Todesurteil, der Disqualifikation abzusehen. Die heilige Unantastbarkeit der Scorekarte zu verändern ist ohnehin schon seit mehr als 40 Jahren überfällig, als Roberto De Vicenzo der Masters-Sieg geraubt wurde, weil er an einem Loch versehentlich für ein zu hohes Ergebnis unterschrieb. Ein Turnier sollte von dem Spieler gewonnen werden, der nach den Regeln die wenigstens Schläge gebraucht hat. Nicht von dem, dessen Scorekarte die wenigsten Schläge aufweist.