Mit dem Beginn des Jahres 2012 gibt es nur noch einen einzigen Spitzenspieler, der exklusiv auf der European Tour Mitglied ist: Martin Kaymer, der niedrigste Wert seit 2005. Eine seltsame Entwicklung, schließlich hieß es vor wenigen Monaten noch die European Tour sei mindestens gleichwertig verglichen mit der PGA Tour und dank Lee Westwood, Rory McIlroy und Martin Kaymer schien die Weltrangliste zu bestätigen, dass die European Tour die Vorherrschaft der PGA Tour gebrochen hat. Doch war und ist dieses Argument wirklich haltbar? Um das zu klären, habe ich einmal sämtliche Teilnahmefelder des Jahres 2011 ausgewertet und geschaut, wie sich die 200 besten Spieler der Weltrangliste (jeweils zum Austragungsdatum des Turniers gerechnet) dort verteilt haben. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die PGA Tour ist deutlich die besser besetzte Tour wenn man nur nach absoluten Zahlen geht. Bevor das erste reine European-Tour-Event auf der rechten Seite erscheint, sind in der folgenden Tabelle links schon zehn reine PGA-Tour-Events durchgelaufen:
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120 |
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110 |
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100 |
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90 |
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Arnold Palmer Invitational (84) |
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80 |
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Honda Classic (74) |
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70 |
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Dubai Desert Classic (66) |
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Cadillac Championship (64) |
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60 |
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McGladrey Classic (53) Bob Hope Classic (53) |
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Portugal Masters (52) |
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50 |
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Greenbrier Classic (49) |
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KLM Open (46) |
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China Open (45) |
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40 |
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Sicilian Open (31) |
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Tournament of Champions (30) |
30 |
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20 |
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Alfred Dunhill Championship 2010 (14) |
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Reno-Tahoe Open (13) |
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10 |
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0 |
Nun werden die Verteidiger der European Tour zu Recht sagen, dass man ja nun nicht einfach den Weltranglistenersten Luke Donald mit dem 200. der Weltrangliste (aktuell: Daisuke Maruyama) gleichsetzen darf wenn man die Stärke eines Feldes berechnet. Allerdings darf man auch nicht einfach behaupten ein Feld ist doppelt so stark besetzt wenn Luke Donald statt Webb Simpson am Start ist, wie es die Weltrangliste tut. Eine sinnvolle Bewertung der Stärke wäre es meiner Meinung nach wenn man Gruppen bildet: Die Top 10, Platz 11-50, Platz 51-100 und Platz 101-200. Jede Kategorie ist dabei doppelt so hoch bewertet wie die vorherige. Also ein Spieler aus den Top 10 wirkt sich auf die Stärke eines Feldes so aus wie zwei aus den Top 50, vier aus den Top 100 oder 8 aus den Top 200. Rechnet man dies so durch ergibt sich – Major-Turniere und WGCs außer vor gelassen – folgendes Bild:
Das Ergebnis ist auch hier ernüchternd. Die BMW PGA Championship, das sogenannte Flagship-Event der European Tour, wäre auf der PGA Tour gerade einmal das am neuntbesten besetzte Turnier. Hinter den FedEx-Cup-Playoffs, aber auch hinter Turnieren wie dem Memorial oder der Northern Trust Open, die auch die Elite der europäischen Spieler als Akklimatisierung und Vorbereitung auf die Majors und WGCs nimmt. Es gibt nur zwei Situationen in denen die European Tour überhaupt mit dem großen Rivalen aus Übersee konkurrenzfähig ist: Der Desert Swing, bei dem einige Top-Amerikaner mit hohen Antrittsgeldern in den Nahen Osten gelockt werden, und die Scottish Open im Vorlauf der Open Championship.
Selbst Turniere, die in Europa einen hohe Stellenwert haben wie die Open de France würden in den USA nur unter ferner liefen geführt. 2011 lockte das älteste Turnier in Kontinentaleuropa gerade einmal einen Spieler aus den Top 10 an (Martin Kaymer) und acht weitere aus den Top 50. Das ist in etwa auf dem Niveau eines in Europa eher als mäßig angesehenen PGA-Tour-Turniers wie der Zurich Classic (3 Top-10-Spieler, 9 weitere aus den Top 50).
Ganz übel sieht es für die Europäer dann aus, wenn man in die unteren Gefilde geht. Die Austrian Open kann sich nicht mal mit Turnieren messen, die in den USA parallel zu WGCs und Majors stattfinden (ganz zu schweigen von der Madeira Islands Open, die mit dem 191. George Coetzee nur einen aus den Top 200 anlockte). Und die von uns Europäern gerne als unattraktiv belächelte John Deere Classic? Die hatte 2011 immerhin zwei Teilnehmer aus den Top 10, 4 weitere aus den Top 50 und dazu noch zwölf aus den Top 500. Damit war sie besser besetzt als 29 (!) der 43 regulären European-Tour-Events und fast so stark wie die in Deutschland immer noch als Elite-Event betrachtete BMW Open in München (einer aus den Top 10, sieben aus den Top 50, und neun aus den Top 100).
Man mag es also als typisch amerikanische Arroganz abtun, dass dort ein Golfer erst ernstgenommen wird, wenn er sich tagein tagaus auf der PGA Tour als Spitzenspieler etabliert hat. Die nackten Zahlen aber untermauern diesen Standpunkt leider. Und wenn die Weltrangliste fair bewerten würde – ohne Heimtour-Bonus und Mindestpunktzahlen – sähe das Ergebnis noch schlechter aus, da viele European-Tour-Mitglieder tiefer bewertet wären. Bestes Beispiel waren die KLM Open und die Malaysian Open, die auf dem Niveau der John Deere Classic besetzt waren aber dem Sieger 10-12 Weltranglistenpunkte mehr brachten. Für die (britischen) Medien und die Offiziellen ist es vielleicht eine nette Diskussion, welche der Touren stärker ist. Wirklich Sinn macht sie allerdings nicht: zu dominant ist die PGA Tour in allen Belangen.