Wenn es nach Jordan Spieth gegangen wäre, würde er vielleicht heute noch die Schulbank der Universität von Texas drücken, mit seinem Team um die nationale College-Meisterschaft kämpfen und weiter an einer atemberaubenden Amateur-Karriere feilen, die unter anderem einen NCAA-Titel, eine ungeschlagene Walker-Cup-Bilanz und den Titel des Leading Amateurs bei der U.S. Open umfasste. Doch dann nahm PGA-Tour-Chef Tim Finchem ihm die Entscheidung Profi zu werden ab.
Im März 2012 beschloss die PGA Tour eine Reform der Qualifying School. Gab es bisher ein zweigliedriges System auf die große Tour – über die Top 25 der web.com Tour und der Q-School – so wird es ab 2013 nur noch über die web.com-Tour gehen. Insbesondere für College-Studenten wie Spieth ein Schock. Denn statt sich direkt von der Schule auf die PGA Tour zu spielen, verlieren sie in Zukunft mindestens ein Jahr ihres Lebens weil sie den Umweg über die web.com-Tour nehmen müssen. Als Resultat versuchten viele von ihnen 2012 die letzte Chance zu nutzen, den direkten Weg zu nehmen – und zur Not auch ihre Schulausbildung dafür zu opfern. Jordan Spieth war einer von ihnen.
Der Texaner brachte die 4.500 Dollar Meldegebühr auf und durfte sich dank seines geschafften Cuts bei der U.S. Open gleich auf die zweite Stufe der Q-School begeben. Doch hier, auf dem TPC Craig Ranch, kam die Cinderella-Geschichte zu einem abrupten Halt. Dank eines unkooperativen Putters verspielte er auf den letzten neun Löchern seine gute Ausgangslage und verpasste das Q-School-Finale um zwei Schläge. Ohne Status auf der ersten oder zweiten Liga wagte Spieth trotzdem den Sprung ins kalte Wasser und verkündete im Dezember 2012 seinen Wechsel ins Profilager mit einer eindeutigen Ansage: “Ich weiß, dass ich mir nächstes Jahr den Arsch aufreißen muss”. Und genau das hat er getan.
Seine Rookie-Saison – die technisch gesehen keine Rookie-Saison ist/war, da er ja keine Tourkarte besaß – begann wie seine Amateur-Karriere endete: mit einer Enttäuschung. Beim Monday Qualifier zur Farmers Insurance Open verpasste der 19-Jährige den Sprung ins Feld. Doch in letzter Sekunde erhielt Spieth eine Sponsoren-Einladung – die erste von nur sieben, die er als Nicht-Mitglied annehmen darf. Als er den Cut verpasste, blieben ihm nur noch sechs um sich irgendeinen Status zu sichern. “Es ist enttäuschend, aber ich kann viel von dieser Woche lernen”, zitierte Spieth den Journalisten ins Notizbuch – und ließ den Worten 14 Tage später Taten folgen. Beim AT&T Pebble Beach Pro-Am verdiente er als 22. sein erstes Preisgeld, und mit zwei Top-Ten-Ergebnissen auf der web.com-Tour stellte er die Weichen sich zumindest auf der zweiten Liga zu etablieren. Dann kam die Puerto Rice Open. Das parallel zur Cadillac Championship stattfindende Event bietet aufgrund seines schwachen Teilnehmerfeldes schwächelnden Veteranen und aufstrebenden Talenten eine perfekte Plattform um sich nach oben zu spielen. Spieth nutzte sie. Für den geteilten zweiten Platz steckte er nicht nur einen Scheck von 308.000 Dollar ein, er qualifizierte sich damit auch für die Tampa Bay Championship wo er ein weiteres Top-Ten-Resultat und 149.000 zusätzliche Dollar folgen ließ.
In nur 14 Tagen hatte Spieth genug Geld eingespielt um sich eine Temporary Membership auf der PGA Tour zu erspielen, die es ihm erlaubte unbegrenzte Sponsoreneinladungen einzunehmen. Die volle Mitgliedschaft sicherte er sich schließlich vorletzte Woche mit seinem Sieg bei der John Deere Classic, der den 19-Jährigen nicht nur zum jüngsten PGA-Tour-Gewinner seit 82 Jahren machte. Spieth erwarb sich damit zusätzlich eine zweijährige Spielberechtigung auf der Tour, den Start bei der Open Championship, einen Platz im Masters-Feld 2014 und die Qualifikation für die FedEx-Cup-Playoffs. Weil ihm als nun volles PGA-Tour-Mitglied die erspielten FedEx-Cup-Punkte nachträglich gut geschrieben wurden, katapultierte sich der Rookie mal eben von Null auf Platz 11 im Ranking.
Spieths beeindruckende Bilanz nach 18 Starts als Profi: lediglich vier verpasste Cuts, 8 Top-Ten-Resultate (zwei auf der web.com-Tour, sechs auf der PGA Tour), ein Sieg, ein Hole in One, zwei Millionen Dollar Preisgeld und Weltranglistenplatz 52 (würde man seinen tatsächlichen Durchschnittswert nehmen, läge er sogat auf Platz 26). Nicht schlecht für einen Spieler, dessen Zukunft vor sechs Monaten noch völlig ungewiss schien. Bedenkt man, dass er ohne Tourkarte in die Saison gegangen ist, hat der frischgebackene 20-Jährige mit Sicherheit eine der beeindruckendste Rookie-Saisons aller Zeiten hingelegt. Hier neun andere Kandidaten für diesen Titel.
Jack Nicklaus (1962)
Ende 1961, mit seinem zweiten U.S.-Amateur-Titel im Gepäck, beschloss Jack Nicklaus ins Profilager zu wechseln. Am 5. Januar 1962 gab der Golden Bear bei der Los Angeles Open sein Profidebüt – und belegte den letzten Platz unter den Spielern, die den Cut geschafft hatten. Sein erster Preisgeldscheck: 33 Dollar und 33 Cents. Zwar feierte Nicklaus nicht so schnell seinen ersten Profisieg wie andere in dieser Liste, dafür verpasste er nicht einen einzigen Cut bis zu seinem Debüterfolg. Der kam im 17.Start – und war ein ganz besonderer. Mit einem Playoffsieg über Arnold Palmer holte sich Nicklaus als jüngster Spieler seit Bobby Jones den Sieg bei der U.S. Open in Oakmont. Im September ließ Nicklaus dann innerhalb von zwei Wochen zwei weitere Siege folgen, beim Seattle World’s Fair Open Invitational und dem Portland Open Invitational. Mit 61.869 Dollar Preisgeld belegte Nicklaus Platz drei in der Geldrangliste – hinter seinem U.S.-Open-Widersacher Arnold Palmer, der eine Jahrhundertsaison mit acht Siegen spielte, darunter das Masters und die Open Championship.
Robert Gamez (1990)
Den blanken Zahlen nach war Robert Gamez’ Rookie-Saison sehr gut, aber nicht überragend: Am Ende der Saison fand er sich auf Platz 27 der Geldrangliste wieder. Doch dabei gelang ihm etwas, was bis heute gerade einmal vier weitere Spieler (Marty Fleckman, Ben Crenshaw, Garrett Willis und Russell Henley) schafften: er holte gleich bei seinem ersten Start auf der PGA Tour den Titel. Bei der Tucson Open nutzte Gamez seinen Heimatvorteil, da er während der Unizeit drei Jahre auf dem Tournament Players Club at Star Pass gespielt hatte und kam zu einem ungefährdeten Sieg. Zwei Monate später holte sich Gamez auch noch das Nestle Invitational vor Greg Norman – und belegte bei der Open Championship danach noch einen beachtlichen sechsten Platz. Mit seinen 461.407 Dollar Preisgeld pulverisierte er den bisherigen Rookie-Rekord von Keith Clearwater aus dem Jahr 1987 – und holte sich unangefochten die erstmals vergebene Auszeichnung als Rookie of the Year.
John Daly (1991)
Seinen Platz auf dieser Liste – und vermutlich auch seine Karriere – verdankt John Daly einem jungen Mann namens Gregory Price. Der ungeduldige Bub schickte seine Mutter in die Wehen und ließ Papa Nick von der PGA Championship zurückziehen wodurch Daly, ursprünglich neunter Ersatzspieler, überhaupt erst ins Feld kam. Daly übernahm gleich Prices Caddie Jeff Madlin mit und ließ sich so ohne eine Proberunde zu einem der sensationellsten Majorsiege überhaupt geleiten. Mit zusätzlichen dritten Plätzen bei der Chattanooga Classic und der Tour Championship kam der Longhitter auf 574.783 Dollar Preisgeld und Platz 17 in der Geldrangliste.
Tiger Woods (1996)
Alle anderen Spieler auf dieser Liste hatten eine volle Saison um sich hineinzuspielen, Tiger Woods brauchte nur drei Monate. Am 1.September 1996 hatte Woods bei der Greater Milwaukee Open seinen ersten Start als Profi – und belegte nur Platz 60. Doch danach ging es immer weiter nach oben. Von Platz 11, über Platz 5 und Platz 3 bis zu seinem ersten Sieg bei der Las Vegas Open, dem er 14 Tage später einen weiteren Triumph bei der Walt Disney World Classic folgen ließ. In acht Saisonstarts holte er zwei Siege, zwei weitere dritte Plätze und verdiente fast 100.000 Dollar pro Start, was trotz der verkürzten Arbeitszeit für Platz 24 in der Money List reichte.
Carlos Franco (1999)
Eigentlich sollten auf dieser Liste nur echte Rookies auftauchen – also niemand wie Rory McIlroy, der schon in Europa etabliert war und als Top-10-Spieler seine Rookie-Saison begann. Auch Franco hatte schon seine Sporen anderswo verdient als er sich erstmals die Karte für die PGA Tour sicherte. Doch das war in Japan und wie diese Tour einzuschätzen ist, wissen wir spätestens seit den Problemen des angeblichen Superstars Ryo Ishikawa. Franco hingegen transferierte seinen Erfolg nahtlos über den Pazifik. Im April belegte er den sechsten Platz beim Masters, im Mai gewann er die Classic of New Orleans und im Juli die Greater Milwaukee Open. Das reichte um als erster Rookie überhaupt die Millionen-Marke zu knacken – und zwar ganz locker. Mit 1.864.584 Dollar war Franco am Ende der Saison auf Platz 11 der Geldrangliste.
Ben Curtis (2003)
Ben Curtis’ Rookie-Saison war eigentlich nichts besonderes. Er begann das Jahr mit drei verpassten Cuts, ließ später noch fünf weitere freie Wochenenden folgen und schaffte lediglich ein Top-10-Resultat. Was er dann auf dieser Liste zu suchen hat? Nun das Top-10-Ergebnis war ein Sieg, und das Turnier ein kleines Event namens Open Championship. Und da es sein erster Major-Start überhaupt war, war er der erste Spieler seit 90 Jahren (Francis Ouimet), dem dieses Kunststück gelang.
Trevor Immelman (2006)
Nach ein paar Akklimatisierungsproblemen – bei seinen ersten neun Starts sah Immelman nur vier Mal das Wochenende – legte der Südafrikaner rein nach dem Verdienst die beste Rookie-Saison aller Zeiten hin. Mit 3.844.189 Dollar belegte er am Ende der Saison einen beeindruckenden siebten Platz in der Money List. Dabei reichte es nur zu einem Sieg als er sich als letzter Sieger überhaupt in die Gewinnerliste des einstigen Fast-Majors, der Western Open eintrug. Dazu kamen zwei zweite Plätze und fünf weitere Top-Ten-Resultate. Zudem verpasste er ab dem 23. April keinen einzigen Cut mehr.
Brandt Snedeker (2007)
Snedeker nutzte den Rückenwind seiner Nationwide-Tour-Saison gleich für die PGA Tour wo er bereits in seinem dritten Start, bei der Buick Invitational, mit Platz 3 sich die Spielberechtigung für die Folgesaison sicherte. Die gesamte Saison über verpasste er nur sechs Cuts, doch einen der typischen Snedeker-Läufe bekam er von Juni bis August. Bei acht Starts (darunter zwei Majors) landete er nur einmal außerhalb der Top 25, hatte vier Top-Ten-Ergebnisse und krönte den Lauf mit seinem ersten Karrieresieg bei der Wyndham Championship. Seine 23 Preisgeldschecks der Saison summierten sich am Ende auf beachtliche 2.836.643 Dollar und Platz 17 in der Money List.
Keegan Bradley (2011)
Als Keegan Bradley sich über die Nationwide Tour die Spielberechtigung für die PGA Tour 2011 sicherte, war er noch “Der Neffe von Hall-of-Fame-Mitglied Pat Bradley”. Als die Saison vorbei war, war er selber Majorsieger – dabei hatte er für die ersten drei Majors noch nicht einmal eine Startberechtigung. Doch das änderte sich als er mit seinem Sieg bei der Byron Nelson Championship im Mai gleich auch die Qualifikation für die PGA Championship schaffte bei der er im Playoff Jason Dufner niederrang. Mit 3.758.600 Dollar Preisgeld belegte Bradley in der Jahresendabrechnung schließlich Platz 13.